Thema:
Re:Wie handhabt ihr das nun mit der Wintermeisterschaft? flat
Autor: chifan
Datum:08.11.22 16:17
Antwort auf:Re:Wie handhabt ihr das nun mit der Wintermeisterschaft? von Faerun

>>>Mir fehlt bei der Anzahl der toten Arbeiter ehrlich gesagt die Kontextualisierung. 6000-7000 tote Menschen in 10 Jahren bei einer Bevölkerung von 2.9 Millionen (2 Mil vor 10 Jahren), von denen heute knapp 2 Millionen arbeitende Migranten sein sollen. Wie soll ich wissen, ob das viel oder wenig ist, wenn diese Zahlen nicht in Kontext gesetzt werden? Wie viele Tode wären bei guten Arbeitsbedingungen zu erwarten gewesen? Das Problem laut dem Guardian Artikel ist wohl, dass Todesursachen mangels Autopsien möglicherweise als natürliche Tode verschleiert werden. Das ist unschön, aber kein Beweis für Übersterblichkeit. Mich interessiert die WM nicht, aber ich finde den Umgang mit den Zahlen sehr unkritisch. Wie kann es sein, dass es keinen interessiert, ob 6500 Tode viel ist? Eine Mortalität von 0% über 10 Jahre gibt's vermutlich nicht mal unter Erstklässlern.
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>>>[https://www.theguardian.com/global-development/2021/feb/23/revealed-migrant-worker-deaths-qatar-fifa-world-cup-2022]
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>>Selbst wenn die Todesrate der Norm entspräche, wobei ich mir nicht anmaßen will, da irgendwas zu bewerten: Das ändert nichts an den Zuständen für diese Gastarbeiter bzw im Land. Kafala, katastrophale Unterbringung, Lohnsituation, Menschenrechte, Patriachart. Und die FIFA verdient damit Geld. Da vergibt man dann keine WM in so ein Land.
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>Das ist OK, aber findest du es nicht wenigstens etwas komisch, dass eine völlig unkontextualisierte Zahl (die möglicherweise auch mit Kontextualisierung nicht gut aussähe) so in den Vordergrund gestellt wird? Die 6500 Tode sind der Hauptgrund, warum die WM so kritisch beäugt wird oder nicht? Die Implikation ist, dass hier 6500 Menschen zu viel gestorben sind, dabei ist eine Sterblichkeit von 0% über 10 Jahren unmöglich. Einige von denen wären auch ohne schlechte Arbeitsbedingungen gestorben - wie viele Tode sind den Arbeitsbedingungen zuzuschreiben? Das ist doch die Frage, die relevant ist. Wie hoch war die Sterberate in Ländern mit besseren Arbeitsbedingungen im selben Zeitraum?
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>Die anderen Defizite rechtfertigen so einen unkritischen und IMO nicht ganz ehrlichen Umgang mit Zahlen nicht. Dass Katar die Zahl durch mögliche Verschleierung von unnatürlichen Toden (mangels Autopsie) sehr unzuverlässig gemacht hat, ist unschön, aber dann muss man auf Übersterblichkeit gucken. So einen unkritischen Umgang mit Zahlen hätte man im Kontext von COVID z.B. niemals akzeptiert.


Mit deinem Einwand bzgl. der Zahl(en) hast du natürlich recht und letztlich ist das Ganze auch ziemlich komplex zu bewerten. Es ergibt auch keinen Sinn, die Zahlen mit irgendeinem deutschen Standard zu vergleichen. Viel eher müssten bspw. die Unfälle auf den Baustellen in Katar ins Verhältnis zu den üblichen Zahlen vor Ort oder eher den Baustellen in den einzelnen Ländern aus denen die Arbeiter kamen ins Verhältnis gesetzt werden: waren diese in dem Fall höher oder niedriger? Wie viele Unfälle sind auf schlechte Arbeitsbedingungen, auf mangelnde Einweisung, wie viele auf Missachtung von Sicherheitsmaßnahmen, auf Leichtsinnigkeit zurückzuführen etc.

Ich habe mal was zur Bausicherheit in Nepal, wo viele Arbeiter herkommen, gefunden, auch wenn es über 10 Jahre alt ist:
[http://angelheaven411.blogspot.com/?view=classic]

Da wird bspw. ersichtlich, dass auch auf Grund des geringen Bildungsstandes das Bewusstsein für Sicherheitsmaßnahmen einfach ein ganz anderes ist und auch bei vorhandenen Sicherheitsausrüstungen diese oft nicht genutzt werden.

Das macht die Zahlen nicht besser gibt aber zumindest Erklärungen.


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