Thema:
Re:Konsequenzen von Social Distancing flat
Autor: Pezking
Datum:15.04.21 09:51
Antwort auf:Konsequenzen von Social Distancing von peppi

>Wie die meisten hier im Forum (vermutlich), kann ich sehr gut Zeit allein verbringen. Zocken, Glotzen, Lesen usw. Mir fällt und fiel Social Distancing nie schwer.
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>Ich konnte aufgrund des Jobs nie von Zuhause arbeiten, sehe täglich relativ viele Leute, mache dementsprechend Smalltalk usw.
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>Online habe ich mich nie verabredet, ich hasse es, macht mich regelrecht fertig. Wenn ich Leute getroffen habe, und so mach ich es immer noch, gehe ich auf einen Spaziergang raus.
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>So langsam bekomme ich ein wenig Schiss, weil ich merke, wie mich Treffen mit mir eigentlich nahe stehenden Leuten anstrengen. Ich bin fertig wie nach zwei Stunden Fußball, wenn ich mal 30 Minuten mit meiner Mutter telefoniere. Wenn ich Leute zum Spazieren treffe, bin ich nach zwei Stunden heilfroh, dass es vorbei ist. Zuhören, erzählen, alles sau anstrengend.
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>Jetzt bin ich seit knapp zwei Wochen zwei Mal geimpft und wecke Begehrlichkeiten. Insb. die Familie lässt anklingen, dass das ja ganz neue Freiheiten bedeutet. Gestern fragte ein Freund, ob er vorbei kommen könne, er ist ein Mal geimpft, das gehe doch klar. Ich hab erst zu- und dann wieder abgesagt, weil ich mich einfach nicht wohl damit fühle.
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>Hab ich das Distancing jetzt soo drin, dass ich erst wieder lernen muss, "Nähe" zuzulassen?
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>Auch wenn ich es vollkommen richtig finde, dass ich Indoor-Treffen nicht will, frage ich mich tatsächlich, wie es wieder werden soll.


Ich glaube zu wissen, was Du meinst - habe es bei mir aber anders hergeleitet.

Ja, auch ich genieße eigentlich Gesellschaft (wenn ich sie mag), kann aber nichts daran ändern, dass menschliche Interaktion auf mich wie ein Energievampir wirkt. Das ist einfach so. Richtig regenerieren kann ich mich nur alleine.

Ich finde jede Geburtstagsfeier 1.000x anstrengender als einen Konzert- oder Stadionbesuch. Weil ich bei letzteren zwar sehr viele Leute um mich herum habe - ich aber nicht permanent mit diesen interagieren muss, sondern meine Aufmerksamkeit auf die Bühne oder den Rasen richte.

Während der Pandemie ist es nun so, dass ich dank Homeoffice für mich und meine Frau so gut wie nie mal alleine bin. Und das laugt mich zusehends aus; diese Schlussfolgerung habe ich schon im letzten Spätsommer gezogen.

Wir kommen gut miteinander klar, wir streiten uns nicht, sind uns grün - alles gut. Aber in den 19 Jahren des Zusammenlebens vor der Pandemie gab es jede Woche eigentlich immer mindestens 16 Stunden, an denen sich ihre Arbeitszeit (extern) mit meiner Freizeit (daheim) überschnitten hat. Dazu hat sie im Schnitt noch an ein, zwei Abenden etwas alleine mit ihrer Schwester oder Freundinnen unternommen, und so konnte ich jede Woche mindestens 20 Stunden in den eigenen vier Wänden alleine locker durch die Hose atmen.

Jetzt trifft sie sich jede Woche maximal 2x2 Stunden mit Schwester oder einer Freundin zu einem Spaziergang mit Hund; mehr als vier Stunden pro Woche bin ich nie mehr allein.

Und wie gesagt: Wir gehen uns nie auf die Nerven. Aber das Alleinsein kommt mir einfach zu kurz. Ich habe die Pandemie gebraucht, um zu erkennen, wie gesund und wichtig diese Balance in meinem Leben davor eigentlich war.

Ich konnte auch schon während der Pandemie wiederholt die Probe aufs Exempel machen, denn meine Frau hat bislang 3x für längere Zeit ihre Eltern in Sachsen-Anhalt besucht, mit vorheriger Selbstquarantäne und allem Pipapo - und dann eben gleich immer für eine bis drei Wochen. Ich habe sie zwar vermisst, ich habe unsere Telefonate während dieser Zeit genossen - aber trotzdem war das für mich jeweils wahnsinnig erholsam. Selbst wenn ich in dieser Zeit gar keinen Urlaub hatte und normal arbeiten musste.

Kurz: Die Pandemie hat dafür gesorgt, dass ich Alone-Time plötzlich als Quality-Time #1 für mich erachte.

Mittlerweile ist die Rückkehr zur vorherigen Lebensbalance in dieser Hinsicht eindeutig das, worauf ich mich für die Zeit nach der Pandemie am meisten freue. Gefolgt von Stadion und Konzerten. Und kein Stück freue ich mich auf Geburtstagsfeiern. ;-)


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