Thema:
Here we go again… flat
Autor: Shodan
Datum:14.11.21 15:13
Antwort auf:Mein Corona-Blog - Direkt aus der Klinik von Shodan

Eigentlich wollte ich mich hier gar nicht mehr zu Wort melden. Gleichgültigkeit beschreibt es am besten was ich derzeit fühle. Denn Gleichgültigkeit zu fühlen ist immer noch besser als diese unbändige, brodelnde Wut in mir.

Wut auf Querdenker

Wut auf die Politischen Entscheidungsträger

Wut auf Impfverweigerer

Ich arbeite seit 2008 in der professionellen Krankenpflege. Habe ingesamt 6 Jahre Ausbildung hinter mir. Ich darf mich Fachkrankenpfleger für Anästhesie und Intensivpflege nennen. Außerdem bin ich Praxisanleiter.

Ich habe schon hunderte Menschen sterben sehen. Zum Teil direkt unter meinen Händen nach erfolglosen Reanimationen. Ich habe schon Menschen gepflegt die sehr schwer erkrankt waren/sind aufgrund ihres Lebenswandels. Alkoholabhängige, Raucher, Junkies oder Menschen die sich einfach kaputtgefressen haben. Manchmal ärgert man sich als Pflegekraft darüber. Jetzt aber mit Covid ist es anders.

Kurzer Ausflug auf 1 von unseren 2 Covid Intensivstationen im Klinikum:

W 34 Jahre / Schwanger / nicht geimpft - hängt an der ECMO & Dialyse, das Baby musste man übrigens in der 28. Woche holen, liegt auf der Neonatologie. Ob die Mutter es schafft kann man noch nicht sagen.

W 48 Jahre / nicht geimpft - hängt an der ECMO und Dialyse. Wird in den nächsten Tagen sterben. Multiorganversagen dass man nicht aufhalten kann.

M 42 Jahre / nicht geimpft - seit gestern an der ECMO. Überlebenswahrscheinlichkeit äußerst gering da etliche Komplikationen.

Die „älteren“ Patienten sind ab 50 aufwärts. 8 von 10 nicht geimpft. Schwere Verläufe bei Impfdurchbrüchen gab es kaum. Und wenn dann lagen Risikofaktoren vor wie zb (Adipositas, Asthma, COPD, Herzerkrankungen usw.)

Die schweren Verläufen wären fast alle vermeidbar. Mit einer Impfung. So simpel ist das. Und deswegen ist die Wut über Querdenker, Covidleugner und Impfgegner unbeschreiblich groß.Und wer ernsthaft eine Durchseuchung fordert ist in meinen Augen ein Menschenfeindliches Arschloch. Jeder Covid Patient der in unserer Klinik liegt verschlingt dermaßen viele Ressourcen, und dass zu Lasten der anderen Patienten. Die sind nämlich auch noch da.

Aber ihr Leugner und Skeptiker verlasst euch ja auch darauf im Falle eines Falles ein Intensivbett zu bekommen. Und das kann schnell gehen. Ein Unfall, oder ein unentdecktes Aneurysma im Hirn, eine Komplikation bei einer Routine OP, ein zufällig entdeckter Tumor, der schnell entfernt werden muss, ein Herzinfarkt, ein Schlaganfall …all das kann jedem von uns passieren. Oder euren Eltern, Freunden und Verwandten.

Traurige Wahrheit, Triage findet jetzt schon statt. Welchen Patienten kann man von der Intensiv verlegen der es irgendwie auf einer normalen überlebt. Nur um irgendwie ein freies Bett zu schaffen. Das passiert. JEDEN. VERDAMMTEN. TAG. Und zum Teil sterben Menschen deswegen. Weil sie eine Intensivtherapie oder zumindest Überwachung bräuchten, aber leider doch oder zumindest für den Moment „ganz gut“ sind.

Meine Intensiv hatte mal 29 Betten Anfang 2020. Jetzt nur noch 24. Wegen Personalmangel. Und auch diese 24 Betten wackeln. Wir haben in den letzten 12 Monaten allein auf meiner Intensiv 12 Kollegen verloren. In der Anästhesie gibt es 17 freie Stellen. Auf der inneren Intensiv 7. Im ganzen Klinikum ist es eine dreistellige Zahn an unbesetzten Pflegestellen. Das Pflegepersonal rennt uns weg. Aber das ist ja nichts neues. Und von der Politik wird auch nicht gegengesteuert. Alles bekannt und nichts neues, deswegen lasse ich mich hier auch nicht weiter drüber aus.

In den letzten Monaten kam es mehrmals pro Woche vor das in Stuttgart kein einziges Intensivbett mehr frei war. Viel Spaß wenn du dann als Schlaganfallpatient nach Esslingen oder noch weiter weg musst. Da ist das Zeitfenster für eine erfolgreiche Therapie schnell überschritten. Übrigens kann man Pflegepersonal und Ärzte aus anderen Bereichen mal nicht eben auf eine Intensiv stecken. Ein Gynäkologe am Beatmungsgerät? Ein Unfallchirurg der ein Sepsis behandeln soll? Ein OP Pfleger der das Weaning überwacht Haha, guter Witz. In den Kliniken arbeiten fast nur „Fachidioten“. Top in ihrem Bereich, aber keine Ahnung von dem drumherum.

Aber eigentlich kann ich mir das ganze hier ja sparen, Covid ist ja nicht schlimmer als eine Grippe, und unser Gesundheitssystem war ja laut Menschen wie Wolfang Kubicki auch nie überlastet.

Ich habe mein Engagement und meinen Einsatz schon sehr weit zurückgefahren. Weil es anders nicht mehr geht. Ich habe Frau und Kind. Und die sind mir das wichtigste. Wenn du vor 2 Jahren bei mir Patient warst hattest du eine 1A Versorgung. Mittlerweile gebe ich mich damit zufrieden das alle Medikamente pünktlich gegeben werden und keine Komplikationen auftreten. Ressourcen oder die Heilung des Patienten fördern? Gespräche mit Angehörigen? Einfach ein wenig mehr als das Mindestmaß an Versorgung leisten? Tut mir leid, das geht momentan nicht mehr. Und so ist es bei fast allen meiner Kollegen.

Danke für nichts.

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