Thema:
Re:Klingt sehr spannend flat
Autor: Trumpfass
Datum:18.08.17 15:39
Antwort auf:Klingt sehr spannend von sidekick-x-

Klar doch - sorry, das ist jetzt viel Gelaber geworden, haha - also, Trekking bedeutet für mich autark (Wir haben also die komplette Verpflegung im Rucksack, sammeln Beeren, trinken aus Flüssen usw.), zu Fuß und mit Zelt, auch wenns bei letzterem durchaus mal Ausnahmen geben darf, mehrtägig durch eine wilde, abgeschiedene Landschaft zu wandern.

Angefangen hat das bei mir mit zwei Kumpels. Da einer von uns gerade für seinen post doc in Glasgow war, hatten wir beschlossen uns einen alten Jugendtraum zu erfüllen: Durch die schottischen Highlands streifen und die Abende an irgendeinem Loch am Lagerfeuer verbringen. Nun ja, ganz so Highlander-romantisch wars dann am Ende natürlich doch nicht, sondern mit dem West Highland Way eben einer der leichtesten und meist bewanderten Weitwanderwege Schottlands und wir haben die Woche nicht mal durchgezeltet, sondern waren auch zwei mal in Unterkünften. ;)
Dadurch ist er aber auch wirklich der perfekte Weg, um erste Trekking-Erfahrung zu sammeln. Ich persönlich finde es auch wichtig eher klein anzufangen, wenn man nicht gerade jemanden mit entsprechender Erfahrung dabei hat. Leider beachten das viele nicht, verwechseln Trekking mit einer kleinen Wanderung und entsprechend oft habe ich schon Sätze von "I wish i brought better gloves." bis "I SURVIVED THE NIGHT!!!" gehört oder auch schon aktiv Leuten geholfen. Bspw. einer Koreanerin in Island, die in einem Schlammloch (und das ist extrem schwerer, klebriger Schlamm der durch die heißen Schwefelgase entsteht) am Hang feststeckte und weder vor, noch zurück kam. Tjo, blöd, wenn man in so einer Situation keine Trekkingstöcke dabei hat. :)

Schottland ist da perfekt für Anfänger, Island oder Nordskandinavien nur bedingt mit entsprechend tiefgehender Vorbereitung statt schlichten Erfahrungswerten. Der WHW war wie gesagt so ein Jugendtraum unter Kumpels, im Jahr drauf durfte dann auch meine Freundin mit und so ging es mit ihr und einem der beiden Kumpels weiter zur "schwedischen Wanderautobahn", dem Kungsleden. Wobei dieser Wanderautobahn-Spruch ziemlich übertrieben ist. Man trifft da vielleicht 5 Leute pro Tag auf der ersten Hälfte und 5-15 Leute am Tag auf der zweiten Hälfte. Wenn man "Pech" hat (Ist ja Ansichtssache). Aber für so manchen Trekker ist das halt schon zu viel. Der nördliche Kungsleden ist eigentlich auch ziemlich easy, die Schwierigkeit ist da eher die Länge (mit Zeltplatzsuche, Umwegen usw. waren das etwas über 250km) bei kaum Ausstiegsmöglichkeiten, die Seeüberquerungen und die Tatsache, dass es in sternklaren Nächten um den Tjäktja-Pass ("Pass" ist da eher ein Witz, das sind ca 300m Anstieg, aber man ist halt schon so weit oben und am Polarkreis herrschen andere Wetterverhältnisse als bei uns) auch im Sommer Nachts durchaus mal Null Grad kalt werden kann.
Vielleicht kurz zu den Seeüberquerungen: hier muss man selbst rudern, wenn man nicht gerade einen Samen beim Fischen trifft, der einen zu schwedischen Preisen rüberfährt. Dabei liegen pro See in der Regel drei Boote an und jeder Wanderer ist dafür verantwortlich, dass auf jeder Seite immer ein Boot anliegt. Dh. wenn du das letzte Boot auf deiner Seite erwischst, musst du danach eins von der anderen Seite ins Schlepptau nehmen, es rüber rudern, fest machen und wieder rüber rudern. Bei einem 3,5km breiten See mit ordentlich Wellengang kann das also schnell mal in die Arme gehen und einen halben Tag dauern.
Die Tour haben wir dann bis auf eine Ausnahme (Die Nacht nach unserer ersten eisigen, sternklaren Nacht da oben sind wir lieber in eine Hütte gegangen^^) durchgezeltet.

