Thema:
Re:Dahmer - Netflix Serie flat
Autor: Knight
Datum:28.09.22 18:52
Antwort auf:Dahmer - Netflix Serie von Derrick

Wenn Dahmer eines nicht ist, dann eine generische Serienmörder-Biographie in bewegten Bildern. Nein, was Ryan Murphy und sein Team hier versucht haben zu erreichen, ist ein komplexer Blick auf Täter, dessen Umfeld, seine Opfer, die Gesellschaft und die Behörden. Das Vorhaben ist ihnen in grossen Teilen überraschend gut gelungen.

Allerdings hat dieses Vorgehen auch seinen Preis. So ist die Miniserie nicht gerade leicht zugänglich geraten. Die Handlung geht nur sehr langsam voran und die ersten Episoden verlangen einiges an Geduld vom Zuschauer. Einige Charaktere werden nach und nach eingeführt und für deren Aufbau sowie der Beziehung untereinander lässt man sich Zeit, viel Zeit.
Daneben ist auch der Ton äusserst unangenehm und stellenweise ist das Geschehen nur schwer zu ertragen. Das liegt aber nicht an überzogen dargestellter Gewalt, sondern am generellen thematischen Inhalt des Ganzen. Hier wird nicht beschönigt, wer oder was Jeffrey Dahmer war. Dabei scheut man sich auch nicht, in die Psyche von ihm abzutauchen und uns zu einem Teil seines Alltags werden zu lassen. Streckenweise verfolgen wir beinahe voyeuristisch jeden seiner Schritte.

Evan Peters liefert eine starke darstellerische Leistung ab. In den vielen ruhigen Phasen, in denen Dahmer eher zurückhaltend und manchmal schüchtern erscheint, genauso wie in jenen, in denen er wie ein auf der Lauer liegendes Raubtier wirkt. Zum Ende hin gab es sogar Momente, wo ers geschafft hat, das unschuldige Kind in der Figur hervorzuholen - das fand ich sehr beeindruckend.
Hervorragend und nicht weniger eindrucksvoll war Richard Jenkins Darstellung von Dahmers Vater. Er dient als emotionaler Ankerpunkt, teilweise als Gewissen und Identifikationsfigur. Mehr als einmal wollte ich ihn einfach nur in die Arme schliessen, um ihm etwas Trost zu spenden.

Dahmer ist möglicherweise der realistischste Einblick in das Wesen eines Serienmörders. Dabei vergisst die Serie aber auch die Opfer nicht und zeigt ausserdem, wie verrottet auch die Behörden sein müssen, um einem solch kranken Menschen nicht schon viel früher das Handwerk zu legen.
Der Einstieg fällt sehr zäh aus und etwas gestraffter hätte die Erzählung ebenfalls sein dürfen. Im Kern aber ein interessanter und komplexer Blick auf einen Serienmörder und dessen Umfeld.


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