Thema:
Re:In Schweden sieht's ziemlich düster aus. flat
Autor: token
Datum:16.04.20 00:17
Antwort auf:Re:In Schweden sieht's ziemlich düster aus. von _bla_

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>>>Naja, ganz so gering dürfte die Infektionsrate in Schweden nicht sein. Die Anzahl der Toten in Schweden ist schon ein sehr deutliches Zeichen, das die tatsächliche Infektionsrate deutlich höher ist.
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>>Nicht zwingend. So ist in Schweden ja genau das passiert wovor man bei laschen Regelungen gewarnt hat. Etwa der Ausbruch in mehreren Altersheimen. Eine Momentaufnahme die ich noch im Kopf habe waren da etwa 250 Infizierte von denen schon 50 verstorben waren. Wohlgemerkt als Momentaufnahme. Bei den noch recht geringen Todeszahlen haben wir schon hier allein mit dieser Momentaufnahme einen nennenswerten Anteil an der Gesamtzahl der Toten, mit extrem hohen Sterbequoten.
>>Genau durch solche Vorfälle die genau dann verstärkt passieren wenn man lasch reguliert, sind erhöhte Todesquoten in Relation zur Zahl der bekannten Gesamtinfektionen nicht zwingend unplausibel und ein Indikator für eine deutlich höhere Durchseuchung.
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>Theoretisch stimmt das natürlich, aber praktisch ist es doch eher unplausibel. Das Verhalten und die Mobilität junger Leute sind doch in allen Ländern so, das dort die Infektionsraten deutlich höher sind. Gleichzeitig verläuft dort die Infektion besonders häufig so, das sie leicht übersehen werden kann. Das primär alte Personen betroffen sind und deshalb ein entsprechend hoher Anteil stirbt, das kannst du vielleicht ganz am Anfang der Epidemie haben, wenn es irgendein ungünstigen Zufall gab, bspw. Masseninfektion auf Volksmusikevent oder so. Solche Einzelevents mitteln sich aber im Laufe der Zeit raus. Bei 10k Infizierten ist es nicht mehr plausibel, das die fast alle 75+ sein sollen.
> Stark erhöhte Todesquoten ohne überlastete Krankenhäuser oder Bevölkerung mit vielen Vorerkrankungen sprechen daher eben schon für viele unentdeckte Fälle.


Ich kann da nur zitieren was argumentativ gegen ein Durchseuchungsmodell angeführt wurde, eben die drastisch erhöhte Gefahr der Ansteckung bei Risikogruppen durch hohe Ausbreitung. Je nach Altersstruktur der Gesellschaft schwitzt sich da auch nix aus.
Und, du selbst führst an dass in einer relativ frühen Phase ein Inselevent verzerren kann. In Schweden gab es eben diesen Inselevent, er hat stattgefunden, die frühe Phase und mögliche Verzerrung gegeben, ergo nicht zwingend ein Indiz für erhöhte Durchseuchung sondern tatsächlich höhere Sterbequoten. Und als Inselevent dann ausgleichen würden über die Zeit.

Das sind keine Übertheoritisierungen sondern nach aktuellem Kenntnisstand _auch_ plausible Erklärungen. Ich stelle die Plausibilität deiner Schlussfolgerung auch nicht in ihrer möglichen Plausibilität in Frage, sondern in der Einwertung dass sie "ein sehr deutliches Zeichen" ist. Ich begreife das als "Zutreffend mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit". Das sehe ich aus genannten Gründen anders.

Davon ab ist der Vorfall, auch wenn das hier nicht Thema ist, aber der Gedanke flog mir zu, ein Exempel für die großen Fragezeichen am Schwedenmodell. Die fahren das ja, um ein Leben mit Virus mit möglichst geringen Einschränkungen auf die Schiene zu kriegen. Hierbei wird aber immer wieder reaktiv korrigiert. Und eine solche Korrektur war nach den Problemen mit den Altersheimen, ein Besuchsverbot für Altersheime. Jetzt haben wir also eine Zwei-Klassen-Gesellschaft in Schweden. Die einen können lustig ihren Betrieb zu ihrer Geburtstagsfeier einladen und das ist cool, die anderen hocken jetzt in verkappten Gefängnissen.

Und das ist doch genau die Bestätigung des Drohszenarios die man als Argument gegen dieses Modell anführt. Während man in Deutschland nun anfängt in Antworten zu denken, die wenn sie aufgehen ermöglichen dass auch Risikogruppen mit vertretbarem Gesundheitsrisiko am eingeschränkten Alltag partizipieren können wenn das so aufgeht wie erhofft, darf sich Schweden fragen lassen wie ihre "Exit-Strategie" aktuell für solche Risikogruppen ausschaut. Ist ja schön dass man das macht weil man sagt, man könne die Leute doch nicht alle über so einen langen Zeitraum bis zur möglichen Verfügbarkeit eines Impfstoffs so voneinander distanzieren und müsste eben auch Infektionen zulassen. Aber das war sicher nicht so gemeint, dass es dafür okay ist einem Teil der Bevölkerung dafür in erhöhtem Maß so zu regulieren dass es quasi auf ein Einsperren und Isolieren hinaus läuft, und das eben im vollem Umfang aufrecht erhalten werden muss bis zur Verfügbarkeit eines Impfstoffs, weil eben genau dass die Konsequenz aus einer relativ hohen Infektionsrate in der Bevölkerung ist, die ja kein Unfall sondern eben Teil des Konzepts ist und auch dauerhaft bleibt, weil die Durchseuchungsrate zu langsam ist wenn dabei nicht das Gesundheitssystem kollabieren darf.

Das ist schon eine erstaunliche Konstellation die dieses vermeintliche Vorbildmodell da gerade hat. Und genau das wurde als mögliches Problem skizziert. Und ich wüsste jetzt nicht, wie man denn darauf eine Antwort finden möchte, ohne mit dem fröhlichen infektionieren aufzuhören und stattdessen das Gegenteil zu tun.


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