Thema:
Re:Der vielzitierte (& gewünschte) schwedische Sonderweg flat
Autor: token
Datum:01.06.20 12:24
Antwort auf:Der vielzitierte (& gewünschte) schwedische Sonderweg von thestraightedge

>... ist schon heftig:
>[https://www.spiegel.de/politik/ausland/corona-krise-schwedens-sonderweg-eine-zwischenbilanz-in-zahlen-a-c7b3cea2-63be-4072-8df9-afdb765afb54]


Was genau meinst du mit "heftig"?
Ich sehe im Grunde nur einen Skandal, die "Triage in Altenheimen". Das war wohl der Preis für das Modell den man wohl auch zahlen musste um das Gesundheitssystem nicht zu gefährden.
Als Skandal begreife ich das, weil es nicht aus der Not heraus passierte, sondern antizipierbare Konsequenz des Modells war. Die Problematik des Modells für Risikogruppen wurde früh kommuniziert, sie fiel nicht vom Himmel, das war by design.

Der andere Aspekt ist, was hat man dadurch gewonnen? Wirtschaftlich offenbar nicht viel. Das stand zu befürchten. Eine laufende Kinderbetreuung hat aber zumindest Familien weniger stark belastet als bei uns, zumindest in den Familien wo die Oma nicht die Quittung dafür bekommen hat.

Was weiter für das Modell spricht ist die Mutmaßung dass Schweden jetzt schon im Szenario ist das wir noch vor der Brust haben. Das muss aber nicht so sein. Ein Anzug der Sterberate steht genau dann zu befürchten wenn die Eindämmung nicht funktioniert. Funktioniert sie, haben wir die Zeit der harschen Restriktionen gut genutzt. Dann wird man sich in Schweden die unbequeme Frage stellen lassen müssen, wie viele Tote auf das Konto dieses Modells gehen, wie es sein kann dass man in einer beherrschbaren Situation zur Triage greifen musste, was nicht ohne Grund als Maßnahme gilt bei der man Grundfeste der zivilisierten Gesellschaft aufgibt,und wie es sein kann dass diesen Kosten kein Ertrag entgegen steht.

Funktioniert die Eindämmung nicht, dann hat man zur Schwedenstatistik lediglich eine Art Lag, man hätte die Problematik lediglich aufgeschoben, aber auch eigens keine Lösung gefunden.

Letzten Endes ist ein wichtiger Aspekt, der sich auch im Artikel wiederfindet auch folgendes. Was Schweden gemacht hat und was Deutschland macht unterscheidet sich gar nicht gravierend, auch wenn das gerne suggeriert wird. Sie haben einfach den Schritt den wir aktuell machen direkt vollzogen, und auch wenn sich das wirtschaftlich allem Anschein nach nicht gerechnet hat, das Argument das zu tun war nicht Wirtschaft, sondern gesellschaftliche Akzeptanz und dass es perspektivisch nicht vermeidbar ist in so ein Modell zu gehen. Und das stimmt auch. Tegnell hat gesagt, du kannst die Leute nicht ein Jahr lang zu Hause einsperren. Und wenn das nicht geht, dann machen wir das unvermeidbare lieber sofort und bleiben realistisch.

Er wird genau dann Recht behalten wenn die Eindämmungsstrategie schief geht und wir nun im Einklang mit den Lockerungen eine zweite Welle bekommen. Entsprechend ist genau jetzt wichtiger denn je keinen Unfug zu fordern der die Dynamiken der Pandemie ausblendet, bloß weil wir Stand heute hoffnungsvolle Zahlen haben, und weiter dafür werben dass jeder Bürger weiterhin Mitverantwortung dafür trägt es dem Virus schwer zu machen und so die Arbeit der Gesundheitsämter zu erleichtern.
Dann haben wir eine Chance und dann haben wir alles richtig gemacht und müssen uns auch nicht weiter mit Schweden beschäftigen.


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