Thema:
Light-Version von BANSHEE mit 80er Held flat
Autor: HomiSite
Datum:09.02.22 19:31
Antwort auf:Reacher [Serie, Amazon] von Fred LaBosch

Nach den durchaus positiven Stimmen hier habe ich mir REACHER jetzt auch gegeben und die 8 Folgen dann fast "gebinget". Es hat auf jeden Fal Spaß gemacht, aber ich stehe auch auf US-Kleinstadt-Gedöns. Hier wird daran ja ungefähr gar nichts variiert und schlussendlich ist nicht die Frage, wer Schurke ist, sondern wer nicht. Der Plot ist dabei verschlungen genug, vielleicht gegen Ende sogar mit ein paar Volten zu viel (ich wusste teils gar nicht mehr, von wem genau gerade die Rede ist :-D).

Aber deswegen schaut man Serien wie REACHER primär wohl nicht, sondern weil man sehen möchte, wie übermächtige Schurken aufs Maul kriegen! Die Buchvorlage kenne ich nicht, also ist es mir auch egal, wie werkgetreu es ist, auch bezogen auf Hauptdarsteller Alan Ritchson. Wie der mit schmalen Augen den leicht schelmischen 80er Arnie gibt und ohne je zu wanken seine Feinde durchschaut, durchsiebt oder durchbricht, ist schon recht erstaunlich! Dazu seine absurde Statur mit aufgepumpten Armen, die immer etwas vom Körper abstehen, sodass er mir manchmal wie eine proportional leicht verunglückte Renderfigur aus irgendeiner Gaming-Zwischensequenz vorkam.

Ohne die anderen Haupt- und Nebenfiguren würde die Serie aber nicht so funktionieren: Charismatische und/oder markante Schauspieler (z.B. Chris Webster) und ein kongenialer Reacher-Gegenpart mit Malcolm Goodwin als steifer Cop. Buddy-Action der ganz alten Schule, wobei die beiden dann doch erstaunlich selten zusammen agieren. Ihre kurzen Wortgefechte haben mich aber stets amüsiert - ich mochte generell das Gekabbel der Figuren. Nicht so richtig überzeugt wurde ich durch die agierenden Frauen, auch weil die Serie dramaturgisch im Mittelteil danebentritt (s. im Spoilerteil unten).

Wo REACHER dann leider etwas schwächelt oder sich zu lange Atempausen könnt, ist die schon mehrfach angesprochene Action. Natürlich bricht er ziemlich cool diverse Knochen mit Ellbogenschlägen, aber nicht sooo häufig. Die Inszenierung der Kämpfe geht insgesamt in Ordnung, reißt aber auch keine Bäume aus und nicht übermäßig mit, besonders die etwas laschen Schießereien (v.a. wenn man gerade BLACK SUMMER gesehen hat). Ich habe im Titel die wahrscheinlich immer noch einzigartige Actionserie BANSHEE erwähnt, die ein vergleichbares Setting hatte, dieses aber stark überzeichnete. BANHEES Wahnsinn fehlt REACHER, dieses sich Hingeben in Brutalität, Sleaze und überlebensgroßen Gegenspielern ("ein Held ist nur so gut wie sein Gegner").

Es mag auch an Reacher selbst liegen, weil der Charakter halt mit einer Kompetenz ähnlich seiner Muskelberge berechnend und planend eigentlich immer Herr der Lage bleibt, aber das ist dann auch etwas schade bis öde. Sinnlose Gewalt wird stattdessen sogar in den Offscreen ausgelagert bei brutalen Morden, die mich oft ziemlich kaltließen (nicht dass ich das hätte sehen müssen).

Die unten im Thread diskutierte Selbstironie oder deren Fehlen störte mich nicht, wobei ich es nicht einfach finde, da zwischen Tonfall der Serie und Auftreten der Hauptfigur zu unterscheiden. REACHER/Reacher ist ja zumindest alles andere als bierernst. Das Verhältnis zu Gewalt als Lösung und auch die Darstellung von Trauer wäre aber interessant zu untersuchen.

Unterhaltsame Actionserie, ich freue mich durchaus auf die nächste Staffel. Aber man sollte dann noch ein paar Schippen an Krawall drauflegen.

Ein paar inhaltliche Spoiler:



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