Thema:
ARGHH!!!! flat
Autor: Sven Mittag
Datum:19.03.20 20:35
Antwort auf:Ist Deutschland zu behäbig im Vergleich von Gramatik

Merkel hat in Ihrer tollen Rede letztens gemeint, dass wir uns durch Corona in der größten Krise seit dem zweiten Weltkrieg befinden. Da muss ich Ihr recht geben. Aber leider aus meiner Sicht nicht wegen dem Virus, sondern wegen der Reaktion auf den Virus.
X1Two hat hier im Forum wahnsinnig viel Kritik wegen seiner Postings zum Virus erhalten. Und auch wenn ich weiß, dass hier natürlich eine recht umfangreiche Vorgeschichte mitspielt, so muss ich leicht schmunzeln, wenn viele seiner Kritiker nun gleiche Massnahmen fordern wie er vor mehreren Wochen. Ein Bild, was ich leider immer wieder sehe: mein eigener Schwiegervater hat noch vor ner Woche mehrere Youtube-Videos gepostet, wo er sich über Prepper und Leute mit Corona-Angst lustig gemacht hat. Heute hat er sich geweigert, seine eigene Tochter an ihrem Geburtstag zu sehen - weil Infektionsgefahr und so weiter. Also gesunder 50jähriger ist er immerhin stark gefährdet...
Worauf ich hinaus will: das Problem in dem wir uns befinden - und wir befinden uns momentan wirklich in einem richtig großen Problem - war abzusehen. Hätte verlangsamt werden können und man hätte vor allem viel früher mit Vorbereitungen anfangen können. Klar, haben auch Politiker keine Glaskugel, aber dass ein ansteckender, größtenteils unauffälliger und mit einer langen Inkubationszeit beseelter Virus durchaus Pandemie-Charakter hat, war zumindest nicht ganz unwahrscheinlich. Dass man vielleicht trotz humanitären Gedankens nicht gerade einer Nation, die so ziemlich als einzige Hygieneartikel weltweit herstellt, Tonnen dieser Artikel zuschickt, so dass Sie nun unserem Gesundheitswesen fehlen. Und ich fang jetzt nicht damit an, dass es echt dämlich ist, während einer Pandemie erst auf die Idee zu kommen, Hygieneartikel einkaufen zu wollen (von wo bitte sehr), sondern man vielleicht ETWAS früher auf die Idee hätte kommen können, diese vor Ort produzieren zu lassen. Dies geschieht zwar endlich, aber auch hier mit viel zu starker Verspätung.
Was mich aber wirklich wurmt, ist die Planlosigkeit der Regierung und die Tatsache, wie sehr sich hier viele stärkere aber insgesamt sehr fragwürdige Einschränkungen wünschen. Um es kurz zu machen: Die bisherigen sozialen und wirtschaftlichen Einschnitte werden sicherlich einen enormen Beitrag zur Verlangsamung der Pandemie in Deutschland beitragen. Aber zu einem ebenso enormen Preis für die Gesellschaft und Wirtschaft. Schon jetzt ächzen Betriebe durch die Zwangsschließungen. Touristik und Hotellieren werden reihenweise in Schräglage kommen. Und auch wenn finanzielle Hilfe versprochen werden, so stellt sich die Frage wie diese Aussehen sollen. Ein Hotel mit 300 Mitarbeitern und mehreren Millionen Investionskrediten wird sich mit 30.000 Euro Soforthilfe vom bayrischen Staat genau...äh...1 Tag über Wasser halten können. KfW-Kredite sind nett, aber müssen am Ende eben doch zurückgezahlt werden. Und auch wenn die Hilfen noch weiter steigen werden, so kann der Staat (hoffentlich) nicht beliebig Geld drucken, um die Einschnitte in der Wirtschaft aufzufedern. Dies alles wird Arbeitsplätze kosten und aufgrund der momentan wirtschaftlichen Lage werden die Leute wohl kaum sofort einen neuen Job finden. Naja, vielleicht in der Händedesinfektionsfabrik ;)
Von sozialen Einschnitten wie dem deutlichen Senken des Lernniveaus und der sozialen Kompetenz durch Home Schooling, ausbleiben jedweder kulturellen Entfaltungsmöglichkeit mal ganz abgesehen. Oder Depressionen wegen der quasi Zwangsisolierung.
