Thema:
Re:videokonf. mit Wieler und anderen über Sachsen flat
Autor: token
Datum:18.11.21 09:47
Antwort auf:Re:videokonf. mit Wieler und anderen über Sachsen von Matze

>>Lang, aber interessant.
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>Bevor der sich aufkröppt, hätte er vielleicht mal bedenken sollen, dass die STIKO ebenfalls zu seinem Laden gehört und diese einer der größten Bremser ist. Ohne das ewig lange Festhalten an der Ü70-Empfehlung wären wir mit den Auffrischimpfungen schon wesentlich weiter.


Misstrauen und Unsicherheit sind meines Erachtens recht gewichtige Impfbremsen, dass dann so ein Laden nichts über's Knie bricht strahlt meines Erachtens Seriösität aus und ist imo entsprechend vertrauensfördernd. Zumindest mir persönlich gibt das ein gutes Gefühl, es hilft mir dabei eigene Unsicherheiten und Ängste zu überwinden weil eben NICHT der Eindruck entsteht, man spielt mit mir Versuchskaninchen um Wirtschaftsschäden aufzufangen.
Entsprechend halte ich es gar für denkbar dass man im umgekehrten Fall nicht weiter wäre, sondern mglw. noch mehr Impfverweigerer hätte.
Ist so oder so aber auch spekulativ.

Wenn es um Fingerpointing geht, braucht man imo nicht lange zu überlegen wo die Scheiße herkommt dass diese Scheiße einfach nicht endet und man sich nur im Kreis dreht. Impfverweigerung. Es ist nun mal so, dass die Hemmwirkung von Ausbreitungen erst bei sehr hohen Quoten greift. Hast du diese Quoten nicht hast du lediglich einen Individualschutz. Der Impact auf Gesundheitssystem mildert, aber nicht die saisonale Eskalation verhindert sondern nur ein wenig aufschiebt.
Man hat versucht diese Hemmwirkung mit Regeln zu erhöhen, aber das hat ja nicht so gut funktioniert.

Wenn man nach Köln kommt, und man klingelt an jeder einzelnen Haustür und gibt jedem einmal die Hand, in der gesamten Stadt und ihren Ausläufern, und das macht man dann drei mal hintereinander, dann hat man damit lediglich das Ausmaß ungeimpfter Rentner. Also in der Hochrisikogruppe mit der mit Abstand besten Quote ist dann immer noch derart viel Substanz, und, wie Wieler anmerkt, schon das allein würde mehr als ausreichen um das Krankensystem kollabieren zu lassen im Einklang mit vielen vielen Todesfällen die komplett sinnfrei sind.

Was wir bräuchten sind weitere Erstimpfer, und genau da ist seit _geraumer_ Zeit tote Hose. Boosten ist wichtig, bringt uns aber aktuell nicht wirklich signifikant weiter. Weil's halt ohne weitere Erhöhung Individualschutz ist. Entsprechend war Boosten für 70+ halt auch die Prio. Ob Leute wie wir sich nach der Impfung nochmal boosten lassen bringt in der aktuellen Lage aus Vogelperspektive einfach nicht mehr allzu viel ohne eine weitere Erhöhung von Erstimpfungen. Stabilisiert auf miesem Niveau, aber bietet keinen Ausweg für saisonale Infektionsphasen. Eben aufgrund der perfiden Mathematik hinter den Impfquoten, die sagt, wir brauchen in erster Linie mehr Bäume und nicht in erster Linie dickere Stämme.

Mit dem Staat und seinen Bürgern ist es imo nicht großartig anders als mit Eltern und ihren Kindern. Als Vater weite ich die Freiheiten meiner Tochter sukzessive aus. Das funktioniert aber nur solange sie eine Ausweitung von Freiheiten mit einer eigenen Ausweitung von Verantwortungsbewusstsein zurück zahlt. Tut sie das, muss ich nicht regulieren, tut sie das nicht, geht's schief und ich muss wieder einschränken.

Und das ist das was ich persönlich sehe wenn ich auf Deutschland schaue, der Staat gibt den Bürgern Freiheiten, diese Freiheiten gehen einher mit einer Erhöhung der Individualverantwortung, und unsere Bürger werden dieser erhöhten Verantwortung im Kontext der Pandemie nicht mehr gerecht. Das führt dann dazu, dass eine sehr spezifische Freiheit die eine kleine Gruppe für sich in destruktiver Weise in Anspruch nimmt, querfinanziert werden muss mit deutlich harscheren Freiheitseinschränkungen der gesamten Gruppe.

"Wie geht man damit um?" ist meines Erachtens die Königsfrage mit möglichen Antworten die einen _echten_ Ausweg aus der Krise anbieten. Alles andere begreife ich als Nebenkriegsschauplätze. Wir haben eine Lösung für einen "relativ" schnellen Ausweg, relativ weil der Winter eh schon lost ist. Das war schon im Sommer erkennbar, aber auch hier musste ich als ich im Juni wagte zu schreiben dass es sehr wahrscheinlich nicht fluppen wird und man das im Impftrend und den Zahlen auch schon antizipieren kann bizarre Diskurse über Gesetzesbeschlüsse führen, als hätte man es hier mit einem Gegner zu tun den man vor Gericht zerren könne wenn sich dieser nicht an unsere naiven Vorstellungen zur Krisenbewältigung hält.  

Ist es sinnvoll eine spezifische Freiheit weniger mit harschen und brutalen Freiheitseinschränkungen für alle bezahlen zu müssen? Mit Toten bezahlen zu müssen? Mit einem Nervenhaushalt bezahlen zu müssen der zunehmend durchtickt und zermürbt und sowohl unsere großen wie auch kleinen Bürger im Kopf ausbrennt?
Falls die Antwort darauf "Ja" lautet, sollte man sich imo nicht wundern wenn in einem Jahr erneut das Murmeltier grüßt.


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