Thema:
Re:Wut flat
Autor: thestraightedge
Datum:21.03.21 20:36
Antwort auf:Wut von Rafael

>Ich versuche unser Startup am Leben zu halten. Mit einer Idee, von der ich dachte, dass die Welt sie gut gebrauchen könnte. Unsere erste Lieferung kam am 17.3.20. Richtig, genau am Tag des ersten Schocks letztes Jahr. Ich selbst verdiene seit langem kein Geld, alles fliesst in meine Firma. Hilfen gibt es keine, wir sind zu jung für eine Historie, fallen aus den meisten Sachen raus. Kosten für Angestellte, Miete usw. haben wir trotzdem, bisher alles anstandslos und pünktlich bezahlt. Wir haben fünf Vollzeitangestellte, eine Reihe von Aushilfen und eine Auszubildende. Eine Stelle ist von Kurzarbeit betroffen, das Geld kommt aber immer so min. 2-3 Monate später ungefähr, lol (ist einfach so, bitte weiter gehen). Unseren Hauptkunden (Gastronomie) geht es beschissen. Sie können sich mit Mehrweg entweder nicht beschäftigen, weil sie ganz andere Sorgen haben, oder sind schlicht finanziell zu nichts in der Lage, oder schlimmer - kurz vor dem aus. Großhändler schieben Projekte für "nach Corona" im Jahr 202x also. Wir tragen alle FFP2 Masken, die Hälfte des Teams ist im Homeoffice. Alle meiden im Grunde alles, das Team ist da absolut vorbildlich. Seit 12 Monaten kaum Kontakt nach außen, keine Besucher, keine Akquise, keine Messen. Nur Kosten. Shutdown wird wohl nun verlängert, kein Ende in Sicht, danke an alle Beteiligten.


Meine Frau (selbständige Fotografin) ist ähnlich getroffen. Bis vor wenigen Wochen waren wir und v.a. sie 100% verständnisvoll. Sie hat sogar ein Zeitungsinterview mit Portrait über sie gegeben, wo v.a. Verständnis für die Maßnahmen und den Verlauf seit letztem Jahr eine große Rolle spielten.

Erst seit 14 Tagen, also seitdem die ganzen Stornos für Hochzeiten und Events auch 2022 reinkommen, regt sich zumindest bei mir auch ein wenig Groll aus dieser Richtung. Ihr ist quasi die komplette wirtschaftliche Grundlage entzogen worden, dennoch ist sie als Einzel-Selbständige nicht wirklich förderberechtigt, und noch besser: lt. Steuerberater kann es gut sein, dass die Soforthilfe auf Q2 2020 ebenfalls zurückgefordert wird, wie bei weiteren Mandanten passiert.

Sie hat v.a. Hochzeiten, Events, Familien, Feiern fotografiert. Dazu hatte sie 2 große Kunden aus dem Einzelhandel (Mode). Erster Block ist nun ca. 1,5 Jahre komplett abgesagt, zweitere haben zu kämpfen. Der eine Kunde spart wo er kann, der andere hat letzten Sommer im ersten Lockdown seine Geschäfte in Deutschland m.o.w. aufgegeben und alle Verwaltungstätigkeiten in die Zentrale in Amsterdam verlagert. Der ist weg.

Die Hoffnung, dass es ab Q2 wieder los geht, hat sich mit Impf-Fiasko und sonstigen Fehltritten im Pandemie-Management nicht nur bei ihr, sondern auch bei den Kunden zerschlagen.

Ein anderer Freund ist Messebauer, 3 Angestellte. Der lebt bis Mai von seinen Ersparnissen und den Hilfen (die nicht kommen), und dann macht er die Bücher zu und schließt den Laden vor der Insolvenz. Ich kenne diverse solcher Schicksale, die noch zum Jahreswechsel mit "muss sein" argumentiert hat obwohl direkt betroffen, und inzwischen nur noch sagen "die haben mich auf dem Gewissen". Tlw. überspitzt, ja, aber die Liste der Versäumnisse ist zu lang, um hier auch mit besten Absichten und PMA nicht auch Teil der Ursachen zu suchen.

Ich kann Dich also schon recht gut verstehen. Augen zu und durch!


< antworten >