Thema:
Re:Wir brauchen einen Mindestlohn für ALLE flat
Autor: PartyPaul
Datum:25.03.20 21:35
Antwort auf:Re:Wir brauchen einen Mindestlohn für ALLE von DJS

>>>Und um nochmal auf Deinen Satz oben einzugehen: Besserverdiener verdienen meistens besser, weil sie Jobs ausführen, die Schlechterverdiener nicht tun könnten. Auf der anderen Seite könnten Besserverdiener oft relativ problemlos die Jobs der Schlechterverdiener erledigen.
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>>Sorry, aber das ist ein absoluter Trugschluss. Wir werden in der Masse eigentlich nur für das bezahlt, was wir in der Vergangenheit gemacht haben und was unsern Wert gesteigert hat, aber nicht tatsächlich dafür, was man aktuell wie gut ausübt.
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>Nein. Wenn Du "in der Masse" schreibst, meinst Du damit, dass es öfter gilt als nicht? Weil falls Du es so meinst, dann ein ganz klares "Nein" von mir.
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>Natürlich gibt es viele Beispiele dafür, dass jemand der augenblicklich nicht viel leistest trotzdem viel Geld verdient aufgrund von irgendwelchen Diploma die er mal gemacht hat. Andere tun mehr, sind auf dem Papier schlechter ausgebildet und verdienen deswegen weniger. Das passiert aber meistens innerhalb eines Berufszweiges. Schlechter Lehrer ist verbeamtet, guter Lehrer ist Quereinsteiger, schlechter Lehrer bekommt mehr Geld. Gibt's quasi an jeder Schule.


Und das nimmst du so hin und würdest dich nicht freuen, wenn wir in einer Gesellschaft leben würde, wo dies nicht mehr so (eklatant) wäre?

>Wenn man aber Berufe miteinander vergleicht, dann ist das einfach so, dass jeder Arzt/Pilot/Wissenschaftler/Anwalt usw. eine Arbeit verrichtet, die ein Unausgebildeter nicht machen kann.
>Jeder aus der Gruppe könnte direkt die Arbeit des Unausgebildeten machen. Deswegen verdienen die Ersten eben mehr und das ist auch gut so.


Aber genau das stimmt doch nicht. Klar ein schweres Paket von A nach B schleppen kann erstmal jeder. 9/5/365 sieht das ganze schon anders aus. Es gab ne Phase da wurden Arbeitslose zu Bauern vermittelt zum Spargelstechen, die haben sich aber beschwert bzw. diese System nicht mehr genutzt, weil diese 2-3 mal langsamer waren, als die regulären Erntehelfer, primär wegen mangelnder Technik und Kondition.

Aber ich hab nichtmal von den wirklich unausgebildeten gesprochen. Meine Agenda ist auch nicht, das ein Arzt mit langjähriger Erfahrung das gleiche verdienen soll wie ein ungelernter Kistenschlepper. Wenn dann gehts eher um die Spannweite der Schere, wie weit die beiden auseinander liegen.

Aber z.B. ein Bachelor-Informatiker wird i.d.R. deutlich besser bezahlt als die gleichlang (je nachdem sogar länger) ausgebildete Kindergärtnerin, wo auch viel Theorie, Bürokratie und zusätzliche Verantwortung im Laufe der letzten Jahre hinzugekommen ist, neben der Verantwortung, dass den Kindern nichts (schlimmes) passieren darf, was nach Marktgesetzen eigentlich super teuer sein müsste, wenn Personalverantwortung ja auch immer hoch vergütet wird.

>>Das immernoch im öffentlichen Dienst und vielen anderen Tarifverträgen der akademische Grad einen nicht verhandelbaren erklatanten Einfluss auf die meisten Gehälter hat, zeigt doch das es eben nicht darum geht ob jemand nen Job besser kann oder nicht, sondern andere Regeln sich gefestigt haben. Ich komm aus der Informatik und hab da häufig schon mit Leuten zu tun gehabt, die Quereinsteiger waren und deutlich mehr drauf hatten als so mancher Diplomand oder Doktorand, trotzdem aber gehaltsmäßig nicht anerkannt werden und die Doktoranden halt mehrere 10000 mehr verdienen, weil sie halt nen Doktor haben, auch im nicht öffentlichen Dienst.
>
>Klar, aber niemand verbietet dem Quereinsteiger ein Studium abzuschließen.


