Thema:
Re:Achtung, Rant! flat
Autor: harukathor
Datum:29.08.14 15:01
Antwort auf:Achtung, Rant! von Kyo

>Das ganze pauschale Gejammer über die ach so übertrieben Putin-kritische und >kriegslüsterne Presse ist echt ein Trauerspiel, weil da irgendwie ziemlich außen >vor bleibt, dass die Kritik oft sehr reale Hintergründe hat.

Ich bin wirklich kein Putin-Fan, aber bei Darstellungen, die ihn in die Nähe eines absoluten Monsters rücken, muss man leider gegenargumentieren. Putin ist meines Erachtens nach ein berechnender Stratege (etwas, was dem Westen teilweise fehlt), der wenig aus emotionalen Erwägungen heraus unternimmt. Wenn man ihn loswerden will, darf man sich vermutlich demnächst mit einem echten Hardliner herumärgern.

>Auch die Argumentationslinie "Der Westen sollte mal schön ruhig sein, siehe
>Irak-Invasion" ist ist ja erschreckend populär, was sie nicht weniger blödsinnig >macht.


Die Argumentation ist auch wirklich idiotisch.

>Putin reizt die Sache immer weiter aus, weil er genau weiß, dass die westlichen >Politiker viel zu große Angst davor haben, wegen eines im Endeffekt doch relativ >unbedeutenden und weit entfernten Staates wie der Ukraine einen bewaffneten >Konflikt mir Russland anzufangen.

Möglich.

>"Unsere Fallschirmjäger haben sich bloß verlaufen" (na klar, 20 Kilometer zu weit >über die Grenze - reines Versehen!).

Das finde ich auch eher unwahrscheinlich.

>Oder "Es sind zwar russische Soldaten in der Ukraine im Einsatz, aber die sind >grad alle im Urlaub und machen das in ihrer Freizeit - wir haben damit nichts zu >tun!"

Das Problem: Er könnte in Teilen recht haben. Wenn eine Minderheit in einem Land bedroht wird, die im Nachbarland die Mehrheit stellt, finden sich garantiert Freiwillige, die dort in den Konflikt eingreifen wollen. Das müssen dabei nicht mal die nettesten Leute sein, da solche Völkerkonflikte Rechtsradikale beider Seiten anziehen dürften. Und aufhalten wird die die russische Armee vermutlich nicht, da sie durchaus mit der Sache sympathisieren dürfte.

>Und dann letztens dieser bescheuerte PR-Stunt mit dem LKW-Konvoi. Das ist so >plump, das kann man schon gar nicht mehr parodieren, und doch fanden sich auch da >Leute, die sich darüber echauffiert haben, dass die Ukrainer die Kolonne nicht >umgehend durchgewunken haben.

Ich fand den PR-Stunt recht clever, da so die ukrainische Regierung in Entscheidungsnot kam. Wenn sie sie einfach so reingelassen hätte, hätte sie Putin als Menschenfreund dastehen lassen. Wenn sie sie so wie geschehen blockiert hat, wird ihr Verweigerung von humanitärer Hilfe unterstellt.

>Nämlich der Tatsache, dass das, was da im Osten der Ukraine derzeit läuft, ohne >sehr aktive russische Unterstützung längst vorbei wäre, wenn es denn jemals >überhaupt angefangen hätte.

Angefangen hätte es auch ohne Russland - ich gehe sogar davon aus, dass Russland sich erst später eingemischt hat, Putin musste erst einmal seine Prioritäten organisieren.  

>Mal ehrlich: Wenn jemand hier irgendeine grenznahe Stadt auf diese Art besetzen >und bei der Gelegenheit ein paar regierungsnahe Politiker vor Ort um die Ecke >bringen würde, würde da ernsthaft jemand verlangen, man müsse mit diesen Leuten >verhandeln und ihre Forderungen in Zukunft in die Regierungsarbeit einbeziehen?

Schwer zu vergleichen (finde übrigens keine News zu getöteten Politikern im Netz?), da es a) zum Zeitpunkt des Start des Konflikts nicht mal eine regulär gewählte Regierung gab, b) die Bevölkerung dort nach den ersten Aktionen der neuen Machthaber berechtigte Zweifel an ihrem künftigen Status hatte und c) sich die meisten Forderungen der auf dem Maidan Protestierenden wohl nicht erfüllt haben.

Die, die da jetzt kämpfen, sind laut dem ukrainischen Generaloberst teils Leute, die gegen Janukowitsch protestiert haben und mit dem Ergebnis unzufrieden sind. Kein Wunder, wenn man für die Abschaffung der Oligarchie kämpft und im Endeffekt Poroschenko bekommt.


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