Thema:
Re:Was ist los mit euch? flat
Autor: token
Datum:25.08.21 12:29
Antwort auf:Was ist los mit euch? von waldmeister

Also ich mag auch die zweite Staffel, aber der Unterschied in Sachen Spannungsfelder im Vergleich zur ersten ist nicht gerade subtil, und manche Lösungen auch recht bescheuert lazy written.
Zu sagen, das stört mich nicht, ist ja legitim, da hier aber diverse Posts dieses Phänomen auch recht griffig herauszeichnen finde ich schon dass selbst wenn man sich nicht daran stört, dennoch nachvollziehbar transparent wird woran man sich stört, und dass diese Dinge keine Einbildung sondern das Resultat eines spürbar flacheren Angangs sind.

Allein Ted stand in Staffel 1 unter emotionalem Dauerfeuer aus allen Richtungen. Scheidungsflucht und die emotionalen Schmerzen seine neue Rolle zu verarbeiten und mit der Distanz zu allem was er nach wie vor liebt unter einen Hut zu bekommen. Kein Standing und kein Know-How. Interne Sabotage. Und Misserfolge noch und nöcher.

Das, was mich seinerzeit so positiv ergreifen konnte, war einen Ted zu sehen, dessen Probleme und Sorgen ich in allen Facetten nachfühlen konnte, und dann so eine Art zu sehen, wo sich jemand unter so einem Dauerfeuer seine positive Menschlichkeit wahren kann ohne dass sowas ein Selbstläufer ist. Und damit eben nicht folgerichtig zum Arschloch zu werden, sondern mit seiner Herzlichkeit die er auch gegen diesen Druck aktiv verteidigen muss, an allen Flanken Zugriff bekommt.  

DAS war eine Message die mich immer wieder so ergreifen konnte dass ich manchmal vor Glück weinen musste und mich gefragt habe, warum können wir nicht alle ein wenig mehr wie Ted sein. Und jede Folge so war als würde man sich in eine Kuscheldecke schmiegen. Und ALLE Schlüsselfiguren waren innerlich irgendwie zerissen und waren mit Sorgen konfrontiert auf die es keine einfachen Antworten gibt.

Eine Serie wie Ted Lasso richtet in meinen Augen das Scheinwerferlicht auf die alltägliche Anforderung, die ein jeder kennt, im Wirbelsturm des Lebens eine Form innerer Balance zu finden bei der man es schafft sich selbst im Hinblick darauf was man gerne für ein Mensch wäre, treu zu bleiben.
Und Balance heißt, etwas hat genau dann ein hohes Gewicht, wenn es dazu auch entsprechende Gegengewichte gibt.

Das Sammelsurium an Sorgen aller Beteiligten war ein roter Faden der vom Start ins Ziel ging. Da war eine Linie die auch nicht in Folgen verhackstückt wurde.
Wer hat denn im Vergleich zu Staffel 1 noch irgendeine Form von Sorge, die im Vergleich mit den Reibungen der ersten Staffel nicht als Lappalie erscheint?
Und selbst wenn sich das Skript für einen kurzen Moment traut etwas zu tun was Staub aufwirbeln kann, etwa die Rückkehr von Jamie mit impliziten Wortbruch von Ted, ist 15 Minuten später schon wieder alles gelöst, und das, ohne dass es überhaupt den folgerichtigen Konflikt wirklich gegeben hätte.

Und dieser grundlegende Ansatz dass alles viel seichter und naiver ist, sich nicht mehr anfühlt wie ein Ausschnitt aus dem Leben sondern eine Feelgood-Konstruktion die eher an so Sitcoms wie Full House erinnert, wohingegen Staffel 1 ein wenig mehr Roseanne war. Ein persönlicher Tiefpunkt war dann die Geschenkeaktion, weil's dann halt auch so unreflektiert drüber war, wenn die "gute Tat" so ausschaut, dass man Eigenheimbesitzer ankurvt und die mit Säcken versorgt, wo jeder einzelne wohl ein ganzes Kinder- oder Obdachenlosenheim bespaßen könnte. Das ist für mich eines der ganz klaren Symptome dafür, warum Staffel 2 sich genau von dem entkoppelt hat, was Staffel 1 so RICHTIG ausgezeichnet hat, nämlich Herzlichkeit und echte Probleme unter einen Hut zu bekommen, Ted Lasso Staffel 2 ist eher ein Disneyland der Sorgen.

In Staffel 1 hat sich Ted einem Krieg gestellt und einen Kampf geführt, nur war sein Schild ein unerschütterliches Herz und sein Schwert war Liebe und Freundlichkeit. In Staffel 2 stellt sich Ted vor die Mannschaft, und sagt:
"Alles wird gut." That's it. Alles wird gut. Weitermachen.
Und das stimmt halt nicht. Es wird eben nicht alles gut, ohne dass man dafür auch was tut. Und diese Reibung die menschlicher Größe überhaupt erst Gewicht gibt, welche für mich die auch größte Stärke ausgemacht und dazu gebracht hat hier und da auch über mich selbst nachzudenken, die fehlt.


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