Das Alter, vorherige Abschlüsse und sonstige Lebensumstände können einem das schon verbieten. Doktorandenstellen sind ebenso begrenzt. Davon abgesehen ist das doch genau der Punkt. Wenn er jetzt schon den besseren Job macht, wozu das Studium?  Warum muss ein Studium die Grundlage für eine bessere Bezahlung sein, wenn man so schon den gleichen oder einen besseren Job macht. Grade im öffentlichen Dienst und Sozialberufen ein absolutes veraltetes Kastensystem, dass die Leute hindert nach oben zu kommen bzw. adequat bezahlt zu werden, wenn sie erst mal im System stecken.

>Außerdem verdient man während des Abiturs und des Studiums kein Geld.

Man wird fürs Studieren selbst nicht bezahlt, d.h. aber nicht das man währenddessen kein Geld verdient. Es gibt ziemlich viele Duale Studiengänge mittlerweile, wo man sich direkt finanziert. Außerdem konnte man schon immer in den Semesterferien ranklotzen und ziemlich viel Kohle in kurzer Zeit machen und an Nebenjobs generell wurde man auch nicht gehindert (was dir als Arbeitnehmer bzw. in der Ausbildung bereits passieren kann). Dazu hat man als Student bis zu einem gewissen Alter diverse Vergünstigungen, die in Summe absolut nich unerheblich sind, vor allem im Vergleich mit schwach bezahlten Berufen, die dann Job Ticket, Krankenkasse etc. selbst noch bezahlen dürfen.

>Wenn jemand nach der zehnten Klasse eine Ausbildung macht, verdient er schon mit 16 Jahren Geld. Ein Student tut es erst 8 Jahre später wenn er Glück hat.

Erstens verlangen viele Ausbildungsberufe mittlerweile ein Abitur, falls du nicht einen exzellenten Realabschluss hast, bei dem dir aber dann jeder empfiehlt doch das Abi zu probieren bzw zu studieren.

Zweitens kannst du seit den Hochschulreformen und Wegfall der Wehrpflicht nen (FH)Bachelor mit (21)22 regulär abschließen und dann je nach Branche schon gutes Geld (=50000+ Einstiegsgehalt) kriegen. Da hast du selbst ohne vorherige Seitenfinanzierung in 1 Jahr das rausgeholt, was du in den Ausbildungsberufen in der ganzen Zeit gemacht hat und von da an wird die Schere immer größer.

>Aber auch hier: Dein Beispiel ist wieder innerhalb eines Berufs, ich habe eben eher komplett verschiedene Berufe verglichen.
>>Das zu innerhalb der Jobklassen, außerhalb hat die Gesellschaft ja sich aufgetan bestimmte Fähigkeiten einfach gar nicht monetär anzurechnen. Den ganzen Tag mit kleinen Kindern umzugehen oder sich in der Pflege abzubuckeln und mit Fäkalien umzugehen, muss man auch erstmal können, das können doch genauso wenig die meisten.
>
>Klar, es ist nicht jedermanns Sache, aber "Können" im Sinne ich weiß wie man eine Herztransplantation durchführt, ist es nicht.


Das ist aber auch kein angeborenes Können, sondern erstmal Wissens- und Erfahrungserwerb, den du umgekehrt aber auch brauchst. Aber ich will Ärzte hier nicht klein reden und etwas ausklammern. Die wurden in der gesamten Menschheitsgeschichte schon immer besser gestellt und das nicht ohne Grund.

