Thema:
Re:Teil 13 - Kurzes Update am Abend flat
Autor: Shodan
Datum:30.03.20 00:09
Antwort auf:Re:Teil 13 - Kurzes Update am Abend von thestraightedge

>>Ich weiß aus Göppingen das in der größten Klinik dort bis Oktober alle Urlaube für alle Mitarbeiter gestrichen wurden. Das ist krass demotivierend.
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>Das ist hart, aber: ist das nicht aktuell die Krise aller Krisen, und sind solche Berufe nicht dann auch für solche Maßnahmen prädestiniert? Ich finds natürlich auch Scheisse, und die Verantwortlichen müssen ein Auge auf die mentale Gesundheit und das Belastungslevel haben, aber: dass in der aktuellen Situation erstmal von 3 Wochen Urlaub im Sommer abgesehen wird finde ich fast nachvollziehbar.
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>Ist ein zweischneidiges Schwert... weiß da nicht was richtig bzw. nachvollziehbar und was falsch ist.
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Ich verstehe dein Argument. Ja es ist derzeit DIE Krise. Aber man kann doch mit Augenmaß reagieren. Ich kenne die Klinik dort. Und die sind jetzt auch nicht so knapp an Ressourcen. Ich finde es einfach als Signal an die Belegschaft fatal. In meinem Haus geht es ja auch anders. Und uns ist hier allen bewusst das sich die Situation von heute auf morgen ändern kann. Aber man sollte die Gesundheit seiner Beschäftigten doch solange es geht noch schonen und Kräfte sammeln lassen.

>> Und wird wohl zu einer Welle an Krankmeldungen führen.
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>DAS finde ich, ganz unabhängig von den Ursachen oder möglichen "Begründungen" immer ein fatales Signal, welches tief blicken lässt. Der Missbrauch von Krankenstand kann niemals die richtige Antwort sein, und nach meiner Erfahrung haben 100% derer, die so agieren, grundsätzlich ein Mentaliätsproblem bzgl. Job, Unternehmen, Arbeitgeber oder dem Leben allgemein.
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>Danke weiterhin für Deine Einblicke und Deinen Job! <3


Der Missbrauch von Krankenstand ist unter Klinikärzten und Pflegekräften an der Tagesordnung. Es ist doch nur eine Folge der enormen Arbeitsverdichtung, teils Menschenverachtender Personalführung und insgesamt den Verfehlungen der Gesundheitspolitik der letzten Jahrzehnte.

Auch ich habe mich schon krank gemeldet, obwohl ich es nicht war. Nach 7 Diensten am Stück, einer schlimmer wie der andere. Mit mehreren Spät/Früh Wechseln. Das heißt du verlässt um 21 Uhr die Klinik, und stehst um 6 Uhr wieder auf der Matte. Wenn es gut läuft habe ich in solchen Nächten 2-3 Stunden Schlaf.

Und dann stehe ich nach so einer schlaflosen Nacht an einem Patientenbett. Lass es einen 18 Jährigen Motorradfahrer sein mit allerschwersten Verletzungen. Dann muss ich Medikamente richten bei denen 1 ml mehr oder weniger absolut entscheidend für die Wirkung ist. Steuere ein Nierenersatzverfahren und die Beatmung, darf vielleicht noch einen innenklinischen Transport vorbereiten in den OP oder zum CT. Ich muss die Flüssigkeitsbilanzierung im Auge behalten, regelmäßige Laborkontrollen durchführen. Schwierige Wunden und Verbände versorgen. Den Patienten lagern um ihn vor Druckgeschwüren zu schützen. Eine gründliche Mundpflege zur Pneumonieprophylaxe schaffe ich vielleicht auch noch. Ach, und die schwer geschockten Angehörigen wollen auch noch Auskunft und Trost während sie am Bett sitzen. Und muss völlig übermüdet aufpassen keine tödlichen Fehler zu begehen.

Alles in allem genug Arbeit für 8 Stunden. Für einen Patienten.

Hab ich schon den zweiten oder vielleicht sogar dritten Patienten erwähnt die ich noch versorgen sollte?

Das mag zynisch klingen, oder vielleicht wieder nach dem typischen Übertreibungen einer Pflegekraft. Aber es ist tägliche Realität. Und sich da mal krank zu melden ist manchem der einzige Weg nicht auszubrennen. Ich liebe meinen Job nämlich, und möchte den gerne noch eine Weile machen.


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