Thema:
Krokant: Persönlich fand ich die Serie rassistisch flat
Autor: 677220
Datum:29.04.21 18:34
Antwort auf:Beforeigners [Mystery/Zeitreise-Krimiserie] von HomiSite

Spoiler: Es ist recht wahrscheinlich, dass ich die Serie missverstanden habe?

Aber nun zu meinen steilen Interpretationen:

Habs letzte Woche schon gesehen. Das ich nichts drüber gepostet habe, bis jetzt, zeigt schon, das es für mich nicht der Überhit war, dass liegt an zwei Punkten:
- rein von der Handlung her ist es doch recht spannungsarm und ohne echte Twists
- es ist eine HBO-Serie über ein gesellschaftlich-politisches Thema (in Europa)

Zum zweiten Punkt möchte ich ein bisschen was schreiben, auch wenn ich mit meiner Meinung wohl alleine stehe; ich habe weder in den deutschen Rezensionen noch über die Suche via "Meta-Kritik"-Seiten was gefunden, das meinen Eindruck unterstützt.

Zunächst einmal: Ja, es ist eine Satire auf die Einwanderung im Zuge der Flüchtlingskrise nach Europa, aber eben aus der typischen HBO-Sicht, die den vorherschenden amerikanischen Blick auf die Welt widerspiegelt.
Ich finde ich einigen Details versteckt sich hinter der Satire ein gewisser Rassismus. Etwa, dass ein Teil der Zeitmigranten aus der sozusagen Steinzeit kommen und entsprechend "dumm" sind, Ziegen in ihrer Wohnung schlachten - letzteres ist ja auch eine rassistische Moslem-Legende. Natürlich dealen sie auch mit Drogen und bilden Paralellgesellschaften, hassen die christliche Religion und sind sich der Überlegenheit ihrer eigenen Reliogion sicher.

Das Individuum Migrant wiederum ist natürlich wundervoll, und so baut der Protagonist zu dem Steinzeit-Nachbar auch eine wundervoll paternalistische Beziehung auf, ganz so, wie der menschenfreundliche Konservative seine schwarze Haushälterin ja irgendwie auch als Familienmitglied sieht.
Einige Kritiker sagen, die Serie lege versteckten Rassismus offen, dabei geht es meiner Meinung nach aber um andere Szenen als die obigen.

Gerade zu Beginn hatte ich damit etwas Probleme, aber da ich damit alleine dastehe, ist es vielleicht meine persönliche Wahrnehmung mit der ich konfrontiert werde, was ja wiederum ein Qualitätsmerkmal wäre.

Diese persönliche Auseinandersetzung mit der wahrgenommenen HBO-Weltdeutung mal außen vor, handelt es sich um eine als Gesamtwerk auf jeden Fall gute Serie. 8/10

Um den Bogen zum Eingangs-Spoiler zu spannen:
- Ja ok, das Ziehen schlachten und Drogen dealen kann man als Konfrontation mit latentem Rassismus verstehen
- Ja, die immer wieder gezeigten "Märkte" der Migranten können eine kulturelle Bereicherung (im Wortsinn, nicht als Kampfbegriff) darstellen, die nicht angenommen wird
- Ja, die in Parks campierenden Zeitmigranten können Ausgegrenzte statt einer Paralellgesellschaft sein.

Was aber ist mit der doch recht deutlichen und abschließend nochmal unterstrichenen These des Kulturkampfes? Hier scheint dann letztlich doch vorzuscheinen, dass es im Grunde eher um eine Bejahung des Clash of Cultures geht, als um ein europäisch-liberales Weltbild.


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