Thema:
Nicht so schlecht! flat
Autor: HomiSite
Datum:27.01.21 16:03
Antwort auf:The Watch - Terry Pratchett | Scheibenwelt Serie (BBC) von gameflow

So, ich habe jetzt die aktuell fünf von wohl nur acht Episoden von THE WATCH nachgeholt. Meine Meinung dazu ist ... ambivalent. Aber fangen wir vorne an.

Meine unmittelbare Scheibenwelt-Erfahrung liegt ja schon Jahrzehnte zurück und so musste ich mich hier bereits darüber belehren lassen, dass mit der Zeit immer mehr moderne Technik in die Scheibenwelt eingeführt wurde. In meiner Vorstellung ist es dann aber immer noch eine Fantasy-Welt mit eben magischen Filmkameras etc. oder vielleicht Steampunk (also ein paar irdische Jahrhunderte später).

Vielleicht hatte BBC America nun nicht die Fähigkeiten, wie die Briten aus überschaubaren Budgets glaubwürdige Historiensettings zu kreieren. Und für volle Fantasy reichte des Geld wohl auch nicht, da man das 1989er Buch WACHEN! WACHEN! und andere (DIE NACHTWÄCHTER von 2002 laut membran) verarbeiten wollte (schon wieder? Man denke ans DISCWORLD-Game) und daher regelmäßig Drachen-CGI benötigt.

Der Kniff: Die Scheibenwelt wird kommentarlos ungefähr in die 1960er Jahre der Erde verlegt, erleichtert um die meiste zeitgenössische Technik (entlastet das Ausstattungsbudget). In der hier im Thread schon diskutierten Rockband-Folge stehen ganz normale Marshall-Verstärker herum!!! ()

Aber da gibt's ja leider den Troll Detritus in der Stadtwache - wird früh budgetschonend getötet, wie membran schon erwähnte. Lady Ramkin (Käsedick) hat eigentlich zig kleine Drachen? Ne, jetzt nur noch einen, der ungefähr zeitgleich mit dem Ausscheiden Detritus' auch nicht mehr direkt zu sehen ist. Angua ist eine Werwölfin? Pah, Kontaktlinsen und etwas Haare im Gesicht reichen für die paar Sekundenbruchteile, die die Kamera draufhält. Das so eingesparte Geld geht dann in Komparsen, die man in Lumpen hüllt und hinter Wochenmarktstände verfrachtet - so wirken die Straßen doch überraschend belebt. Sobald es aber in Richtung Fantasy-Outfits geht (Goblins, Partizierwachen etc.), ist man qualitativ zurück in zweit- bis drittklassigen Filmen und Serien der 80er und 90er.

Die Wache selbst wird personell zusammengestrichen und dann geht ja heutzutage anscheinend nichts ohne plakative Diversität. Der weibliche Zwerg Cheery Littlebottom (Grinsi Kleinpo) wird zu einem nonbinären und einfühlsamen Menschen inklusive entsprechendem Schauspieler, wie ich gerade lese; insgesamt passt das schon irgendwie zum recherchierten Buch-Outing des Charakters, aber wirkt trotzdem aufgesetzt (zumal später unbeholfen auf bärtige Frauen verwiesen wird!). Lord Vetinari wurde übrigens zur Frau, dachte ich zumindest, aber scheint auch nonbinär sein zu sollen: Es werden sowohl männliche als auch weibliche Personalpronomen benutzt. Und Antigua hat ein Aussehen irgendwo zwischen Klischeelesbe und Grufti.

Lady Ramkin ist "jung, schlank und quasi Batwoman", wie membran passend schrieb. In den Büchern war sie doch gar nicht so aktiv, oder? Hier ist sie alsbald das vielleicht schlagkräftigste Mitglied der Wache. Entsprechend der Buchvorlage trägt sie anfangs eine Perücke über einer Glatze (ohne Erklärung), nur scheint mir das mittlerweile auch fallengelassen worden zu sein. Und Richard Dormer als Wachenchef Vimes (Mumm) scheint Overacting neu definieren zu wollen ...

Aber, um diese endlose Vorrede abzuschließen, insgesamt finde ich die Truppe für sich genommen gar nicht so schlecht. Vielleicht ist es einfach der lange zeitliche Abstand meinerseits zur Vorlage. Die Charakterzeichnung ist aber in der Tat holzschnittartig bzw. kippt die Serie in der bisher lahmsten Folge 5 die Hintergründe für fast alle Figuren auf einmal über den Zuschauern aus.

Dieses bizarre Fantasy-60er-Setting finde ich anstrengender, aber weil es komplett schmerzbefreit durchgezogen wird, hab ich mich fast damit arrangiert. Gut ist das alles absolut nicht und als Fan der Buchscheibenwelt ein Schlag in die Magengegend oder darunter, aber ich nehme es hin.

Die Geschichte an sich als polizeiliche Ermittlung in einem politischen Minenfeld aus eigentlich unantastbaren Gilden, einem übermächtigen Herrscher und neuen Regelbrechern (BTW: Bianca Simone Mannie <3) funktioniert bisher.

Zum Abschluss zur Witzigkeit: Terry Pratchett hat sicher nicht nur dem hintersinnigem Humor gefrönt, aber THE WATCH ist davon weit weg. Ich habe mich etwas an die mittlerweile abgesetzte Science-Fiction-Serie VAGRANT QUEEN (s. ) erinnert gefühlt: Hier wie dort wird mit bunten Texteinblendungen gearbeitet, vieles ist schrill überdreht bei ernstem Kern, die schrägen Figuren interagieren recht launig miteinander und wenn jeder zweite Gag sitzt, kann man schon froh sein. Das Motto ist dabei eher "Stumpf ist Trumpf" (inkl. Popsongs), aber ich musste alle ein, zwei Augenroller halt auch lachen - und ich bin kein Fan von Blödelhumor!

Kann ich also THE WATCH entgegen der Meinung hier doch empfehlen? Natürlich nicht! Wie man sich allein beim Setting und den Figuren so gegen den Strom bzw. die Vorlage positionieren kann, ist mir unbegreiflich (aktuell 4,7/10 bei IMDb)! Zum Ausgleich müssten die Veränderungen für sich bestehen, das tun sie wenn überhaupt nur bei einigen Figuren, finde ich. Oder der Humor müsste nonstop liefern, was ja beileibe nicht passiert. Aber THE WATCH stolpert verwirrt wie Richard Dormer als Vimes durch die Gegend, ohne recht zu kapieren, was abgeht - und das ist dann doch irgendwie unterhaltsam! :-)


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