Thema:
原子力戦争 Lost Love (1978 Japan) flat
Autor: KikjaR
Datum:17.08.22 15:19
Antwort auf:Filme / Serien aus Ostasien - China, HK, Japan, Korea von chifan

An der Ostküste der Tohoku Region werden zwei Leichen(Mann/Frau) an den Strand angespült. An den Handgelenken sind sie mit einem Band zusammengebunden, was die Polizei daraus schließen lässt, dass hier ein Paar gemeinschaftlichen Suizid begangen hat.
Nur kurze Zeit später taucht der zwielichtige Zuhälter Sakata aus Tokio in dem nahegelegen Fischerstädtchen auf, um nach seinem „Mädchen“ zu suchen, dass plötzlich verschwunden ist. Als er begreift, dass der angeschwemmte Körper die gesuchte Nozomi ist, kann und will er die offiziellen Todesumstände nicht akzeptieren und ermittelt auf eigene Faust und mit Unterstützung eines örtlichen Journalisten zu den Hintergründen ihres Todes und des Mannes, der bei ihr war. Sein unorthodoxes Auftreten erweckt bald die Aufmerksamkeit von Leuten, die ganz eigene Interessen daran haben, das Sakata in der Gegend keinen Staub aufwirbelt.

Dieser etwas antiquiert wirkende Thriller um die Suche nach den Hintergründen eines zuerst undurchsichtigen Verbrechens ist imo eine schonungslose Abrechnung mit einem kontroversen Thema, dass damals noch relativ neu aber nicht unumstritten war und erst Jahrzehnte später seine drastische Konsequenz in einem gänzlich anderen Zusammenhang fand.
Es geht um die Gefahren des Einsatzes von Nukleartechnik zur Stromgewinnung mit Blick auf seine wirtschaftlichen, politischen und sozialen Auswirkungen auf die Menschen und Region, die davon profitieren und/oder beinflusst werden, und natürlich um die Gefahren der Kernspaltung.
Das im Film adressierte und auch in unheilvollen Aufnahmen gezeigte Kernkraftwerk ist Fukushima Daiichi, dass damals zur Filmentstehung bereits 7 Jahre seinen Dienst versah und mit der weiteren Inbetriebnahme von Reaktorblock 6 ein Jahr später 1979 zum seinerzeit größten Kernkraftwerk der Welt aufstieg.
Was der Film im Zusammenspiel mit der persönlichen Suche Sakatas nach der Wahrheit immer mal wieder einstreut sind Fakten und Äusserungen die sehr Nahe an der Realität sind und sich eben später im Lauf der Zeitgeschichte als nicht aus der Welt gegriffen herausstellten.
Neben anderen Sachen wie Korruption, Macht und Machtlosigkeit wird auch ein möglicher Kritikalitätsunfall[https://de.wikipedia.org/wiki/Kritikalität#Kritikalitätsstörfall] thematisiert, der aufgrund der Bauweise der Reaktorblöcke nicht unwahrscheinlich erschien und wohl damals nicht nur in Japan für viel Befürchtung sorgte.
Im ein Jahr später entstandenen und international bekannteren amerikanischen Film „China Syndrome“ war das ebenfalls Grundlage der Geschichte.
In „Lost Love“ wird dieser Aspekt hintenraus in einem Gespräch mit dem Journalisten und einem Atomwissenschaftler erläutert und heruntergespielt, der aber auch die damalige Alternativlosigkeit für Japan andeutet, die sich aus der sonstigen Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen ergibt.
Und daneben speist sich die Aktualität und vorallem Zeitlosigkeit von „Lost Love“ auch aus den Ereignissen, die erst später an die Öffentlichkeit gelangten bzw. eintraten, die das Kernkraftwerk Fukushima Daiichi letztlich zu einem zeitgeschichtlichen technischen Mahnmal werden ließen.
Anfang der 2000er wurde bekannte, dass TEPCO Testberichte zu ihren Kernkraftwerken gefälscht hatte und 2007 ist rausgekommen, dass es im Jahre 1978 einen kritischen Vorfall in Reaktorblock 3 gab und dieser vertuscht wurde, also zu der Zeit in der der Film entstand.[https://www.reuters.com/article/japan-tepco-nuclear-idUKT16854920070322]
Und dann ist da eben die Tsunamikatastrophe 2011, die zu dem bekannten Nuklearunfall in Fukushima führte.
Das wirkt im Film beim Schauen der alten Aufnahmen des Kraftwerks so unwirklich wie unheimlich. Der Film illustriert szenisch und im Ablauf zwar nicht immer deutlich das ihm beruhende Anliegen, aber im Subtext und zwischen den Zeilen ist es unverkennbar, worauf er hinaus will. Das zeigt sich in der Mitte des Films, wo er die vierte Wand durchbricht und Sakata die Grenze zwischen Fiktion und Realität überschreiten und austesten lässt. Fand ich überraschend wie nachdrücklich, so wie das ungewöhnliche Ende.
4/5

[https://youtu.be/oH1rWdYnKsw]
[https://i.imgur.com/IezvEGa.jpg]

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