Thema:
Ich glaube, es wird vielerlei nachhaltige Effekte geben flat
Autor: thestraightedge
Datum:07.04.20 13:56
Antwort auf:Was kommt danach? von Demonted

Reisen: Reisen wird es nie wieder geben wie vor Corona. Innerdeutsches Fliegen wird zum überflüssigen Luxus, der es schon immer war. Grundsätzlich wird es auch weniger Jetset geben, weniger spontane Fernreisen. Einige Reisende sind dauerhaft verstört und bleiben auf Distanz zu vollen Flughäfen und fremden Ländern. Andere erkennen, dass nicht jede geschäftliche Asienreise überhaupt je notwendig war. Die Reisebranche bleibt bei minus 25-30% zu vor der Krise hängen, die Preise steigen aber, so dass es auskömmlich bleibt für die meisten Anbieter.

Arbeiten: die Arbeitswelt bleibt verändert. Home Office und modernes Netzwerken bekommen einen starken Schub, vgl. auch das Reisen. Arbeit wird flexibilisiert, weil auch der letzte Chef erkennt, dass die Leistungserbringung weniger von Stempelzeiten und Ort abhängt, sondern von Führung unabhängig vom Wo und Wann.

Politik: es wird sich wieder mehr abgekapselt. Imo hat wenig auf EU-Ebene und auch international wirklich bzgl. Bekämpfung funktioniert oder diese bevorteilt. Es war sich doch jedes Land selbst am Nächsten, sogar in Europa, und durch Ellenbogen-Nationen wie die USA weltweit sowieso. Ich glaube, der Schaden ist irreparabel. Ich hatte auch in der EU nicht den Eindruck von "wir packen das", sondern eher von "wir packen das erstmal alleine, wenn ein Kittel übrig bleiben sollte melden wir uns!". Es wird evtl. sogar die Globalisierung hemmen, was ich iO finden würde.In der Innenpolitik gibts kurz eine Delle für den Rechtspopulismus, der aktuell europaweit zeigt, dass er wirklich gar nix kann. Das vergeht aber schnell wieder, weil deren Klientel nur wieder 3 Asylanträge sehen muss um den alten Schaum zurück vors Gesicht zu bekommen. Ansonsten gehen die Mitte-Parteien insbesondere in DE gestärkt hervor, weil Merkels ruhige Hand offenbar wirklich einen guten Job gemacht hat - mit ne Menge Kritikansätzen im Detail.

Miteinander: Ich glaube und hoffe, dass es die deutlichsten Fortschritte gibt. Geselligkeit, Rücksichtnahme und Wertschätzung könnten mehr Stellenwert in der Gesellschaft erhalten. Auch familiäre Probleme könnten überwunden werden, wenn man mal merkt, wie doof es ohne (erweiterte) Familie ist. Man fühlt sich wieder solidarischer auch mit Menschen, die man nicht so gut kennt.

Systemrelevante Berufe: es wird kurzerhand einen Schub geben, von Ausstattung über Gehälter bis hin zu Krankenkassen und Co. Das gesamte Gesundheitswesen wird neu geordnet. Leider wird in 3-5 Jahren der alte Weg eingeschlagen, die Branche verliert wieder an Bedeutung, es wird gespart und privatisiert. Nach der Pandemie ist vor der Pandemie, aber das scheint dann alles schon wieder weit weg.

Tiere, Fleischkonsum usw.: weils unablässige Fingerzeige auf die "Barbaren in China" gibt, wird in der westlichen Welt wenig reflektiert. Dass BSE, Schweinegrippe usw. auch alle durch Mast und Nutztierverwertung entstanden sind, wird mehr oder weniger ignoriert. Man brüstet sich damit, dass der Wildtierhandel in China endlich verboten wurde, ohne sein eigenes Verhalten zu reflektieren. Die Mastfabriken bleiben im Aufwind, eigentlich kauft jeder "meistens Bio" und "isst nur sehr wenig Fleisch", und dennoch bleibt industrielles Fleisch der Konsumrenner. Leider wird es hier auch in China kein nachhaltiges Umdenken geben; stattdessen bleiben Tigerkrallen populär in der Medizin, und ein Schwarzmarkt für Fleisch aus Wildfang floriert.

China: gleichzeitig beginnt China aber, sich weiter Richtung Zivilcourage, Miteinander, Rücksichtnahme und Co zu entwickeln. Menschen, die sich nicht korrekt verhalten, werden nicht nur vom Staat, sondern auch von der Gesellschaft überwacht, und so reguliert sich nach einigen Jahren viel zum Guten in China, wo bisher eher jeder für sich lebt. Da konnte bis vor einigen Jahren die Oma aus der Nachbarschaft die Treppe vorm Haus runterstürzen, und niemand hat geholfen weil "Versicherung und Mitschuld" oder so. Das ändert sich in meinen Augen gerade. Auch Bekannte vor Ort berichten von einem veränderten Gefühl, zwischen Schock und "gut dass wirs gemeinsam durchgestanden haben".

Banale Dinge werden sich ändern:
- Fahrrad fahren bekommt noch mehr Aufwind. Ich sehe hier so viel Biker, weil nix sonst zu tun ist
- das wird nachhaltigen Impact haben- evtl. wird es weltweit eine veränderte Wahrnehmung zur Urbanisierung und auch Abschwächung des Trends geben. In solchen Situation in den dicken Städten im 15. Stock hocken hat wenigen Spass gemacht. In der Peripherie, mit Wald vorm Haus, fiel das vielen leichter. Auch Ansteckung, Versorgung und Co. sind in ländlichen Regionen imo anders zu bewerten.
- ich glaube, unsere "Alten" werden wieder mehr geschätzt. im familiären Kontext so wie auch in der Gesellschaft an sich wg. ihrer besondern Schutzwürdigkeit.


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