Thema:
Re:Kiyaks Deutschstunde: 50 ist keine Zahl flat
Autor: peppi
Datum:16.04.20 08:54
Antwort auf:Re:Kiyaks Deutschstunde: 50 ist keine Zahl von DJS

>Natürlich gibt es sie nicht. Wieso soll man als Hauptthema eines Wahlkampfs FREMDE Menschen wählen? Das ist doch absurd.

Nee, gar nicht. Ich z. B. mache das. Ich bin damit auch def. nicht allein. Weil mich Menschenrechte interessieren. Weil ich sie für eine Errungenschaft halte. Weil ich Politik, die sich darum nicht kümmert, für kurzsichtig halte uvm.

>Machen australische Politiker die fehlenden Kita-Plätze in Germany zum Thema? Es macht auch niemand zum Hauptthema, dass alle 10 Sekunden ein Kind verhungert. Ist es auch "unterlassene Hilfeleistung" wie die Frau es formuliert? Und wieso habe ich seit Jahren nichts mehr über eben diese verhungerten Kinder gelesen, dafür so viel über Flüchtlinge? Sind Flüchtlinge etwas Besseres? Oder schauen wir nur bis zu unserer Grenze und tun so als ob alles was etwas weiter weg ist gar nicht stattfinden würde?

Ich kann deiner Argumentation nicht folgen. Auf europäischem Boden hausen zehntausende Menschen in erbärmlichsten Verhältnissen, hungern, haben keinen Zugang zu medizinischer Verosrgung oder fließendem Wasser. Das passiert nicht irgendwo. Sondern in der EU. Das geht mich was an.

>Und jetzt kommt der entscheidende Punkt. Diese Menschen sind mir im Grunde egal. Und euch allen hier auch. Und man muss sich nicht dafür schämen oder denken, dass man ein schlechter Mensch ist. Das ist imo einfach Selbstschutz und quasi ein Naturinstinkt.

Nein, das stimmt nicht. Hat dementsprechend auch nix mit "Natur" zu tun. Es gibt zig NGOs, die sich dem Thema verschrieben haben. Warum machen die ihre Arbeit?

>Mit "egal" meine ich: ich wünsche diesen Menschen wirklich ein langes und fantastisches Leben und alles Beste auf dieser Welt, aber ob es eintritt oder nicht gehört nicht zu meinen Sorgen.

Zu meinen schon.

>Wir kaufen uns hier die 500ste Blu-ray und das 1000te Spiel und zwischendurch regen wir uns auf, dass armen Menschen nicht geholfen wird. Fick dich DJS, spende sinnvoll das fucking Geld anstatt dir irgendeine Scheiße ins Regal zu stellen. Würde ich sicherlich für meine Familie machen, aber eben nicht für einen Typen den ich noch nie gesehen hab und der 3 Straßen weiter wohnt. Bin ich deswegen ein schlechter Mensch? Keine Ahnung, aber wer ist es dann nicht?

Nö. Ich verurteile dich dafür nicht.

>Nein, es ist nicht unsere Aufgabe und auch nicht unsere Pflicht das ganze Elend der Welt zu beseitigen. Wenn wir es tun, toll, wenn nicht dann ist es eben so. Ich finde es traurig wenn es anderen nicht gut geht, fühle mich deswegen aber nicht schuldig. Und das sollten wir alle laut der Meinung der Autorin.

Ich denke schon, dass sich Deutschland, eines der reichsten Länder der Erde, darum kümmern muss.

Ich glaube nicht, dass Kiyak will, dass du dich schuldig fühlst. Sie ist sauer (offensichtlich!?). Dass du dich schuldig fühlst (?), hängt wohl eher mit anderen Dingen zusammen.

>Ganz ehrlich, wie dumm ist das? Diese Gesellschaft weiß es nicht was es bedeutet ein Flüchtlingskind zu sein. Vielleicht 1% davon.

Sehr viele der Deutschen, die zwischen 1940 und 1970 geboren wurden, wissen das. In meiner Familie und in den Familien von Freund*innen sind etliche geflohen (oder waren Kinder von Geflüchteten). Kann dir da nicht folgen. Kann in deinem Umfeld auch anders sein.

>Und die meisten Menschen die hier leben haben genau GAR NICHTS mit dem Nazi-Scheiß von damals zu tun. Die Nazis sind fast alle tot.

Seh ich nicht so. Ich, ganz individuell, sehe meine Verpflichtung vor dem Hintergrund des Nazi-Regimes darin, gegen menschenverachtende Scheiße Position zu beziehen, so gut ich kann und wo ich kann.

