Thema:
Re:Kiyaks Deutschstunde: 50 ist keine Zahl flat
Autor: peppi
Datum:16.04.20 14:43
Antwort auf:Re:Kiyaks Deutschstunde: 50 ist keine Zahl von DJS

>Ich wünsche Dir viel Erfolg damit, aber ich fürchte, dass die meisten 08/15-Bürger eher wie ich denken. Die wichtigste Aufgabe der deutschen Politik ist sich um Deutschland zu kümmern.

Das Eine schließt das Andere doch auch nicht aus. Langfristige Politik SOLLTE das Theme sogar angehen - es wird nicht verschwinden, eher zunehmen. Durch den Klimawandel etwa.

>Moment, das geht Dich was an, weil es in der EU passiert? Und was in Afrika passiert geht Dich nichts an? Warum? Für mich ist das unlogisch. Alle diese Menschen sind Dir fremd, warum also manchen helfen und manchen nicht? Mich regt die Verlogenheit auf, eben auch in den Medien. Es geht immer nur um Flüchtling als ob das die einzigen hilfsbedürftigen Menschen wären.

Das schreib ich nicht. Sobald es auf EU-Boden stattfindet, betrifft es mich doch auf einer ganz anderen Ebene. Als EU-Bürger bestimme ich EU-Politik mit (höhö), quasi institutionalisiert, als dt. Bürger habe ich Einfluss auf dt. Außenpolitik usw. Finde schon, dass das was anderes ist. Das hindert mich aber nicht daran mexikanische Hilfsprojekte finanziell zu unterstützen.

Und deinen letzten Satz.. öh, versteh ich in dem Zusammenhang nicht. Stimmt aus meiner Perspektive auch nicht. Leute aus meiner Umgebung, die sich für Geflüchtete engagieren, engagieren sich oft für Frauenhäuser, oder gegen Mieter*innen-Vertreibung o. Ä.

Fluchtbewegungen sind mit ca. 70 Millionen betroffenen Menschen (oder mehr?) auch nochmal ne andere Hausnummer, btw.

>Und natürlich ist es richtig anderen zu helfen, aber das darf imo niemals als Pflicht angesehen werden. Schon alleine, weil man sich dann fragen müsste wo diese Pflicht endet.

Steht in den ersten zwei Absätzen des Grundgesetzes.

>Sie machen diese Arbeit, weil sie selbst keine echten Probleme haben und es natürlich sinnvoll ist anderen zu helfen.

Wow. Wie bitte?

>Würden sie aber selbst im Krieg leben oder nichts zu essen haben, dann würden sie nicht anderen helfen, das meinte ich auch mit "Naturinstinkt".

Stimmt nicht, sry. Es gibt genug Beispiele von Menschen aus Kriegsgebieten, die im Untergrund helfen und dafür sterben/starben.

>Fährst Du zur Grenze und lässt Flüchtlingskinder bei Dir wohnen, so wie Du es mit jemandem aus Deiner Familie machen würdest? Ich denke nicht.

Ha, ich war im Hafen von Piräus aktiv und in der Nähe der türk./griech. Grenze. Aber: du musst niemanden in deine Wohnung lassen oder Menschen aus dem Meer ziehen um helfen zu können. Du kannst dich aber dafür einsetzen, dass Menschen Dächer über den Köpfen haben. Oder Organisationen/Politik unterstützen, die gegen das Ertrinken sind.

>Und das ist der entscheidende Punkt unseres Gesprächs. :) Ich bin da einfach anderer Meinung, halte aber beide für legitim. Es wäre schön wenn reiche Länder helfen würden, aber ein MUSS sehe ich da nicht. Wenn ich in einer Notlage bin darf ich imo nicht Hilfe voraussetzen sondern sollte um Hilfe bitten und hoffen, dass mir dann auch geholfen wird. Die Helfer haben imo niemals die Bringschuld. So hört sich das oft aber leider an in den Medien.

Nee, sry, Länder, die sich auf die Fahne schreiben, die EU-Grundrechtecharta (um mal eine Ebene höher zu gehen) oder gar, schon fast vergessen, die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte für wichtig zu halten (ich darf an den Friedensnobelpreis erinnern), dann haben die zu helfen.

Und, wichtig, das darf keine Gnade sein, kein Nachgeben einer Bitte, sondern eine Verpflichtung. Ich mein, stell dir vor, es gäbe keine Sozialgesetzbücher, lel, was hier los wäre. Sozialleistungen nach gusto? Happy Birthday!

>Kiyak schreibt imo sehr aggressiv und provozierend und wirkt wie ein beleidigtes Kind das nicht das bekommt was es will. Deutschland ist es der Welt schuldig anderen (btw. nicht allen, sondern anscheinende nur ausgesuchten wenn man die Medien verfolgt) zu helfen. Sehe ich halt anders.

Och, das will sie auch so, keine Sorge. Die ist ja nicht doof.


>Naja, ein Kind eines Geflüchteten ist nicht mit einem Flüchtlingskind gleichzusetzen.

Wos. Das ist de facto ein und dasselbe.

