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Re:Und Streeck so: Chillax! Bloß kein härterer Lockdown! flat
Autor: Atlan
Datum:10.04.21 14:56
Antwort auf:Und Streeck so: Chillax! Bloß kein härterer Lockdown! von Pezking

>In Frankreich liege die Inzidenz bei 400 auf 100.000 Einwohnern binnen einer Woche
>Die Ausgangssperre ist schon so lange in Kraft, dass sie heute kaum noch diskutiert wird.


Man könnte aus dem obigen Blick nach Frankreich natürlich auch einfach die naheliegende Erkenntnis ziehen, dass abendliche Ausgangssperren vielleicht doch gar nicht so viel bringen. Es sei denn, man macht den Homöopathen mit der liebsten unwiderlegbaren Argumentation aller Eso-Schwurbler: Mir doch egal, dass es seine Wirksamkeit bis heute nicht nachweisen konnte, ohne diese Maßnahme wäre es halt einfach noch schlimmer geworden!

Zugleich würde man mit der Frankreich-Lehre interessanterweise auch auf der Seite von "DIE Wissenschaft" (übrigens worst of "Wissenschaft nicht verstanden"-Floskeln) liegen.

Nämlich dass mit der Einhaltung der wichtigsten Grundregeln (FFP2-Maskenpflicht, AHA+L-Regeln, keine größeren Zusammenkünfte vor allem innen, etc.) bereits 90% getan ist und alle darüber hinausgehenden Maßnahmen (Ausgangssperren) kaum noch was bringen, die Wirksamkeits-Kurve rasant abflacht, während die gesellschaftlichen Nebenwirkungen zunehmen.

Siehe als eines von vielen Beispielen auch:

Als wirksamste Massnahme hat die im Fachmagazin «Science» publizierte Studie das Verbot von Versammlungen über 10 Personen identifiziert. Im Median reduzierte diese Einschränkung den R-Wert um 42 Prozent. Die Studienautoren weisen darauf hin, dass sich bei dieser Massnahme auch die Wahl des Zeitraums ausgewirkt haben könnte, weil im Frühling 2020 fast alle Zusammenkünfte in geschlossenen Räumen stattfanden.

Ebenfalls als sehr wirksam beurteilt die Studie die Schliessung von Schulen und Universitäten (–38 Prozent), wobei nur die kombinierte Schliessung untersucht werden konnte, weil kaum ein Staat eine dieser Massnahmen separat umgesetzt hat. Eine hohe bis mittlere Wirksamkeit weist auch die Begrenzung von Versammlungen auf 100 Personen (–34 Prozent) aus.

Eine geringere Wirksamkeit weist dagegen die Schliessung von Restaurants, Bars und Klubs auf (–18 Prozent). Auch einen nur mittelmässigen Effekt zeigen Ausgangssperren, wenn diese als zusätzliche Massnahme angeordnet werden (–13 Prozent).


[https://www.msn.com/de-ch/nachrichten/politik/grosse-studie-zu-corona-massnahmen-was-wirkt-wirklich/ar-BB1eXrcc?li=BBqfZdU]

Mehr hilft eben nicht immer mehr, auch wenn es natürlich dem intuitiven Gefühl der Mehrheit der Bevölkerung nach mehr Sicherheit und Autorität in Krisenzeiten entgegensteht und starke Männer wie immer in solchen Zeiten gerade wieder Konjunktur und entsprechend politischen Erfolg haben.

Und Politiker können damit etwas vom eigenen Versagen in den wirklich wichtigen Bereichen (Tests und Schutz an Schulen und Arbeitsplätzen, Impfungen) ablenken und die schwer messbare aber medial gut verkäufliche Schuld der "undisziplinierten" Bevölkerung zuschieben, wenn es anschließend trotz einer solchen "harten" Maßnahme dennoch nicht zum erhofften Sinken der Fallzahlen kommt. Und falls doch, lags eben auch genau an dieser Maßnahme. Win win. Mit härteren Forderungen ist man als Politiker in Krisenzeiten immer auf der sicheren Seite.


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