Thema:
Krokant: Deutschland war und ist NICHT zu behäbig. flat
Autor: Pezking
Datum:26.03.20 08:53
Antwort auf:Deutschland war zu behäbig, aber... von thestraightedge

Wäre es toll, wenn unser Gesundheitssystem permanent so aufgestellt wäre, dass man jede Pandemie, jeden Kaiju-Angriff und jede Alieninvasion müde lächelnd einfach im Handumdrehen in die Bedeutungslosigkeit organisieren würde?

Ja, natürlich.

Aber ist das realistisch?

Ich will damit nicht behaupten, dass ich unser Gesundheitssystem nicht für latent unterversorgt halte. Es müsste mehr Personal geben, die Arbeitslast jedes Einzelnen müsste reduziert werden und man müsste lohnmäßig höhere Anreize schaffen. Und auch die Privatisierung von Krankenhäusern sehe ich skeptisch.

Also ja, man hätte mit einer großzügigeren Gesundheitspolitik besser vorbereit sein können - aber permanent einen Apparat finanzieren, der alle 100 Jahre mal eine solche Pandemie zur Randnotiz degradiert?

Das ist auch unrealistisch. Und das unterschätzt den Ernst und die Außergewöhnlichkeit der aktuellen Lage. Keine besserwisserische "So einfach ist das!"-Meinung wird dieser Pandemie auch nur annähernd gerecht.

Genauso verhält es sich auch mit hysterischen Day-1-Forderungen zu einem totalen Shutdown.

Was man dabei nämlich nie vergessen darf: Wenn da nicht die allermeisten Bürgerinnen und Bürger mitziehen, geht das komplett in die Hose. Wenn 60% der Leute sagen: "Nö, mach' ich nicht!" und der Shutdown zu einem Katz-und-Maus-Spiel zwischen Staatsgewalt und Bevölkerung verkommt, dann ist die Maßnahme gescheitert. Dann findet kein Shutdown statt!

Und wer glaubt, dass man die aktuelle Situation durch eine militärisch durchgesetzte Ausgangssperre entspannen könnte, der hat echt den Schuss nicht gehört. Der sollte sich dringend mal vor Augen halten, wie friedlich gerade 90+ Prozent der Leute hier ihre Freiheit einschränken, zugunsten der Pandemie-Eindämmung.

Schritt für Schritt wurde die Bevölkerung in den letzten drei Wochen an diese Entwicklung gewöhnt. Erst blieben Stadien und Konzerthallen leer, dann Schulen und Kitas, Social Distancing, Nieshygiene und 20-Sekunden-Händewaschen wurden gebetsmühlenartig propagiert und nun sorgte eine drastische Maßnahme wie die Kontaktsperre sogar ein Stück weit für Erleichterung, weil diese ja immerhin keine Ausgangssperre ist - und überall ziehen die Leute nun nahezu komplett mit. Natürlich auch, weil man nicht das nächste Italien werden will.

Und diese Bereitschaft hätte man nicht schon Mitte Februar durch das Umlegen eines Schalters erlangen können. Eine derart außergewöhnliche Krise, die noch niemand selbst erlebt hat, wird natürlich erst einmal ein Stück weit verdrängt und unterschätzt.

Deshalb nochmal: Wer die Außergewöhnlichkeit dieser Pandemie-Situation verkennt und aus dieser Einschätzung heraus nur Vorwürfe und Besserwisserei zieht, der verkennt die Komplexität der aktuellen Lage.


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