Thema:
Re:Schutzschirm... nicht Insolvenz. Muss also nix heissen flat
Autor: Telemesse
Datum:09.04.20 15:20
Antwort auf:Re:Schutzschirm... nicht Insolvenz. Muss also nix heissen von BOBELE

>>Ich habe in der Industrie als Vertriebsmanager gearbeitet und die Warenhauskonzerne gehörten u.a. zu den von mir betreuten Kunden. Ich war ca. 3-4 mal im Jahr in den Zentralen in Essen und Köln und habe da mit dem Zentraleinkauf Zahlen jongliert und mit dem strategischen Einkauf Konzepte entwickelt.
>>Ich war da für den Bereich Spielwaren zuständig und wir haben neben unseren Markensortimenten die meisten Eigenmarken (Bob der Bär etc.) für die gefertigt.
>>Daher kann ich zumindest für den Spielwarenbereich sagen das da die Häuser ind den kleinen und mittalgroßen Städten schon immer Probleme mit den Erträgen hatten. Die mussten preislich letztendlich mit Toys R Us, Spiele Max & Co. konkurieren hatten aber exorbitant höhere Kosten. Marketing, Ladengestaltung,Deko, Personal, Mietkosten spielen da in ganz anderen Sphären als bei den Spielwarenmärkten. Und das war schon vor Onlineshoppingzeiten so und hat sich bis heute alles aneder als verbessert.
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In der Kaufhof Zentrale in der Leonard Tietz Straße war ich immer recht gerne. Das Pater Noster fahren war da immer ein besonderes Highlight.
Ich hatte natürlich keinen Einblick in die internen Kalkulationszahlen, der Zentraleinkauf war jedenfalls immer am jammern und betonte das wir Industriebanditen mit unseren unverschämten Preisen der Sargnagel der Warenhäuser wären;-) Im Spielwarenbereich war es jedenfalls zweifelsfrei so, daß der Großteil des Umsatzes zu Weihnachten gemacht wurde und dabei die Preise immer knallhart reduziert wurden und sich regelrechte Preisschlachten mit Karstadt und TRU geliefert wurden. An den Artikeln wurde da defacto kaum noch was verdient. Die Haupterträge kamen da letztendlich durch WKZ und Bonusvereinbarungen. Bei den Eigenmarken/Importartikeln waren die Margen durchaus höher. Allerdings liefen da die Bestellungen immer über die Gemex, die wohl dann intern an Kaufhof weiterverrechnet und schon einen Teil der Margen einverleibt hat.

Bei Karstadt ging die Misere eigentlich richtig mit der Middelhof Ära los. Da wurden dann die eigenen Filialimmobilien unter Wert verhökert und zu Wuchermietenpreisen wieder angemietet. Das war eigentlich der Beginn der massiven Kostenprobleme.

>Interessant verzerrtes Bild hat sich Dir da geboten. Meine Perspektive: Ich habe fast 30 Jahre in Köln in der Hauptverwaltung vom Kaufhof gearbeitet. Über diverse Ämter hatte ich am Ende über den GBR einen recht guten Einblick in die wirtschaftliche Lage und deren Hintergründe. Und nein, zumindest DIESER Warenhauskonzern hat nicht schlecht performt. Unter den gleichen Rahmenbedingungen wie 2015 mit einer ensprechenden Strategie hätte das Unternehmen auch weiterhin profitabel betrieben werden können. Ja, die Häuser verursachen deutlich höhere Kosten als der grösste Teil der Konkurrenz. Es ist aber ein Trugschluß, man müsste mit deren Preisen konkurrieren. Das musste man nie und hat man auch nie versucht. Man hat schlicht auf eine andere uznd solventere Käuferschicht gezielt. Allerdings muss man die auch anders ansprechen. Vor allem geht das ohne Personal nicht. WENN man das aber richtig macht, dann funktioniert das bestens, denn eben diese genannten Kunden sind nicht diejenigen, die sich beraten lassen und dann doch online kaufen.
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>Man hat mal unter dem Druck der Mitarbeitervertreter einen Testballon gestartet und in einigen Häusern in der Abteilung Herrenspielwaren (Damenwäsche) massiv Personal aufgestockt. Nicht einfach Warenverräumer, sondern erfahrene Fachverkäuferinnen für Damenwäsche. Da hattest Du dann am Ende quasi für jede Kabine eine eigene Verkäuferin, die die Kundinnen beraten hat, andere Grössen und Modelle holte... so halt. Der Umsatz ist durch die Decke gegangen und hat den personellem Mehraufwand un ein vielfaches übertroffen. Hast man daraus eine Lehre gezogen und das Konzept forciert? Nö... Im Gegenteil hat man die Belegschaft in der letzten Aktion, der auch die Hauptverwaltung in Köln zum Opfer fiel, nochmal dermassen zusammengestrichen, dass jetzt selbst bei einem Krankenstand von 0 kaum mal mehr als zwei Verkäufer auf so einer Etage zu finden sind. So wird das natürlich nix. Wenn der Kunde sich einen Kram selber suchen muss, keine Beratung bekommt und am Ende auch noch ewig an in der Menge maximal verringerten Kassen anstehen soll, dann muss man sich nicht wundern, wenn er lieber online kauft.
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>Dass Spielwaren ein problematisches Geschäft gewesen wären, höre ich ehrlich gesagt auch zum ersten Mal.
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>Nein, zumindest der Kaufhof war noch immer ein stabiles und profitables Unternehmen. Was spät dran mit seinen Online-Akitvitäten, aber auch das lief ja inzwischen gut an... jetzt ist es halt der Karstadt-Onlineshop, der läuft ja wohl eher so mittelprächtig, wie man auf Plattformen wie reclabox nachlesen kann.
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>Das bitterste an dem ganzen ist, dass der Kaufhof immer ein extrem guter Arbeitgeber war, der seiner gesellschaftlichen Verantwortung nicht nur nachgekommen ist, sondern deutlich mehr gemacht hat, als er gemusst hätte. Das hast Du der Belegschaft einfach angemerkt. "Grünes Blut" hiess das bei uns. Darum waren die meisten Menschen da auch seit Jahrzehnten da, da gabs jeden Monat etliche Jubiläen von 40 oder mehr Jahren. Diese Verbundenheit haben eben lange auch die Kunden gespürt. Engagierte und zufriedene Verkäufer machen einfach ein gutes Geschäft. Das hat man ja innerhalb von wenigen Jahren komplett kleingetreten. Und DAS ist das Problem jetzt. Nicht, dass das Warenhausgeschäft an sich nicht mehr liefe. Oder dass die Betriebskosten zu hoch wären. Klar, wenn der eigene Eigner den Laden über Mieten komplett auspresst, dann sind die Kosten zu hoch.


Ich habe sowohl Kaufhof als auch Karstadt noch als wirklich traditionelle Betriebe mit hoher Mitarbeiter Loyalität in Erinnerung. Für mich war das immer so das Schalke und Dortmund des Einzelhandels und eigentlich undenkbar das die jemals fusionieren könnten.
Das Warenhauskonzept das du beschreibst ist sicherlich erfolgsversprechend aber imo auch nur in den Großen Häusern. In den kleineren Fillialen dürfte da einfach die Kundenfrequenz zu gering sein um die damit verbundenen Personalkosten zu stemmen.


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