>Wenn jemand 1965 geboren ist und seitdem friedlich in Deutschland lebt, dann hat er so gar keine Ahnung was es bedeutet ein Flüchtling zu sein.

Warum? Nach WWII haben Leute tlw. für Jahrzehnte in Lagern und Provisorien gelebt.

>Das sehe ich aber bei jedem Menschen auf der Welt und nicht speziell bei Deutschen, deren Ururgroßvater ein Nazi war. Du bist doch ein gutes Beispiel. Was hast DU persönlich falsch gemacht? Wofür musst Du Dich rechtfertigen oder was musst Du wieder gut machen? Imo nichts.

Nö, stimmt, ich sehe es nun mal als Aufgabe an, dieses, keine Ahnung, Vermächtnis des Terrors und der Menschenverachtung mahnend mit mir rum zu schleppen. Das ist auch kein Ballast.

Das Allererste, was Gesellschaften tun, wenn sie unbequeme Erinnerungen los werden wollen, ist sie einfach einzustampfen. Bis eine Generation heranwächst, die davon nichts mehr weiß. Willst du das wirklich?

Dazu ein Interview mit den Assmanns, die dafür einen hochdotiertesten int. Wissenschaftspreise vor ein paar Jahren gewannen:

[https://www.deutschlandfunk.de/friedenspreis-fuer-aleida-und-jan-assmann-aufarbeitung.691.de.html?dram:article_id=420196]

Michael Köhler: Vor der Sendung sprach ich mit den Preisträgern und habe zunächst Aleida Assmann gefragt. Bis lange nach dem Dreißigjährigen Krieg gehörte das Vergessen zur Friedenskultur. Mit Versailles und Nürnberg bis zu Den Haag kommt etwas Neues dazu. Die Selbstverpflichtung zur Anklage von Kriegsverbrechen nicht zu vergessen. Ich bin in den Sechzigern noch mit den Geschichtslügen groß geworden: „Es war nicht alles schlecht, einmal muss Schluss sein, und davon haben wir nichts gewusst.“ Eine gelungene Erinnerungskultur sieht anders aus, oder?

Aleida Assmann: Ja, Sie haben Recht. Auch ich bin in eine Vergessenskultur hineingewachsen. Und von daher war das Erinnern eine sehr späte Einsicht für mich. Churchill hat ja noch gesagt 1946: „Wir müssen die Irrtümer und die Verbrechen der Vergangenheit vergessen. Nur dann können wir ein neues Europa bauen.“ Das war die Idee, man muss die Vergangenheit hinter sich lassen, um eine neue Zukunft zu gewinnen. Das hat auch funktioniert, aber es funktioniert nicht auf Dauer. Das ist der Punkt. Und es geht nicht, wenn in der Geschichte Menschheitsverbrechen begangen sind, deren Ausmaß eigentlich auch erst über die Jahrzehnte deutlich geworden ist in Form der schweren Traumatisierungen und ihrer Nachfolgen.


>Übrigens: die USA haben nach dem zweiten Weltkrieg den Europäern hier und da durchaus geholfen. Heute: alles vergessen, interessiert keine Sau mehr, wie lange soll man ja auch dankbar sein? Keine Ahnung, aber wie lange soll man denn auch schuldig sein?

Ich weiß echt nicht in welcher Welt du lebst, aber das ist überhaupt nicht vergessen. Mir ist toal klar, dass DE ohne den Marshall Plan ein Haufen Kacke wär. Dass der Kalte krieg zu zig Investitionen in Westdeutschland geführt hat. Du kannst die dt. Geschichte nach WW II gar nicht ohne erzählen.

>Es geht nicht um Spargel. Es geht um Arbeitsplätze und Existenzen. Und da man prinzipiell erstmal der "Familie" helfen sollte bevor man es bei Fremden macht sehe ich da jetzt nichts Falsches bei.

Familie ist relativ. Was, wenn dein Vater ein die Familie prügelndes Arschloch war?
Ich finde die Erkenntnis sehr befreiend.

Ich will bitte bitte bitte nicht zu dieser deutschen (!?) Familie gehören. Du hast den Nationalstaat doch gerade mit "Familie" verglichen, oder? Uff. Super schwierig.

>Man kann es auch so drehen: Du willst doch anderen Menschen helfen. Das tut der Bauer. Die Arbeiter sind vermutlich aus dem Osten und verdienen hier wichtiges Geld um ihre Familien zu ernähren. Also, alles top!

S. meine Dikusson mit lichtschalterer.

>Wir könnten jetzt noch 2 Wochen reden und würden uns nicht einigen. :) Meine Meinung ist nur: helfen ist richtig und wichtig, aber imo keine PFLICHT. Das ist rechtlich zwar anders in Deutschland (siehe unterlassene Hilfeleistung), aber ich persönlich finde es nicht richtig. Wenn ich nach einem Autounfall auf der Straße liege und niemand mir helfen will dann ist das halt so. Wenn es jemand doch tut dann kann ich froh sein und mich nachher bedanken.

Dann hab ich mal besser keinen Autounfall in deiner Nähe.


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