Thema:
Re:Stimme zu. vieles wirkt zu konstruiert fürs Drama flat
Autor: heffer
Datum:12.09.20 00:28
Antwort auf:Re:Stimme zu. vieles wirkt zu konstruiert fürs Drama von Droog

>Für die Philosophie der jeweiligen Karateschule mag das gelten, aber findest du, dass Robby wirklich als durch und durch guter Junge dargestellt wurde? Seine Vergangenheit (stehlen, betrügen) spricht eine andere Sprache.

Von der distanziert er sich aber sehr deutlich, insbesondere als seine alten Kumpels Daniels Laden überfallen wollen und er sich ihnen in den Weg stellt.
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>Und im Grunde ist es doch typischer Tropus, das dass erste Duell in Martial Arts Filmen oder Serien meistens der Antagonist für sich entscheidet(Rocky, Undisputed)
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Rocky kannst du mit Robby aus Cobra Kai nicht vergleichen; in Teil 1 ist Rocky ein Straßenkämpfer, der gegen den Weltmeister antritt. Underdog wäre eine Untertreibung. Dass er am Ende nur nach Punkten verliert, macht den Film beinahe zu einem Märchen. Die Zuschauer feiern Rocky als Sieger und als solcher sieht er sich am Ende auch. In Rocky Balboa passiert das Gleiche: er tritt quasi als Rentner gegen den Weltmeister an und verliert nur haarscharf nach Punkten.

In Cobra Kai hingegen nehmen Robby/Daniel die Niederlage tatsächlich voll als solche wahr und damit endet die Staffel auch.

Dass der "Gute" in Kampfsportfilmen alter Schule den ersten Kampf gegen den Antagonisten verliert, stimmt. Den letzten Kampf gewinnt er dann aber eben doch, häufig auch nach Training von einem neuen Mentor.
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>>Andere Klischees werden um neue Aspekte bereichert, zB bei Hawk, der nicht einfach nur ein Handicap hat, das er im Laufe der Geschichte ablegen kann, etwa uncoole Klamotten, eine devote Körperhaltung oder überflüssige Krücken im Stil von Forrest Gump; nein, der hat eine krasse Narbe, die ihm auch nach der Wandlung bleibt. Aber die Serie stellt absolut glaubwürdig dar, dass diese für niemanden mehr Thema ist, einfach weil sie für Hawk keines mehr ist.
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>Nun wird aber niemand durch einen anderen Haircut mal instant neuen tough guy. Johnny lässt sich davon seltsamerweise direkt beeindrucken, statt ihn weiter herunter zu putzen( Z.B: "Denkst du, du bist dadurch weniger hässlich?")), als er im Do-Jo erneut aufkreuzt. Überzogen hin oder her, aber das war nun wirklich völlig an den Haaren(wort-wörtlich) herbei gezogen, da sein größter Makel ja immer noch da war.


Es geht nicht nur um die Frisur, der hat eine völlig andere Körpersprache, wesentlich selbstbewusster und entschlossener, eine ganz andere Ausstrahlung. Das sieht Johnny eben. Er macht sich ja nicht _wegen_ der Äußerlichkeiten über seine Schüler lustig, sondern _über_ die Äußerlichkeiten. Johnny greift Schüler ohne Selbstvertrauen an, weshalb er auch keinen Grund mehr hat, auf Hawk herumzuhacken.

>Johnny ist ja in seiner Rolle als Sensei im Grunde nix anderes als ein Drill-Instructor für angehende Soldaten.

Den Vergleich lasse ich gelten. Aber betrachte die Figur bitte im Karate Tiger/Dramedy-Kontext. Als Hauptfigur in einer Geschichte dieser Art ist Johnny keinesfalls ein Klischee, sondern innovativ.

>Was ich im übrigen auch nicht verstanden habe: Die ebenfalls (imo) nicht ganz so hübsche und dazu noch stark übergewichtige Aisha hat er völlig in Ruhe gelassen, sondern nur die Geschlechterfrage gestellt und das nichtmal sonderlich offensiv..

Ist mir nicht aufgefallen, aber falls das stimmt, hast du recht. Das wäre wirklich nicht ganz konsequent.
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>Ich kann dir sagen: Die eigene (kurzfristige) Selbstüberzeugung reicht nie... NIE, es benötigt immer ein gewisses Feedback (auch Bestätigung genannt) Dritter um daraus Kraft zu ziehen. Zumindest was oberflächliche Eigenschaften angeht. Wenn du das Zeug zum Raketenwissenschaftler hast, stehst du irgendwann darüber.


Wenn du Bestätigung etwas neutraler durch Einwirkung von Dritten ersetzt, gehen wir sogar d’accord, und nichts anderes zeigt auch die Serie.

Johnny fährt hier eben nicht den Kuschelkurs, sondern konfrontiert die Schüler schonungslos mit deren Angriffsfläche, frei nach dem Motto "was dich nicht umbringt, macht dich stark". Das funktioniert sicherlich nicht bei _jedem_ Menschen mit gestörtem Selbstbewusstsein, aber bei manchen eben doch. Es gibt passend dazu auch relativ früh in Staffel 1 eine Szene, in der Demetri erklärt, warum er keine Mädchen anspricht, sinngemäß sagt er, dass ihm dadurch die Zurückweisung erspart bleibt. Insgeheim hoffen die Loser eben doch, es _könnte_ klappen, wenn sie es nur versuchen würden. Oder dass ihre Schwachpunkte eigentlich nicht existent wären. Johnny nimmt ihnen die Angst vor der Zerstörung dieser Luftschlösser, indem er sie selbst zerstört. Ich betone noch einmal, dass das nicht immer und bei jedem der Weg zum Ziel ist, aber es ist eben auch nicht per se falsch.
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>Glaubwürdiger wäre es gewesen, wenn ein dermaßen gepeinigter junger Mensch wie Hawk die Karate- oder seine richtige Schule drauf mit einer Pumpgun besucht hätte, die ihm Johnny aber noch rechtzeitig aus der Hand kickt.
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Das wäre sicherlich auch eine Möglichkeit, wie so eine Methode enden kann, ähnlich wie bei Private Paula in Full Metal Jacket. Im Dramedy-Bereich wäre eine Pumpgun wohl etwas zu heftig, aber in milderer Form hätte man das bei einem Charakter ruhig bringen können, insoweit will ich nicht widersprechen. Das hätte jedenfalls noch mehr Differenzierung in die Serie gebracht.

