Thema:
Re:Können wir das hier bitte in Verschwörungserzählungen flat
Autor: PUH
Datum:31.08.20 14:54
Antwort auf:Re:Können wir das hier bitte in Verschwörungserzählungen von suicuique


>Da müssten wir wohl erstmal klären was alles eine "Theorie" ist.
>Ich betrachte schon einzelne mathematische Vermutungen wörtlich als Theoreme (und damit die eigentliche Frage: wie viele Theoreme machen eine Theorie aus?)
>Diese lassen sich mit der Zeit oft allgemeingültig axiomatisch ableiten.
>
>Die sind dann im klassischen Sinne "verifiziert".


Ich bin kein Experte auf dem Gebiet, daher ist meine Sicht in Details mit Vorsicht zu genießen:
Man muss unterscheiden zwischen Kalkülen und Theorien(die Begriffe werden natürlich in diverser Bedeutung benutzt, aber ums hier klarzumachen).
Du hast erstens Kalküle. Nehmen wir die aus der Prädikatenlogok entwickelten Peano-Axiome (mit denen man dann die natürlichen Zahlen basteln kann, Rechenregeln etc). Damit kannst du Theoreme aufstellen und ableiten. Ableiten ist sowas wie beweisen, auch hier zur Klarheit der speziellere Ausdruck. Du startest bei den Axiomen, kombinierst die clever miteinander und landest irgendwann bei deinem Theorem.

Im Kontext hier bei den Verschwörungstheorien etc reden wir aber ja über _naturwissenschaftliche_ Theorien, also vereinfacht Aussagen über DINGE. Dafür kann man ein Kalkül benutzen, aber der Kalkül ist nicht dasselbe wie die Natur.

Also haben wir Zweierlei:
1. Kalkül (reines Zeichengeschiebe ohne Semantik. Hier gibt es keine "Wahrheit", sondern nur Ableitbarkeit)
2. Theorie (was weltliches, Aussagen über die Welt können wahr sein.)

Die Hoffnung ist dann, dass wenn ein Theorem im Kalkül abgeleitet werden konnte, es auch in der Welt immer wahr ist. Diese Korrespondenz ist aber nicht selbstverständlich.
(1) kann man mit problematischer Wortwahl verifizieren/beweisen. (2) nicht, da die meisten Theorien unendlich viele Fälle beschreiben.

Zum Thema "die" Mathematik: Viele trennen nicht zwischen Mathematik und Kalkül. Tatsächlich gehört die Mathematik eher zu (2): Zahlen sind quasi eher Dinge. ZB bilden die Peano-Axiome ein Kalkül. Die Mathematik der natürlichen Zahlen kann dadurch axiomatisiert werden (aber auch durch andere Kalküle). Die meisten Mathematiker sind wohl (ich glaube ohne sich groß dafür zu interessieren) Platonisten (auch Gödel!), sie glauben, dass Zahlen reale Bedeutung haben. Daher betrachten wir math. Sätze als "wahr", und nicht nur als ableitbar.

>Puh, ich weiss nicht ob ich eine abgewandelte (angepasste) Form einer Theorie weiterhin als die gleiche Theorie ansehen würde.
>Sofern die Aussagen nicht identisch sind, ist es eine neue Theorie.
>Was nicht heisst dass sie die selben Phänomene beschreiben oder auf gleichen Grundlagen basieren können.


Ich glaube sowas wird evidenter bei sehr komplexen Theorien, zB Evolutionslehre. Da kann man kaum sagen, worin die Theorie ganz genau besteht.


>
>Hie muss ich zucken:
>Die Genialität von Gödels Unvollständigkeitsssatz war doch dass es anhand formaler Systeme gezeigt hat, dass Widerspruchsfreiheit für ausreichend komplexe Systeme nicht erreicht werden kann.


Kalküle. (Oder sie sind Unvollständig). Die wichtigen, die wir in der Physik brauchen, sind aber bewiesen widerspruchsfrei, nur eben nicht vollständig.

>So ist zb die Mathematik nicht widerspruchsfrei.

Naja ich denke du meinst eher nicht vollständig. Was nicht widerspruchsfrei ist dürfte es schwer haben. Aber ich bin überfragt, ob man auch damit noch irgendwas machen kann.


>Und auch physikalische Theorien können (eine gewisse Komplexität vorausgesetzt) nie frei von Paradoxien sein, egal wie sehr sie erweitert werden.

Hier weiß ich nicht genau was du meinst, evtl auch die benutzten Kalküle?

>Hat Gödel nicht exakt das bewiesen?
>Zumal formale Systeme gleich mächtig sind wie alle anderen Formen zu einer Theoriebeschreibung. Gibt es nicht einen formalen Satz dazu?


Hier bin ich auch unsicher... meinst du zB, dass verschiedene Kalküle dieselbe Mathematik erzeugen können? Aber ich weiß nicht welchen Satz du meinen könntest(da gibts bestimmt was, so gut kenne ich mich nicht aus).


>>Stand der Wissenschaftstheorie ist ungefähr: Wir wissen nicht exakt, was eine Theorie ist. Der Volksglaube ist natürlich ein anderer.
>
>Das wird wohl die Krux sein.
>Wir (alle?) verstehen  unter "Theorie" nicht das gleiche.



Das ist m.E nach ein anderer Punkt. Da müsste man eher zu Stichworten wie Regularitätstheorie, BSA und sowas gucken. Hier gehts mir um 2 Dinge:

Die Schwurbler sagen immer so komische Sachen, einmal "Evolutionstheorie ist nur eine Theorie" (brauch ich wohl nix zu sagen), und was ich grade bei Corona total krass finde:
Dieses Herausgreifen von Einzelaussagen, die ohne Kontext sind und irgendwas andeuten. Beispiel: RKI unterscheidet nicht gestorben an/mit. Und deshalb: Corona falsifiziert! Imho die Wurzel allen Übels, dieses Schema. In dem einen Video sagt eine:  "Das Virus ist nur x Nanomater groß, die Löcher in den Masken aber (mehr)". Deshalb bin ich so auf die Falsifikation angesprungen.


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