Thema:
Mal eine andere Sicht auf Krankenhäuser flat
Autor: BOBELE
Datum:07.04.20 08:33

In der gerade vorherrschenden Berichterstattung gelten Krankenhäuser nahezu ausschließlich als Horte heldenhafter Helfer, die sich unter widrigen Bedingungen gegen eine Pandemie stemmen, bis zur Selbstaufopferung für die Kranken arbeiten und unter dem von einer tatenlosen Politik ausgelösten Materialmangel leiden. Da bleibt scheinbar kein Raum für eine Berichterstattung über Fahrlässigkeit und Patientengefährdung, die manche Krankenhäuser selber zu verantworten haben.

Ein paar Sätze zur Einordnung und Einleitung: Meine Mutter am Donnerstagabend der letzten Woche mit hohem Fieber, schwerer Lungenentzündung und Verdacht auf Covid aus dem Pflegeheim ins Krankenhaus verlegt. Man rief uns Kinder an, um mit uns die aufgrund der Schwere der Erkrankung und einer vorliegenden Patientenverfügung geplante medikamentöse Sterbebegleitung zu besprechen. Am Samstag war dann nach Test klar: Es ist KEIN Covid. Meine Mutter wurde dann von der Isolierstation auf die Kardiologie verlegt... eine Hoffnung besteht aber trotzdem nicht mehr. Soviel zur Sache. Eine Bemerkung noch vorab: Mir ist klar, dass dem im Folgenden beschriebenen Verhalten des Krankenhauses eine zutiefst humanstische Einstellung zu Grunde liegt und man Menschen eine schwere Situation erleichtern will. Wenn ich also gleich mein Unverständnis äussere, dann nur über das sachliche Verhalten, nicht über die Motive. Also...

Wie in wohl jedem Krankenhaus in der Republik gilt auch in den unseren ein Besuchsverbot. Es gibt allerdings Ausnahmen, die auch ausdrücklich beschrieben sind:

"Als weitere Vorsichtsmaßnahme gegen die Ausbreitung des Coronavirus und zum Schutz unserer Patientinnen und Patienten tritt ab dem 19. März 2020 ein Besuchs-Stop in Kraft. Von dieser Regelung ausgenommen sind Patientinnen und Patienten, die sich in einem gesundheitlich hoch kritischen Zustand befinden. Hier wird nach ärztlicher Rücksprache ein der Situation angemessenes Zeitfenster besprochen."

Meine Schwester hat nun dieses Zeitfenster besprochen... eine Person pro Tag, eine Stunde. Sie war gestern da, und ihre Schilderung haut mich schlicht um. Erwartet hätte ich, dass sie entsprechend eingewiesen wird und man sie mit Schutzkleidung, zumindest aber mit einem Mundschutz ausstattet. Auch erwartet hätte ich, dass man sie ins Haus begleitet und zu unserer Mutter bringt. Dem war aber nicht so.

Tatsächlich hat meine Schwester sich nur an der Anmeldung gemeldet und konnte dann, ohne jeglichen Schutz, alleine ins Haus und auf die Kardiologie ins Zimmer meiner Mutter. Die liegt dort mit zwei weiteren Patienten. Niemand hat meine Schwester in Empfang genommen oder die abgestimmte Zeit kontrolliert. Vermutlich hätte man sie einfach bei der Abendvisite aus dem Zimmer gekehrt. Sie ist irgendwann aus eigenem Antrieb gegangen.

Nun war das für meine Schwester eine Ausnahmesituation. Ich kann verstehen, dass sie sich nur in unserer eigenen kleinen Familienblase gedreht hat gerade, dass sie ohne definitive Anweisungen nicht über Gefahren nachgedacht hat. Aber wenn ich mir überlege, ich hätte da auf der Kardiologie einen Verwandten, der einen Herzinfarkt oder sowas hatte, dessen Zustand nicht kritisch ist, dessen Überlebenschancen gut wären... ich wäre froh über das Besuchsverbot, dass mir das Gefühl gäbe, dieser Mensch würde so gut es geht geschützt. Ich wäre hingegen entsetzt, wenn ich erführe, dass ungeprüft, ungeschützt, quasi unkontrolliert potentiell infizierte Menschen auf gerade die Station gelassen werden, auf der die Hochrisikogruppe für einen schweren Krankheitsverlauf in Fall einer Infizierung liegt. Infizierte Menschen, die sich beim Besuch Ihrer Angehörigen ohne Mundschutz mal eben eine Stunde auf dem gleich Zimmer aufhalten, auf dem mein kranker Angehöriger liegt.

Das lässt mich völlig fassungslos zurück. Wie kann man so unverantwortlich handeln von Seiten der Klinik? Nachdem ich das weiß, werde ich ganz anders darüber denken, wenn da demnächst der Virus im Haus umgeht und die Pflegekräfte infiziert werden und das Geschrei groß ist. Ich hoffe sehr, dass die dann nicht nur auf andere zeigen und die Opferrolle einnehmen. Bei allem Respekt für den menschlichen Hintergedanken... aber das ist einfach dumm und fahrlässig.


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