Aber auch so ist Staffel 1 noch immer differenzierter als so ziemlich alles an Filmen oder Serien, das sich mit psychologischen Themen befasst. Insbesondere hast du hier zwei Kampfschulen mit gegensätzlichen Methoden, die beide irgendwo zum Erfolg führen. Du und ich hatten hier auch mal eine Whiplash-Diskussion, in der ich kritisiert habe, dass in dem Film Fletchers Methode einschränkungslos als die zielführendste dargestellt wird. Genau das kann man der ersten Staffel Cobra Kai nicht vorwerfen, und dafür bin ich schon dankbar.
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>>Ich hab zugegebenermaßen kurz vor Ende (nach Miguels Sturz) abgeschaltet, weil es mir schlicht zu blöd wurde, aber bis dahin: Alle Grauzonen sind weg. Johnny gibt seine ganze Philosophie auf, entwickelt sich zum regelrechten Gutmenschen, verbündet sich zwischenzeitlich mit Daniel (die übelst konstruiert-wirkende Schlägerei zwischen beiden soll wohl davon ablenken, wie plump die Geschichte eigentlich verläuft), Kreese hingegen ist das pure Böse.
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>Ich finde das tut Johnny nicht. Er erkennt nur langsam Grauzonen, dass hart und aggressiv zu sein nicht bedeutet, dass man unfair und ehrenlos kämpft. Und ehrlich gesagt wirkte Johnny auf mich immer stolz und ehrenhaft genug, dass er auf so eine Kacke endgültig verzichten wollte. Er ist kein Brutalo und war auch nie einer, sondern hat ein Gewissen. Mit dieser Einstellung möchte er sich nach der erneuten menschlichen Enttäuschung durch Kreese endgültig von ihm und seiner Indoktrinierung lösen.


Zum einen ändern sich nicht nur Johnnys Lehrmethoden, sondern sein ganzer Charakter, der wird der reinste Nice Guy und lässt sogar eine attraktive Frau an der Bar sitzen, weil er _eventuell_ ein Date mit Miguels Mutter klarmachen kann (Himmel, er könnte wenigstens noch die Nummer einsacken für den Fall, dass Miguels Mutter ablehnt; das hätte ihm diese wahrscheinlich noch nicht einmal übel genommen, wenn sie es beim Date erfahren hätte).

Zum anderen: was du pauschal "Kacke" nennst, empfindet die Serie selbst nicht einmal in Staffel 2 als solche. Denn genau diese neue Sichtweise von Johnny, die er auch Miguel eintrichtert, führt dazu, dass Miguel von Robby das Geländer runtergekickt wird.

Eigentlich eine Szene, die wieder neue Grauzonen in die Staffel bringt, und doch halte ich sie für eine der schlechtesten der ganzen Serie. Der Ausraster passt null zu Robbys übrigem Verhalten, der Sturz wirkt völlig konstruiert, der Subtext kommt viel zu plakativ und der Tonfall der Serie bricht ohne jeden Übergang.
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>Im Grund ist doch eigentlich viel, viel absurder, dass er seinen alten Mentor nach einem kurzen Pläuschchen wieder mit ins Boot holt. DAS fand ich hingegen absolut billig, nur damit Kresse dort wieder mitwirken kann.


Stimmt.
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>Er verliert sie, als sich heraus stellt, dass er zum totalen aggressiven Proll verkommen ist, der seinem (ehemaligen) Kumpel Schläge androht, sie weist auch nochmal darauf mit dem Finger hin, was ihr an ihm gefällt. Cool ungleich Vollspacko.


Bis hierhin war die Diskussion überraschend interessant, aber jetzt gibst du inhaltlich genau das wieder, was das Mädchen sagt, die in dieser Szene ohnehin nur benutzt wird, um dem Zuschauer die Story zu erklären. Entscheidend ist doch der Subtext, der da mitschwingt, ob nun gewollt oder ungewollt. In Staffel 1 hattest du mit Miguel und Hawk zwei Charaktere, die mit Selbstbewusstsein, Mut, Initiative und Hartnäckigkeit – alles von Johnny gelernt – plötzlich Erfolg bei den Mädels hatten. In Staffel 2 reißen die nichts mehr, Hawk verliert seine Freundin, Miguel gewinnt seine Ex-Freundin nicht zurück, bekommt nur die, die er eigentlich gar nicht wollte. Stattdessen ist das der Sieg der Nice Guys. Robby und der "neue" Johnny brauchen ewig für den ersten Schritt, geben sich stattdessen jeweils als bester Freund aus und verbergen ihre wahren Interessen, stellen eigene Bedürfnisse völlig hinter denen der Mädels zurück etc. Ich behaupte mal ganz dreist, dass Staffel 1 in dem Punkt näher an der Realität ist.


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