...und dann gings halt weiter mit Island und Norwegen, inzwischen aber nur noch mit meiner Freundin, da der Kumpel seine leider schwer kranke Frau nicht mehr alleine lassen kann. Dafür haben wir schon zwei andere Freunde angesteckt, die inzwischen selbst erste Touren in Schottland gemacht haben. :)

Vielleicht interessant: Wie kochen wir auf Tour? Ich esse morgens einen Porridge/Crunshy-Müsli-Mix mit einem Löffelchen Proteinshake (Für den Geschmack, weil man das ja nur mit Wasser anrührt), zwischendurch meist Riegel wie Cliff Bars und Nakd Trek Bars, Nüsse, gefriergetrocknete Erdbeeren oder Seitanprodukte wie die Spacebars von Wheaty. Abends gibts bei mir Expeditionsnahrung von TreknEat, Real Turmat und Blå Blend. Meine Freundin dagegen kocht sich meist lieber was selbst. Gewichtstechnisch muss man da natürlich smart vorgehen, sie nutzt daher gern Kichererbsennudeln (leichter als Weizennudeln), Couscous und getrocknetes Gemüse (Tomaten, Paprika, Lauch & Zwiebeln) und natürlich Gewürze. Wichtig ist halt, dass der Kocher nur einmal kurz Wasser erhitzen muss und man den Rest durch quellen lassen erledigen kann.

Ist das ganze gefährlich? Nunja, klar gibt es Gefahren wie Stürme, Kälte und auch Tiere. Mit letzteren haben wir noch keine (zum Glück und leider^^) Erfahrungen, also zumindest weder mit Bären, noch mit Wölfen. In Skandinavien sind die aber auch extrem scheu und bei weitem nicht so aggressiv, wie bspw. ihre nordamerikanischen Verwandten.

Auf die Kälte des Nordens muss man sich halt vorbereiten und entsprechend Ausrüsten. Es ist da normal, dass man tagsüber bei 15-20 Grad wandert und es Nachts dann gegen Null geht. Unsere Schlafsäcke haben bspw. einen Komfortbereich um die Null Grad und einen Extrembereich von -20 Grad. Notfalls haben wir natürlich auch noch Rettungsdecken (also diese Gold/Silberfolien) dabei - die ich auch schon mal benutzt habe. In der Gegend, wo wir in zwei Wochen sein werden, hats in der Nacht jetzt schon teilweise -2 Grad, da werden wir auch noch zusätzliche Inlets mitnehmen, die nochmal ca. 5 Grad (laut Hersteller 15 Grad, aber das ist nicht realistisch...) bringen. Unsere Isomatten sind Thermarest NeoAir Xtherm, also welche mit höherem Wärmewert als der Durchschnitt und darunter liegen noch Silbermatten zur weiteren Isolation gegen die Bodenkälte.