Nun kann man natürlich sagen: Ist ja alles nicht so schlimm. Dies machen wir halt ne Zeit lang bis...ja, bis wann genau. Und hier kommt der Punkt, der mich am meisten stört. Das momentan gefahrene Konzept funktioniert nur so lange, so lange die massiven Einschnitte bestehen bleiben. Hebe ich Sie auf, weil die Fallzahlen sinken, steigen sie in nahezu gleicher Stärke wie zu Beginn wieder an. Dies haben mehrere Studien und Datenmodelle belegt. Wuhan funktioniert nur, weil hier eben immer noch Auflagen bestehen, die noch über dem jetzigen deutschen Status Quo liegen. China hat also nicht etwa den Virus besiegt. Sie haben sich massiv angepasst. Auf Kosten der Wirtschaft und auf Kosten der sozialen Interaktion.
Also worauf wartet unsere Führung dann also? Auf einen Impfstoff? Vernünftig erforscht würde dies locker 18 Monate dauern. Welcher betroffene Betrieb hält die jetzige Situation 18 Monate lange durch? Wollen wir unsere Kinder 18 Monate lang zu Hause unterrichten? Vielleicht ist man jedoch dieses Mal nicht ganz zu genau bei der Prüfung des Impfstoffes. Hier stellt sich für mich dann nur die Frage: Wer will sich in diesem Fall wirklich impfen lassen? Um einen vernünftigen Effekt zu haben, würde eine Zwangsimpfung der Mehrheit nötig sein. Ich selbst bin da aber so ehrlich und egoistisch: Wenn ich die Wahl zwischen einem ungetestet Impfstoff und einer Krankheit, die de facto ungefährlich für mich ist, wählen zu müssen, so würde ich mich immer mit der Kochsalzlösung "impfen".
Nun hat Telemesse gefragt, was ich bei dem ganzen Meckern denn machen würde, wenn ich König von Deutschland wäre? In Polen einfallen natürlich! Nein, dies war Plan 2. Ich würde das machen, was irgendwie keiner wirklich beherzigt. Statt "flaten the curve" wär einfach mal "raise the bar" angesagt. Nicht der Virus ist gefährlich, das zusammenbrechende Gesundheitswesen ist das Problem. Und hier wäre es doch mal ein sehr innovativer Ansatz, das Gesundheitswesen einfach fit für die kommende Aufgabe zu machen. Laut aktueller Studie geht man von circa 240.000 Krankenhausfällen innerhalb von 3 Monaten aus, würde man keinerlei Einschränkungen machen. Danach wären wir "durchseucht". Dies ist natürlich weitaus mehr als unser Gesundheitssystem momentan wegschaffen kann. Grob kann man also von 80.000 Fällen pro Monat ausgehen.
Nun könnte man ganz visionär versuchen provisorische Krankenstationen aufzubauen. Aber woher nur die Ärzte nehmen? 80.000 Kranke würde bei einem Arzt-Patientenverhältnis auf Intensiv wie momentan in Deutschland üblich knapp 7000 Ärzte bedeuten. Bei knapp einer halben Million Ärzte in Deutschland sicherlich ein nicht stemmbares Problem. Wir haben allein 2000 MKG-Chirurgen mit hervorragend intensivärztlicher Ausbildung. Alle in der Regel mit einem perfekten Team an Pflegern und Pflegerinnen. Da wäre unvorstellbar diese zwangszurekrutieren. Vor allem weil deren Entlohnung für die 3 Monate sicherlich alles sprengen dürfte, was wir jetzt an Hilfsmassnahmen zur Verfügung stellen. Und vor allem würden dann im Gegenzug Millionen lebenswichtiger Zahnimplantete nicht gesetzt werden, Tonnen an Fett nicht abgesaugt wird und wir alle an ausbleiben Schönheitslifts sterben. Wäre es zu viel von unserer Politk verlangt, einfach pro-aktiv zu handeln...


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