Thema:
Re:Ja mann! flat
Autor: Sven Mittag
Datum:11.11.22 13:39
Antwort auf:Re:Ja mann! von _bla_

>>Naja, zunächst einmal sind "nur" 13 % Privatversichert, diese machen jedoch im Schnitt 50 % der Einnahmen der Praxen aus (!). Wie kommt es zu diesem Wunder?
>
>Hast du irgendeine Quelle für diese Zahl? So richtig plausibel scheint mir das nicht.


Wie ich schon mal an andere Stelle gesagt, gibt es keine belastbare Statistiken zu den Praxiseinahmen dazu. "Problem" ist wie folgt: Freiberufler können Ihre Zahlen für sich behalten. So hat der Staat keinen Zugriff drauf. Im Gesundheitswesen erheben zwar die KVen jährlich Werte. Diese basieren jedoch auf freiwilligen Selbstangaben. Die Teilnahmequote liegt dabei stetig unter 10 % und dürfte mit Sicherheit stark vorselektiert sein. Immerhin werden diese Zahlen - dafür machen die KVen sogar Werbung als "Benefit" - als Verhandlungsgrundlage gegenüber der Politik und den Kassen genutzt.

Nun kannst du dir selbst zusammenreimen, welche Praxen interessiert sind, Ihre Daten durchzugeben. Sicherlich nicht die Praxen mit hohen siebenstelligen Einnahmen. Getreu dem Motto "Bitte ich verdiene nicht genug. Meine handgearbeiteten Bronze-Steckdosen aus Belgien konnte ich mir jetzt nicht mehr leisten beim Bau meiner Ferienwohnung.

Lauterbach will diesen Winter zufällig gewählte Praxen dazu zwingen, die Daten rauszurücken, um hier eine bessere Datenlage zu haben. Dies dürfte jedoch einen Rattenschwanz an Problemen mit sich bringen, da die Motivation der Ärzteschaft wohl bei genau 0 % liegen dürfte.

Die 50:50 Quote für Praxen habe ich aus so gut wie jeden Seminar bzgl. Praxiswirtschaftlichkeit. Keine Ahnung woher die Referenten die Zahlen haben. Nachdem es sich aber im Falle von unserer Praxis deckt und auch die wenigen Kollegen mit denen man spricht dies als realistisch einstufen, würde ich sie jetzt nicht als utopisch deklarieren. Natürlich muss man immer sagen, dass es hier sehr starke Schwankungen geben kann. Berliner Brennpunktpraxis und Erlanger Privatpraxis dürften massiv andere Zahlen haben.

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>Hier gibt es ein paar Zahlen:
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>[https://www.vdek.com/presse/daten/d_versorgung_leistungsausgaben.html]
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>Danach gehen bei allen Gesundheitsausgaben 255 Mrd. auf die GKV zurück und 36 Mrd. auf die PKV. Von 50% / 50% kann dort also schon mal keine Rede sein. Aber gut vielleicht ist das Verhältnis bei den Ärzten ja anders? Möglich, aber für 50%/50% reicht es dennoch nicht:
>Die GKVs geben 45 Mrd für Ärzte aus, also mehr als das gesamte Budget der PKVs.


Sehr interessante Daten. Also stellen die Ausgaben der PKVs genau die Einnahmen der Ärzte dar? War mir bisher so gar nicht bewusst. Dies muss ich mal bei Gelegenheit der Patientin von letzter Woche sagen, die komplett verstört bei mir im Behandlungsstuhl saß, da ihre PKV zunächst nach Kostenvoranschlag knapp 50 % der Behandlungskosten übernehmen wollte und am Ende sogar stolze 25 % übernommen hat. PKVs sind nicht zwingend Vollversicherungen - sogar eigentlich fast nie. Deine Überlegung und somit absolut unlegitim.

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>Es sind wohl auch nur 10,5% in der PKV versichert:


Meine Zahl bezog sich auf die Prozent unter allen Erwerbstätigen. Die Zahl vom VDEK dürfte auf die Gesamtbevölkerung bezogen sein.

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>[https://www.vdek.com/presse/daten/b_versicherte.html]
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>Jede PKV Versicherte bringt rund 4150 Euro pro Jahr ins System ein. Während die GKV Versicherten bei rund 3500 Euro liegen.


Gelten diese Zahlen pro Versicherten oder pro Erwerbstätigen? Sind ja über die Familienabsicherung der GKV nochmal zwei komplett andere Paar Schuhe?

>Wer hingegen in der GKV freiwillig versichert ist, zahlt wesentlich mehr. In Wirklichkeit sind es eben nicht die PKV Patienten, die das System subventionieren, sondern die freiwillig in der GKV Versicherten, die dort den maximalen Satz zahlen. Sie zahlen viel und bekommen wenig, aber ihre Beiträge sorgen dafür, das viele Menschen mit geringen Einkommen eine Versicherung bekommen, die viel mehr kostet, als sie Beiträge bezahlen.

Auch hier scheinst du nicht verstehen zu wollen. Die PKVler subventionieren nicht das Versicherungssystem, sondern die Praxen, die GKV und PKV behandeln. Wenn ich aber knapp 10 Euro für ne halbe Stunde Beratung eines GKVler bekomme, von denen ich Investition, Personalkosten, Miete, Heizung und sonstige Kosten Zahlen soll, subventioniert mir der Private halt die Praxis, da ich hier in ner halben Stunden 500 Euro verdiene.

Und genau hier ist halt der Hund begraben. Das GKV-System ist hochgradig...fragwürdig aufgebaut. Primär durch die Budgetierung. Kriege ich meine Leistung nur bis zu einem gewissen Punkt ausreichend gezahlt, mache ich was? Genau bis zu dem Punkt arbeiten und dann in Feierabend gehen. Klar würde durch eine Bürgerversicherung der Punkt bis zur Decklung nach oben geschoben werden. Aber es wird halt nie ausreichen, um meine Arbeit vollumfänglich zu zahlen. Da Krankheiten leider immer den Nachteil haben, sich nicht an eine Budgetierung zu halten.

Daher werde ich immer irgendwann mal sagen: Für heute reicht es, zumal man als Arzt ja nix kriegt, aber alle Nebenkosten der Mehrarbeit immer noch voll selbst tragen darf. Man verliert mit jeder Stunden Mehrarbeit also am Ende Gewinn. Das PKV-System ist im Gegenzug komplett ungedeckelt. Jeder Patient, den ich behandele, bringt mir mehr Geld ein. Damit ist die Motivation hier zu arbeiten, natürlich eine etwas andere.

Daher wäre am Ende Bobeles einfache Lösung der Satz "Ich bin Selbstzahler!" gewesen. Ein Anruf, sicherlich sofort zeitnah ein Termin ;)


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