Thema:
Wer bezahlt für die Folgen der Corona-Krise? Kommentar flat
Autor: peppi
Datum:02.04.20 10:53
Antwort auf:schon wird über die Vermögensabgabe diskutiert von MattR

von Stephan Hebel in der FR:

Das war zu erwarten: Je länger der Sonderzustand des Landes andauert, desto schwächer wird die Atmosphäre der fast hundertprozentigen Einigkeit in der Politik. Langsam tauchen Polarisierungen und Frontstellungen wieder auf, die im Moment der ersten gemeinsamen Kraftanstrengung für Infektionsschutz und ökonomische Stabilisierung verschwunden zu sein schienen. Das muss nicht schlecht sein. Der leider verbreitete Irrglaube, es gebe gerade in Krisenzeiten nur „richtig“ oder „falsch“, wird auch durch Corona nicht besser. Natürlich entstehen die besten Lösungen auch jetzt im kontroversen Austausch unterschiedlicher Standpunkte und Ideen. Das gilt auch für die Frage der Lastenverteilung bei der Finanzierung der Pandemie-Folgen. Der Linken-Vorsitzende Bernd Riexinger hatte sie schon am Montag aufgeworfen: Einmalig fünf Prozent auf Vermögen jenseits einer Freigrenze von einer Million Euro, so lautet die Forderung seiner Partei.

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Zum einen wäre sehr genau zu begründen, warum es sinnvoll ist, jetzt über solche Grundsatzfragen zu reden. Ein Grund könnte gerade darin liegen, der Furcht von Gering- und Normalverdienenden vor Sozialabbau oder allgemeinen Steuererhöhungen zur Finanzierung der Krisenfolgen eine gerechtere Idee entgegenzusetzen. Aber wenn das so ist, sollten Politikerinnen und Politiker es auch klar und deutlich sagen. Zum anderen müsste erkennbar sein, wen genau die zusätzliche Belastung aus linker oder sozialdemokratischer Sicht treffen soll. Saskia Esken hat das gar nicht spezifiziert, aber auch Riexinger hat Fragen offengelassen: Wird beim Freibetrag von einer Million auch das vom Rentnerpaar selbst genutzte Eigenheim mitgerechnet, das zuletzt stark an Wert gewonnen hat, ohne dass die Eigentümer daraus einen Gewinn erzielen? Müssten sie dann für Werte bezahlen, die sie gar nicht realisieren können und wollen? Vielleicht schon, aber müsste dann nicht wenigstens immer dazugesagt werden, dass die Abgabe nur denjenigen Teil des Vermögens beträfe, der die Million überschreitet – was viele Leute gar nicht wissen? Nein, es gibt keinen Grund, sich mit politischen, auch kontroversen Fragen hinter Corona zu verstecken. Aber die Politik könnte sich von der Krise angeregt fühlen, gewissenhafter für ihre Positionen zu werben, als es im Alltag des hektischen Streitbetriebs üblich ist. Das wäre auch eine schöne Übung für die Zeit danach.


[https://www.fr.de/meinung/bezahlt-folgen-corona-krise-13636848.html]


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