Stürme sind da schon eine andere Sache, mit der man einfach rechnen muss, da das Wetter dort oben immer unberechenbar sein kann. In Island hatten wir auf dem Zeltplatz von Alftavatn (das ist ein klassisches Schlechtwetter-Tal) einen 100-120km/h Sturm, der hat die meisten Zelte da schlicht zerlegt. Das ist z.b. auch so ein klassischer Anfängerfehler: Ein 100€ Zelt hat auf einem Trek in Island einfach nichts zu suchen. Das mag in 90% der Fälle klar gehen, aber wenn so ein Sturm kommt, Brechen die Stangen reihenweise. Bei dem Sturm hats unser alpines 4-Jahreszeiten-Zelt, also durchaus expeditionstauglich (ein Exped Venus II Extreme), mächtig eingedrückt. Den Österreichern, die wir auf den Trek getroffen haben und mit denen wir viel gewandert sind, musste ich dann erstmal erklären, dass ihr Mittelklasse-Salewa-Zelt im Zeltsack so ein kleines Röhrchen hat, mit dem sie ihre gebrochene Stange zumindest rudimentär reparieren können. Wir haben dann aber auch irgendwann in den frühen Morgenstunden abgebaut, weils einfach nicht mehr schön ist, bei sowas im Zelt zu liegen. Am Vormittag stand da auch nur noch ein einziges Zelt, das aber vollkommen unbeeindruckt von dem Sturm - so ein gelbes North Face, wie man es typischerweise am Everest sieht. :)
So ein Sturm kann aber natürlich auch plötzlich beim Wandern aufkommen. Bei uns war das letztes Jahr in Norwegen im Rondane Nationalpark der Fall, da hieß es morgens noch bei der Hüttenwärtin (wir haben die extra gefragt, weil es morgens schon leicht regnete): "There will be a storm up on the mountain, but you're going through the valley, so you will get wet, but you should be fine. Have fun." Tja, das war dann leider die übelste Untertreibung, die ich je erlebt habe. Wir wollten an dem Tag ca. 20km durch das "Langlupdalen" gehen, das dafür bekannt ist, dass es darin richtig übel werden kann. So auch bei uns, nach ca. 10km braute sich aus dem Regen plötzlich ein Sturm der übelsten Sorte zusammen. Das Tal hinter uns wurde komplett schwarz und verwandelte sich in einen riesigen Windkanal, der Regen peitschte so stark, dass die Tropfen im Gesicht und sogar durch die Trekking- und Regenhosen schmerzten, die ständigen Böen waren so heftig (120+ km/h, ich kannte das Gefühl ja schon gut aus Island), dass wir ihnen nur standhalten konnten, indem wir uns gegen die Trekkingstöcke stemmten (mit einem 75L Rucksack hast du verdammt viel Auffangfläche für den Wind), der Weg verwandelte sich in einen Bach und verschwand teilweise gänzlich - das war echt kein Spaß mehr. Irgendwo im Sturm habe ich dann auch noch mein GPS verloren (das ich mir einige Tage später aber in Oslo wieder abholen konnte - ein anonymer Wanderer hatte es auf einer Hütte abgegeben, total genial :) und mich aber natürlich nicht getraut weiter zurück in den Sturm reinzugehen, um das Ding zu suchen... und ich wusste, dass ichs auf den letzten 50-100m verloren haben muss. Im Gegenteil, wir sind da sprichwörtlich vor der Dunkelheit geflohen und dabei eigentlich viel zu schnell über glitschige Steine und matschiges Geröll gelaufen. Zum Glück setzt in so einer Situation das Adrenalin ein und man merkt quasi nichts mehr. Das uns Hüfte bzw. Knöchel wehtaten, merkten wir also erst 10km weiter, als wir aus dem Tal und somit dem Sturm halbwegs raus waren. Passiert ist aber nichts ernstes, wir waren nur körperlich und psychisch ganz schön durch. :) Das war dann auch das erste Mal, dass wir einen Trek abgebrochen haben, die letzten zwei Tage in dem Nationalpark waren dann einfach nicht mehr sooo sexy. Aber auch hier: Sowas ist halt ein gutes Beispiel, für Vorbereitung. Trekkingstöcke waren essentiell, sehr gute Regenkleidung und entsprechend harte Trekkingboots wichtig und das GPS auch extrem hilfreich, solange es noch da war. Ich habe daraus gelernt, dass ab jetzt mein GPS neon-gelbe Klebestreifen hat. :D Aber wenn du am nächsten Tag dann 60jährige Norweger in Norwegerpullis und ohne Trekkingstöcke durch das gleiche Tal laufen siehst (wir sind bisserl zurück und haben natürlich erfolglos bisserl nach dem GPS gesucht), dann denkst du dir schon: Okay, entweder haben die keine Ahnung, oder das sind die härtesten Säue überhaupt. Naja, es sind Norweger, Northmen, die sind wirklich härter als wir, kennen vermutlich ihr Land viel besser und wären bei Regen auch gar nicht losgegangen. :D Aber unsereins rechnet bei grauem Himmel, etwas morgendlichem Nebel und leichtem Regen eben nicht mit _so einem_ Sturm.
Anderes Beispiel für zu schlechte Ausrüstung: In Island kam uns beim Abstieg vom Pass zwischen Eyjafjallajökull und Mýrdalsjökull (der noch viel größere Vulkangletscher direkt daneben) die isländische Bergrettung entgegen und fragte, ob wir eine Gruppe Amis gesehen hätten, die da in Jeans/Leggings und Turnschuhen hoch sind. Nope, just nope. :)

Warum mache ich das? Easy (auch wenns teilweise sehr anstrengend ist^^): weil ich bei keiner anderen Urlaubsart derart den Kopf frei bekomme. Ich leite eine Mediendesign-Agentur und werde quasi immer, auch im Urlaub irgendwie in die Arbeit reingezogen. Beim Trekking dagegen habe ich meist nicht mal Handyempfang, da ist das gar nicht möglich. ;) Aber auch sonst, die unglaublichen Weiten, die wechselnde Natur, die unfassbaren "natürlichen Monumente" (Berge, Felsformationen, Fjorde usw.), die Stille, die entschleunigende Abgeschiedenheit, die tollen Gelegenheiten für Landschaftsfotos (die das Ganze nicht mal halb so rüberbringen, wie es vor Ort wirklich ist), die Idylle, die gespenstischen Nebellandschaften... das alles ist für mich schlicht unbezahlbar und jeden Tropfen Schweiß wert. :)

Cheers,
Alex


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