Thema:
0,5mm (2014), Japan [JFF] flat
Autor: Ihsan
Datum:04.03.21 08:05
Antwort auf:Filme / Serien aus Ostasien - China, HK, Japan, Korea von chifan

OK, ich nahm mir gestern die Zeit für 0,5mm, und ich muss gestehen, ich habe es bereut.
Nicht, weil der Film schlecht gewesen wäre - nein! - sondern weil er mich erst spät Nachts entlassen und dann dennoch quasi die ganze Nacht wach gehalten hat.

Sawa (herzerweichend gespielt von Sakura Ando) arbeitet als Betreuering für (pflegebedürftige) Senioren. Nach einem (unmoralischen) Angebot der Tochter eines Ihrer Schützlinge, welches in fast schon Slapstick-hafter Manier in Brand, Selbstmord und Sawas Arbeits- und Obdachlosigkeit mündet, beginnt sie damit, alleinstehenden älteren Herren quasi aufzulauern und sich in deren Leben hineinzu-zwingen.

Was zunächst als Plot einer Ausnutzungs-Geschichte wahrgenommen werden könnte, wird schnell widerlegt, Sawa nutzt zwar eine forsche und amoralische Art, sich in das Leben Ihrer "Opfer" zu zwängen, ist aber im Grunde doch ein herzensguter und hilfsbereiter Mensch, die am Ende der jeweiligen Beziehungen selbst wenig besser als zuvor dasteht, aber einen erheblich positiven Eindruck hinterlassen hat.
Der Film besteht im Prinzip aus Dreien (bzw. Vieren) solcher Begegnungen, die sukzessive länger werden und umfangreicher in Ihrer Geschichte werden:
Zu Beginn nur eine kurze Nacht in einer Karaokebar, dann ein paar Tage bei einem vereinsamten Automechaniker (Toshio Sakata) und zuletzt mehrere Wochen bei einem (von Masahiko Tsugawa HERAUSRAGEND gespielten!) ehemaligen Professor und seiner dementen Frau.

Die episodenhaftigkeit des Filmes liess in mir kurz das Gefühl aufkommen, hier könne man sicher auch eine schöne Serie herumstricken (so "Ein Engel auf Erden"-mässig), aber im Hinblick auf den Umfang, den Geschichte 3 einnimmt, ja einnehmen muss, wäre das wohl so nicht sinnvoll gewesen.

Diese dritte Geschichte war es auch, die mich am längsten beschäftigt hat, hier findet - nach etwa zweieinhalbstunden des Filmes - ein stilistischer Bruch statt, der mich während des Zusehens völlig irritiert hatte, aber im Nachgang seinen Effekt voll entfalten konnte: , völlig unvermittelt, beeindruckend dargestellt und mitreissend in seiner Wucht.

Doch wo der Film enden könnte (es gibt sogar ein paar passende Blenden, typisch japanisch, wohl), schließt er nun noch einmal den Bogen zu seinem Beginn und was zunächst ebenfalls ein bisschen wie ein Fremdkörper in einer an sich harmonischen Geschichte wirkt, bekommt in den letzten Minuten einen würdigen Abschluss.

So bleibt schließlich der Titel des Filmes als Zitat des Professors: Sawa hat in Ihrer Geschichte sicher mehr als diese 0,5mm eines Berges bewegt, und wenn alle Menschen diese 0,5mm bewegen würden, so würde auch der Berg als ganzes verschoben.

Ein großartiger Film, ich war durchwegs gespannt wie es weitergeht, und das ist bei einem >3h Werk sicher keine kleine Leistung.

Heute noch bis 11 verfügbar, also müsste man jetzt schon sofort loslegen wenn man ihn noch sehen möchte:
[https://watch.jff.jpf.go.jp/film/0-5mm/]


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