Thema:
Re:Mich hat das alles abgehängt flat
Autor: token
Datum:10.11.15 10:49
Antwort auf:Re:Mich hat das alles abgehängt von Wurzelgnom

>Wenn es nur reale Freunde sind die man nicht jeden Tag sieht, würde ich es schon komisch finden wenn das nicht interessiert.
>Von meinen Freunden ist aber kaum Jemand bei FB, daher hält sich das in Grenzen.
>Ich bin zwar noch angemeldet, aber guck nur sehr sporadisch rein, einmal die Woche vielleicht.
>Verwandte schreiben da öfter mal, so bleibe ich auf dem Laufenden ohne immer gleich anrufen zu müssen.
>

Nee, mich interessiert der Mensch an sich, das zwischenmenschliche in der Interaktion mit ihm, diese Interaktion kann aus Banalitäten bestehen, das muss nicht tiefsinnig sein. Aber sein Leben als Konsumgut, so wie es über Facebook halt läuft, interessiert mich in so einer Form Null, da mache ich keinen Unterschied zwischen Prominews wo Giselle Bündchen ihren Kaffeebecher auf der Straße entsorgt und dem Umstand dass er im Zoo war und davon Fotos postet.
Wenn ich mit ihm rede und er mir Anekdoten erzählt darüber wie er den Ausflug wahrgenommen hat und was da aus seiner Sicht so passiert ist, dann finde ich das interessant und "unterhaltsam". Unterhaltung im doppelten Wortsinn.
Mit dem faktischen Umstand des Ausflugs an sich hingegen, ja mei, Menschen tun halt Dinge, sie essen, sie scheißen, sie machen Ausflüge. Das ist nichts, woran ich ein Interesse hätte "auf dem Laufenden" zu bleiben, weil es einfach auch nichts bedeutet. Breaking News, ich atme.
Tut mir ja leid.

>Das findest du langweilig?
>Wenn Freunde tolle Reisen machen dann höre ich da schon gerne zu.
>Da sitzt man dann zusammen, futtert etwas und erzählt sich was.
>

Es geht um das Format. Ja, man sitzt zusammen und der andere erzählt von seinem Erlebnissen, jeder streut was ein, man sieht sich an, lacht, unterhält sich, cool.
Diaschau ist aber was anderes.
Bild 1, hier stehen wir vor X.
Bild 2, das ist eine Aufnahme von Y, das liegt bei Z, da hatten wir einen Tagesausflug.

Es ist eine Präsentation des Urlaubs, es ist entkoppelt vom Präsentierenden als Mensch. Das ist für mich Facebook. Eine Präsentation des eigenen Lebens.
Dein Alltag in PowerPoint.
Interessiert mich nicht, ich spreche niemandem ab sowas interessant zu finden, offensichtlich findet es die ganze Welt interessant in so einem Format dem Leben von anderen beizuwohnen. Ich nicht. Ich brauche keine ständige Verfügbarkeit dieser Alltäglichkeiten, ich will das persönliche Treffen und die Unterhaltung und dementsprechend dann das Konzentrat von Erlebnissen und Gedanken im Gespräch.
Ich wundere mich auch was hier so steht. 500 Leute die man persönlich kennt? Übersteigt meine Vorstellungskraft. In 8 Jahren Gymnasium komme ich auf vielleicht 80 Leute mit denen man rudimentärst etwas zu tun hatte, also mehr als sehen, Namen kennen und mal paar Wortwechsel, 20 Leute wo ich sagen würde, ja, die waren Bestandteil meines Lebens, mit denen hab ich mich in einer Form "beschäftigt" die dem Begriff "beschäftigt" gerecht wird, und "gekannt" habe ich vielleicht 10.
Und das finde ich auch normal irgendwie, weil ich denke dass es schon hohes Gewicht hat wenn man von "kennen" spricht, das geht ins persönliche hinein, in Dinge die nicht auf der Oberfläche haften die man zu 95% seiner Umwelt präsentiert.

Ich hab bspw. 2,5 Jahre eine Ausbildung in einer festen Gruppe von 17 Leuten gemacht, in dieser Gruppe haben sich 3 Cliquen gebildet, in der Clique in der ich abgehangen habe war man zu sechst. Nichtsdestotrotz bekam ich da FB-Anfragen von vielen Leuten wo offensichtlich ein gegenseitiges persönliches Desinteresse vorherrschte, was wollen diese Menschen von mir? Wollen sie wissen dass ich mit meiner Katze beim Tierarzt war? Obwohl sie aus einem Rahmen in dem man sich persönlich sieht nicht mal erfahren hatten, dass ich eine Katze habe?
Wie gesagt, ich kann mit sowas schlichtweg nichts anfangen.

>Eigentlich Dito, aber gemäßigt benutzt, finde ich das schon nicht so verkehrt.
>Bekannte aus USA, Thailand, oder einfach nur Verwandte die man zeitlich nicht so oft besuchen kann, sieht man so ein wenig mehr.


Naja, "sieht"?
Da schreib ich einen Brief, was geht bei mir, was beschäftigt mich, was läuft bei dir. Damit kann ich was anfangen. Das ist persönlich. Dinge die bei einem passieren an eine Pinnwand heftet begreife ich eben nicht als persönlich. Es sind ja nicht mal Fakten, es ist mehr wie eine Bewerbung des eigenen Lebens, und die läuft halt so, wie das bei Bewerbungen eben läuft. Das ist nicht echt. Es ist ein auf eine Öffentlichkeit eingenommener Blickwinkel der ganz gezielt verengt wird, auf etwas, was vermeintlich passiert, ohne dass es tatsächlich passiert.

>Zumindest hat man das Gefühl ein wenig mehr von ihrem Leben mitzubekommen.
>ich verteufel FB nicht, lieben tu ich es aber auch nicht.

Ich verteufele es auch nicht, mir ist schon bewusst dass ich da etwas aus dem Rahmen falle, bewusst dass man ob meiner Einstellung auch meine Sozialkompetenzen in Frage stellen kann. Ich bin halt nicht zufrieden damit dass diese Einflüsse die Welt zunehmend zu einem großen Kaffeeklatsch transformieren.


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