Thema:
Zum Thema Erotik als Ansatzpunkt für Kritik flat
Autor: tHE rEAL bRONCO 2ND
Datum:15.10.21 11:07
Antwort auf:Bond 25: No Time To Die (2020) von Knight

Hallo suicuique - ich war dir da noch eine Erklärung schuldig :-)

Achtung: Wer den Film nicht kennt und selber weiterliest ist selbst schuld, ich werde Spoiler nicht markieren!

Ausgangspunkt meiner Aussage "wie Regisseur und das Drehbuchteam das Thema Erotik verhandeln ist ein legitimer Ansatzpunkt für Kritik ist" war ja der Beitrag von Wolfgang M. Schmitt, der ihn auch als Jammerlappen-Bond bezeichnet. Und Erotik ist hierbei ein imo sehr weit gefasster Begriff, speziell die hier von Schmitt gar als "exotisch" bezeichnet wird.

Nun, ist der Film wegen der Erotik und wie diese verhandelt wird schlecht? Nein, auf keinen Fall! Diese Antwort habe ich eher für die anderen Mitleser eingefügt, denn mir geht es auf keinen Fall darum, die Probleme des aktuellen Bond-Streifens auf die Darstellung der Erotik zu reduzieren. Für die Probleme sorgen ganz andere Dinge, speziell die maximal durchschnittlichen Fähigkeiten des Regie-/Drehbuchteams, wie deren Vita anschaulich beweist. Ist die Darstellung von Erotik und Liebe (seien es eine Abfuhr von potentiellen Bondgirls oder Familienpapa Bond) allerdings eine Möglichkeit, die Probleme von No Time to Die zu verorten? Hell yeah :-)

Was macht denn eigentlich die Faszination James Bond aus? Frauenschwarm, Geheimagent, die Lässigkeit in Person - etwas dass man selbst in diesem Ausmaß nie selbst erleben wird. Natürlich gibt es noch mehr, doch darunter würde ich das von Schmitt als "exotisch" titulierte Element eines jeden Bond verstehen wollen. Jede Zeit hat ihren Bond, und was damals funktionierte wird so heute nicht mehr gehen. Das ist alles soweit nachvollziehbar. Doch der Regisseur und die Drehbuchmenschen machen in diesem Bond etwas ganz Interessantes, etwas sehr Riskantes. Und in meinen Augen scheitern sie hierbei grandios. Denn Bond ist längst nicht mehr auf diesem Podest, er ist nicht mehr der Held des Publikums, er ist nicht mehr dieser makellose Geheimagent - jetzt ist er einer von uns. Er trauert um Vesper, zeigt Emotionen und muss sich mit Zurückweisungen abfinden. Das traditionelle Bild eines starken Mannes wird nicht nur dekonstruiert, es wird mit dem Vorschlaghammer eingerissen. Mein Punkt ist nicht, dass Wandel per se schlecht ist, es ist viel mehr die Art und Weise wie es No Time to Die versucht. Denn was durchaus gelingen kann (ich persönlich will auch keinen Bond aus den 70ern mehr sehen), wurde hier auf dem Level von Filmanfängern (z.B. der Film ist zu lang, hat massive Probleme beim Pacing) und Möchtegerns versucht: Man wollte aus Bond einen nahbaren Agenten machen, der sich auch längerfristig verlieben kann, sesshaft werden möchte usw. - und das geschah leider auf Rosamunde Pilcher-Niveau.

Was hat nun die Erotik damit zu tun? Nun, hier ein paar kurze Beispiele um meine Punkte zu untermauern:

1) Die Szene mit der mexikanischen/kubanischen/peruanischen Agentin (habs ehrlich gesagt vergessen): Das war richtig gut gemacht. Witzig, frech, es wird ein starkes Frauenbild vermittelt, und Bond blitzt bei ihr ab. Doch die ganze Szene wirkt homogen, das Zusammenspiel der beiden Charaktere stimmt und macht Lust auf mehr. Doch da spielt der Film nicht mit.

2) Im starken Gegensatz dazu die Szenen mit der neuen, jungen, schwarzen 007 mit Kurzhaarfrisur. So wie sie darsgestellt wird war das maximal unsympathisch. Und nein, ich meine nicht wie sie Bond zurückweist. Dies kennt dieser schon, das ist ja das Thema des Films und auch bei anderen Filmen mit Craig als Bond. Da versucht der Film krampfhaft, den Konkurrenzkampf zwischen neuer 007 und altem Macho-007 als Generationen- und Geschlechterkonflikt zu inszenzieren, nur um am Ende alles fallenzulassen. Die Szene in der sie sinngemäß meint, "James, it's yours, you can have it back" und ihm dann einfach so das 007-Kürzel überlässt, hat das wieder alles eingerissen was vorher aufgebaut wurde. Es war unbefriedigend, weil die Botschaft dahinter einfach keinen großen Sinn ergibt. Und das meinte wohl auch Schmitt: Erst wird alles lange aufgebauscht, James ist auf dem Abstellgleis, ein "Jammerlappen" also doch am Ende - ohne große Not - "müssens doch wieder die Männer richten." Dadurch wirkte der ganze Handlungsstrang um das 007-Kürzel einfach nur billig, wie ein Marketingvehikel um die Ewiggestrigen zu ärgern - aber zu feige um all-in zu gehen. Tja. Verschwendete Gelegenheit.

3) James ist jetzt Papa. Ich weiß nicht ob ich jetzt noch ausführen soll, warum dies der "exotischen" Erotik schadet. Das ist langweilig, das ist nicht Bond, das ist einfach der Average Joe, der sich um seine Family sorgt. Könnt ihr gerne anders sehen aber sowas will ich nicht in einem Bond haben. Und es funktioniert imo auch nicht. Craig ist ein Türsteher-Bond, die Chemie mit Lea Seydoux war schon in Spectre irritierend.

Für sich gesehen können solche Elemente durchaus mal frischen Wind in eine Reihe bringen. Doch in No Time to Die geht es auf Kosten der Spionage und des traditionellen Bösewichts. Rami Malek ist toll (keine Ahnung ob man diese Performance auch auf Deutsch synchroniseren kann?), ich mag Christopf Waltz nicht sonderlich aber auch er ist gut. Nur was bringt das, wenn ihnen kein Raum, keine nachvollziehbaren Motivationen und kein spannendes Drehbuch geliefert werden? Nichts. Stattdessen wird Bond jegliche Mystik geraubt. Wenn ich sowas sehen will, schau ich ORF2 mit irgendwelchen seichten britischen Dramen oder lausche gespannt Von Diesels Lippen in F&F, wie er sanft das Wort "Familie" haucht.


< antworten >