Thema:
Langsam wird‘s kritisch flat
Autor: Corben Dallas
Datum:12.05.20 23:53
Antwort auf:Was machen die Eltern mit kleinen Kindern? von Superfrog

Seit 8 Wochen sind unsere Drei durchgehend zu Hause. In der Praxis bedeutet das, dass meine Frau nur mit Betreuungsaufgaben für unseren schwerbehinderten Sohn beschäftigt ist, während ich in der Arbeit bin. Der Gipfel ist, dass weder die Grundschule noch die Mittelschule in der Lage waren in den letzten Wochen ein funktionierendes Konzept für Fernunterricht auf die Beine zu stellen. Das höchste der Gefühle sind nach wie vor im Halbdunkeln mit 6 Jahre alten Handykameras fotografierte Arbeitsblätter, die uns über WhatsApp/Email zur Verfügung gestellt werden. Diese sind teilweise so stark komprimiert, dass man mehr damit beschäftigt ist, die Texte zu entziffern, als die Aufgaben darauf zu lösen.

Natürlich habe ich mich beschwert. Die Grundschullösung sieht so aus, dass ich jeden Freitag ein Zeitfenster von 90 Minuten habe, um die Hausaufgaben einer Woche in einer Kiste vor dem Schuleingang zu deponieren und mir neue Aufgaben für mein Kind aus einer zweiten Kiste zu holen. Bei der Mittelschule heißt es lapidar, dass man die Sachen ja nicht zwingend machen müsse.

Nächste Woche geht die Schule wieder los. Halbierte Klassen. Mein Jüngster hat zu Beginn Dienstag und Freitag von 8:00 Uhr bis 11:15 Uhr Schule. Der Große im Wochenwechsel von 8:00 Uhr bis 12:00 Uhr.

Für mich bedeutet die aktuelle Situation, dass ich neben der Arbeit noch all die Sachen erledigen muss, die sonst meine Frau machen kann. Kinder zur Schule bringen, in die Arbeit, Kinder abholen, in die Arbeit, einkaufen, Arztbesuche vereinbaren, koordinieren und Kinder hinbringen. Ach ja - die Arbeit. Da ist auch nichts mehr so, wie es früher war. Maskenpflicht von früh bis spät, jeder Ablauf muss neu geplant und durchdacht werden. Eine Woche Normalbetrieb und eine Woche Notbetrieb wechseln sich ab. Skype-Konferenzen von früh bis spät. Dazu noch jede Menge außerplanmäßige Zusatzaufgaben, die natürlich ausgerechnet jetzt und sofort erledigt werden müssen. Natürlich von mir.

Dazu noch die Baustelle vor der Haustüre, weil die Stadt ausgerechnet jetzt unsere Straße „ersterschließen“ muss. Nach 60 Jahren. Ohne Not. Die ist nämlich noch vollkommen in Ordnung inkl. funktionierender Kanalisation und Beleuchtung. Nur damit sie noch abkassieren können, weil das nächstes Jahr nicht mehr geht. So dürfen die Anwohner 90% der Kosten tragen. Scheißegal, dass fast alle in Kurzarbeit oder arbeitslos sind und nicht mehr wissen, wie sie ihre Raten zahlen sollen: „Wir sind die Stadt und wollen mehrere zehntausend Euro für die Straße. Jetzt! Warum? Weil wir es können!“

Ich kann gar nicht so viel fressen, wie ich kotzen möchte. Mittlerweile kann ich die Menschen verstehen, die auf einmal komplett durchdrehen. Wahnsinn.

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