Das heißt für mich auch, meine Familiengeschichte aufzurollen und Fragen zu stellen. Bspw. verehrt ein Teil meiner Familie ihren längst verstorben Großvater, weil er materielle Reichtümer angehäuft hat und ihnen damit ein rel. sorgenfreies Leben ermöglicht hat. Über die Reichskriegsflagge im Keller, seinen Rassismus, seinen Chauvinismus und die Sehnsucht nach der "guten alten Zeit" spricht kein Mensch. Dagegen hab ich was.

>Wie lange wird man das erwähnen? Muss sich ein 30jähriger Max Mustermann schuldig fühlen? Lächerlich. Wie viele Jahrhunderte muss man warten bis das Argument nicht mehr kommt? 5? Wie bei den Osmanen? Oder bei den Kommunisten, die Millionen Menschen umgebracht haben, auch wenn es heutzutage nicht mehr so wirklich interessiert.

Wenn es nach mir geht: für immer.

Unser politisches System verweist auf diesen Erfahrung und wurde mit der Intention verfasst, einen faschistischen Staat zu verunmöglichen. Weil Geschichte eben nicht einfach weggewischt werden kann. Ich perönlich tue dafür, was ich eben kann. Dazu gehört für mich auch, gegen ein Vergessen zu arbeiten.

>Profitieren wir von den armen Menschen und nutzen sie aus? Ja tun wir, indirekt macht das jeder von uns. Ich wette selbst thetraightedge macht das, obwohl er es gar nicht will, aber in manchen Fällen auch nicht anders kann.

Wo ich einen Unterschied machen kann, mach ich den für mich persönlich, d.h. ich wähle keine rechtsextreme Partei, ich rufe die Cops wenn ich gewalttätige Scheiße mitbekomme, ich entscheide mich für ein fair gebautes Telefon wenn ich es mir leisten kann uvm.

Das heißt aber nicht, dass ich nicht PS4 spielen kann, dass ich nicht auch mal in den Urlaub fliegen kann. Aber: ich setze mich mit den Bedingungen und Widersprüchen meiner Lebensführung auseinander. Evtl., ich würde sagen, sehr wahrscheinlich, ändert sich mein Verhalten.

Wenn ich mich bspw. ernsthaft (!) mit den Zuständen deutscher Tierfabriken beschäftige, kann ich kaum anders, als mein Verhältnis zu dort produziertem Fleisch zu ändern. Ich esse aber trotzdem mal ein Bratwürstchen. Warum? Weils mir schmeckt. Und weil ich kann. Und das sag ich auch, wenn mich wer fragt. Was soll ich auch sonst sagen? Es gibt keine guten Gründe für Fleischkonsum. Schmeckt halt geil.

>Könnten wir mehr Flüchtlingskinder aufnehmen? Sicherlich. Theoretisch kann man so lange Menschen in Deutschland aufnehmen bis das Chaos ausbricht. Wo ist die Grenze? Keine Ahnung. Niemand weiß es. Ich finde einfach nur, dass man es als positiv ansehen sollte, dass man ÜBERHAUPT hilft, anstatt die ganze Zeit zu kritisieren, dass noch mehr gehen würde.

Es gibt um die hundert deutsche Städte, die gerne mehr Leute aufnehmen würden - weil sie können. Das Innenministerium macht aber nicht mit. Und das kann ich locker kritisieren, muss ich sogar, IMO.

Wenn Menschen in erbärmlichsten Zuständen hausen, dann helfe ich, wenn ich kann. Wir könnten. Es wär einfach kein Ding.

DE fliegt gerade zehntausende Menschen zur Spargelernte ein. Da werden alle Argumente bei Seite gewischt. Nur weil die Landwirtschaft keine billigen Arbeitskräfte findet. Damit ich Spargel fressen kann. Wahrscheinlich werd ichs auch mal machen.

Ich habe gestern mit einem Bauern telefoniert, weil ich Jobs auf dem Feld für Leute suche. Gibt genug, die das machen würden. Der hat gesagt, "Ja, wir brauchen, aber nächste Woche kommt das Flugzeug. Da sitzen genug drin. Ist auch billiger." Ich mein: wtf!? Da wird gesagt das geht und dies geht nicht, und dann sehen wir hier Bilder von hunderten zusammengepferchten billigen Arbeitskräften, für die Flugzeuge gechartert werden, damit wir lecker Erdbeeren haben. Find ich scheiße. Sag ich auch.

Kann aber trotzdem Erdbeerkuchen essen. :)

Edit: Alter, in BaWü ist der erste Erntehelfer an COVID19 gestorben. Wie sind die Leute da eigentlich untergebracht?

[https://www.spiegel.de/panorama/gesellschaft/coronavirus-rumaenischer-erntehelfer-in-baden-wuerttemberg-nach-corona-infektion-gestorben-a-7ca0532c-6acd-49b3-b443-bcb806816bb7]


< antworten >