Thema:
"Asylant" ist in der Tat ein verbranntes Wort flat
Autor: membran
Datum:25.07.16 13:34
Antwort auf:"Asylanten", Alter... von Matze

Zufälligerweise hatte ich heute morgen in einem Gespräch zum Anschlag das Wort erst verwenden wollen und habe dann nach kurzem Zögern doch "Asylbewerber" verwendet. Man spricht ja auch nicht mehr von "Asylantenheim", sondern von "Flüchtlingsheim".

Es als einen "rechten Kampfbegriff" zu bezeichnen, ist aber sicherlich übertrieben. Nichtsdestotrotz sollte man es aus seinem Vokabular streichen.

Artikel in der Süddeutschen vom Dezember 2014:

[http://www.sueddeutsche.de/politik/sprache-im-migrationsdiskurs-warum-asylant-ein-killwort-ist-1.2262201]

Asylant war einst ein unschuldiges Wort. "Es wurde in den 60er Jahren auf völlig harmlose Art und Weise benutzt", erklärt der Linguist Martin Wengeler. Im Duden taucht es erst in der 18. Auflage auf, im Jahr 1980. Nicht ohne Grund.

1980, dem Jahr des Militärputsches in der Türkei, kletterte die Zahl der asylsuchenden Menschen in Deutschland über die Grenze von 100 000. Zu diesem Zeitpunkt war eine emotional geführte Diskussion um diskriminierende Sprache entbrannt - und der Begriff verlor seine Unschuld. "Seit Beginn der 80er Jahren wird das Wort zumeist abwertend gebraucht, dazu, die Menschen zu benennen, die man nicht dahaben will. Anfang der 1990er erreichte das dann den Höhepunkt. Zum Beispiel in Medien wie Bild und Spiegel", sagt Wengeler, der Mitglied der Jury Unwort des Jahres ist.

Es waren vor allem Sprachkritiker und Aktivisten der Political Correctness, die die Verwendung des Begriffs "Asylant" beanstandeten. Allein die Endung: -ant. Wie in Simulant, Ignorant, Querulant, Denunziant. Alles Begriffe, die negative Assoziationen hervorrufen, behaupteten die Kritiker, die für eine diskriminierungsfreie Sprache kämpften.

Das Wort erfuhr eine schleichende Stigmatisierung, weil es selbst stigmatisiert. Immer wieder wurde es mit Komposita versehen: Scheinasylant, Asylantenheim, Asylantenstrom. Ein Kill-Wort, so bezeichnet es der Sprachwissenschaftler Jürgen Link. Und auch wenn es heute hin und wieder noch gebraucht wird: Mitte der 1990er ist der Begriff aus dem öffentlichen Sprachgebrauch größtenteils verschwunden. "Und er wird auch in den aktuellen öffentlichen Diskussionen nach meinem Eindruck kaum benutzt", sagt Wengeler. Der Asylant, das ist nun einer, der aus zweifelhaften Gründen Asyl sucht, der uns bedrängt, das Grundgesetz ausnutzt.


Bei Flüchtling war es übrigens andersrum:

Dass Begriffe auch eine Rehabilitierung erfahren können, zeigt das Wort Flüchtling. In den 50er Jahren noch verpönt, hat es heute eine neutrale Bedeutung. "Das Wort Flüchtlinge wurde in den 1950er Jahren in den Diskussionen um die aus den ehemaligen deutschen Gebieten Vertriebenen so benutzt, dass sich Menschen stigmatisiert gefühlt haben", sagt Wengeler. Das habe sich seit Mitte der 1960er Jahre verändert. Heute bekommt er erst dann eine abwertende Bedeutung, wenn er mit Komposita verbunden wird, wie im Wort Wirtschaftsflüchtling.


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