Thema:
Re:Ist mir auch vor einigen Sekunden aufgefallen :) flat
Autor: Shriekback
Datum:04.07.10 15:06
Antwort auf:Ist mir auch vor einigen Sekunden aufgefallen :) von Bufko


>Wus. Dann leih dir eine. Oder legs auf den Scanner. Oder mal es ab. Oder gib mir einen Link von irgendetwas, was so ähnlich aussieht. Und quassel noch ein wenig drüber :)

Okay, das hier ist mein Becken:

[http://antstore.net/shop/product_info.php/info/p849_glasbecken-30x20x20-cm-mit-27mm-bohrungen.html/XTCsid/1e9179d3c36a59622d1f5d00d6374b3e]

Hat nicht mal einen Deckel drauf, aber das kann man sich nur bei den wenigsten Arten erlauben. Bei meinen kleinen Temnos reicht eine Schicht Paraffinöl als Ausbruchsschutz einmal ringsherum innen am Rand. Das killt die nicht, aber sie finden daran keinen Halt und schliddern herunter.

So sehen die übrigens aus, die Meisis:

[http://www.antstore.net/shop/images/product_images/popup_images/950_0.jpg]

Rötlich mit nem schwarzen Streifen, wenn die mit Honig vollgefressen sind, sehen sie aus wie Katzenaugen ein bisschen (die Edelsteine). :)

Ich betreib mein Becken nicht mit so viel Aufwand wie andere Ameisenhalter, da ich die so natürlich wie möglich halten will. Darum hab ich denen auch kein Nest gebastelt, sondern ihnen natürliche Nistmöglichkeiten angeboten. Entschieden haben sie sich, in zwei angeknackte Haselnüsse einzuziehen. Temnos mögens gerne eng und kuschelig. Die Kolonien werden auch nicht ganz so groß, etwa ein paar Hundert Tiere mit einer Königin (bei dieser Art ist es nur eine, andere Ameisen haben oft mehrere). Ich verstehe manche Ameisenhalter nicht, die sich da kleine Kolonien anschaffen und nicht drüber nachdenken, dass das mal irgendwann 200.000 (oder mehr) Individuen werden können. Aussetzen kann man sie nämlich aus diversen Gründen nie wieder.
Wie auch immer, zurück zu meinem Becken: Unten ist eine Schicht Seramis, um Wasserstau zu vermeiden, darüber Humus (keimfreier) und dann abgekochte Deko von draussen, etwas gepflanztes Gras, etc. Abgekocht bzw. keimfrei deswegen, weil man sich sonst schnell ungewünschte Untermieter mitnimmt oder Milben, die der Kolonie schaden könnten. In so einem Becken herrscht ja genauso wenig ein natürliches Gleichgewicht wie in einem Aquarium. Das hat natürlich den Nachteil, dass es schneller schimmelt, weil eine "Bodenpolizei" fehlt, darum hab ich die wie viele Halter gezielt hinzugesetzt in Form von Springschwänzen und weissen Asseln, die sozusagen die Müllmänner spielen.

Zu den Ameisen selbst: Die sind extrem interessant zu beobachten, aber wie bei fast allen so kleinen, nicht zahmen Tieren ist es nach ner Weile natürlich immer wieder das gleiche. Zu fressen bekommen sie Honig, der als Energieversorgung für die Arbeiterinnen dient und Insekten, mit denen die Larven von den Arbeiterinnen als Proteinquelle versorgt werden. Temnos bilden im Gegensatz zu zum Beispiel Lasius niger nicht die berühmten Ameisenstraßen zur Beute, sondern rekrutieren eher gezielt Hilfe beim Zerlegen. Eine ihrer markanten Eigenschaften dabei ist der sogenannte Tandemlauf, der extrem putzig aussieht. Dabei geht eine Ameise, die was tolles gefunden hat, zu einer unbeschäfigten Kollegin und sagt der quasi pheromontechnisch: "Ey, da hinten gibt's Hammi!". Dann läuft sie voraus und die andere bildet mit ihr quasi eine Polonaise, in dem sie immer Fühlerkontakt zur Vorderameise hält. Sollten die beiden aus Versehen getrennt werden, bleibt die Vorderameise geduldig stehen, bis die Nachläuferin wieder den Anschluss gefunden hat.
Sehr faszinierend zu beobachten sind auch Umzüge. Weil ich nicht ins Nest gucken kann, sind das auch meine einzigen Gelegenheiten, die Kolonie in voller Größe und den Nachwuchs zu sehen (inklusive Königin). Dabei wird stundenlang Ei für Ei (an Ei for an Ei XD), Larve für Larve etc. in die neue Unterkunft gebracht. Umzugsfaule Arbeiterinnen werden von den fleissigen gepackt und zum neuen Ort huckepack getragen. Die Königin, die etwas größer ist als die Arbeiter, wird natürlich ebenfalls getragen. Ansonsten führt sie ein ziemlich bescheidenes Leben abseits vom Tageslicht und gebiert... gebährt... bärt... legt halt Eier!
Ameisen sind übrigens extrem saubere Tiere und tragen regelmäßig tote Arbeiterinnen und Essensreste aus dem Nest heraus und bringen sie so weit wie möglich von ihrem Zuhause entfernt auf eine Müllkippe.

Angst vor einem Ausbruch muss ich bei denen nicht haben. Das Becken steht in einer Glasvitrine und es gibt - selbst wenn sie alle auf einmal den Ölfilm überwinden würden - einfach keinen Platz in der Nähe, der so lukrativ als Wohnort ist, wie der, den sie haben.

Kribbelig oder so ist mir nicht, wäre es vielleicht ein bisschen, wenn ich die Larven sehen könnte, weil ich Larven und Maden generell eklig finde. Ansonsten häng ich an jeder einzelnen und hab schon mehrmals Ameisen vor dem Ertrinken gerettet und durch pusten reanimiert auf meiner Hand. :D

Insgesamt würde ich die Haltung von Ameisen als exakt so teuer und kompliziert betrachten wie man sie haben will. Um ein Aquarium als Vergleich zu benutzen: Manche haben ein 60x30x30 mit Guppys und den obligatorischen Panzerwelsen, andere ein 3 Meter Meerwasser - Aquarium mit Filterraum nebenan. ;)

Das Schwierigste generell an deutschen Arten (und das blödeste) ist die Tatsache, dass sie Überwintern müssen. Aber da selbst ich sie als absoluter n00b durch den Winter gebracht habe (im Kühlschrank neben meinen eingewinterten Laubwürmern im Obstfach *hust*), kann es nicht so schwer sein. ^^


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