Ansonsten lass doch mal 'nen Piloten, der am besten selbst keine Kinder hat, 10-15 Kleinkinder für ein Jahr betreuen. Den kannst du sicherlich nach kurzer Zeit in der Klappse abholen, wenn er sich nicht vorher aus dem Staub macht. Und selbst wenn er durchhält, müssen das auch die Kinder physisch wie psychich schaffen und hoffentlich adequat betreut und gefördert von ihm sein. Von der sehr wahrscheinlich nicht korrekt gemachten Bürokratie ganz zu schweigen.

Zumal die Ausbildung zum Piloten ja einen Heiden Geld kostet weil der Platz begrenzt ist und man damit viele Leute aussperrt, die es ja auch könnten. Eigentlich müssten also auch Piloten dafür bezahlen fliegen zu dürfen, weil die Plätze so begrenzt sind, grade in diesen Zeiten ;)

Spaß bei Seite, warum muss der Anreiz immer nur extreme Bezahlung sein und reicht es nicht aus, dass mit bestimmten Berufen man Macht und Anerkennung bekommt bzw. man eben nicht mit Kindern arbeiten muss, Toiletten putzen oder Ärsche abzuwischen hat? Das manche Berufe durch Ausbildungsplätze einfach stark begrenzt sind und man priviligiert ist, diesen überhaupt machen zu können?

Das man mit mehr Wissen, Verantwortung und mehr Arbeit auch mehr Geld bekommt ist ja ok, aber muss ein Leben lang unbedingt ein Papier, das man ganz am Anfang gemacht hat, bestimmen, ob das gleiche vorhandene, notwendige Wissen zusätzlich vergütet wird?
Und reicht es nicht aus, wenn maximal der Faktor 2-5 (und nicht wie jetzt das zum Teil mehrere 100fache) einen Unterschied in den Gehältern über alle Berufsgruppen hinweg bei gleichem Zeitaufwand macht, zumindest was Angestelltenverhältnisse angeht? Wer das unternehmerische Risiko alleine voll trägt, soll natürlich auch entsprechend vergütet werden können.

>>Dazu muss man für viele repetetive Jobs auch irgendwo gemacht sein, ansonsten kann das auch sehr auf die Psyche gehen. Körperliche Kraft wird auch nicht entsprechend honoriert, weil immer gesagt wird, kann ja jeder (mit entsprechend Training). Kann aber eben nicht jeder, schon gar nicht mehr ab nem gewissen Alter.
>
>Stimmt. So ist halt das System. So lange man Menschen findet die diese Jobs für wenig Geld machen wollen, wird es so weiter laufen. Niemand zwingt sie diese Jobs auszuführen und wenn sich niemand mehr finden würde, dann würden die Gehälter auch sicherlich steigen.


1. zwingen Lebensumstände nunmal dazu 2. sehen wir ja an der Krise grade, wie toll Anreize und Gehälter gestiegen sind ;) Kitastreiks letztes oder vorletztes Jahr zeigen bzw. diverse Berufsgruppen schreien, dass alle unterbesetzt sind usw. Gehälter und Anreize steigen aber eben nicht nach allgemeinen Marktgesetzen, weil eben der aktuelle Status Quo, wofür wirklich viel Geld fließt, zunächst geändert werden muss.

>>Und dann noch die krassen Auswüchse: Warum verdienen Aufsichtsräte und Vorstände so eklatant mehr als der durchschnittliche Mitarbeiter, also in einem Jahr das vielfache was manche Leute in ihrem ganzen Leben verdienen (bei der Post z.b. verdient der oberste Chef das 282-fache des durchschnittlichen gehalt iirc). Im gegensatz zum Spitzensport wo die Gehälter auch absurd sind, aber irgendwo es ja noch um die tatsächlichen individuellen Fähigkeiten geht, ist das beim Top-Management oft Geklüngel und Schacherei und es gibt diverse Versager, die nur deswegen gut aussehen, weil die unten drunter die Top arbeit machen.
>
>Ja, das sehe ich so wie Du. Absolut pervers was da passiert. Auf der anderen Seite: wenn man das weiß kann man auch versuchen dorthin zu kommen. Oder man schafft es eben nicht, weil man nicht gut genug ist. Oder man will es auch gar nicht. :)


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