Thema:
Re:Stimme zu. vieles wirkt zu konstruiert fürs Drama flat
Autor: heffer
Datum:10.09.20 18:32
Antwort auf:Re:Stimme zu. vieles wirkt zu konstruiert fürs Drama von Rocco

>Dennoch ist die zweite Staffel auf keinen Fall schlecht.
>

Doch, ganz ehrlich, und vor allem meilenweit entfernt von der ersten, als wären andere Autoren dafür verantwortlich.

Die erste Staffel dreht eine Reihe von Klischees wunderbar ins Gegenteil: der Antagonist aus Karatekid ist auf einmal der Protagonist und bei allen Ecken und Kanten durchgehend menschlich und irre sympathisch. Mobbing-Opfer wachsen nicht durch irgendein Gerede über innere Ruhe und Frieden, sondern eine badass-Haltung mit Leitsätzen a la "Schlag immer zuerst" über sich hinaus. Der Trainer redet den hässlichen und/oder dicken Schülern nicht ein, ihre Äußerlichkeiten wären kein Problem, sondern macht die Makel voll zum Thema, beleidigt sie aufs Übelste. Den Endkampf zwischen light (Robby) und dark (Miguel) gewinnt hier tatsächlich dark.

Andere Klischees werden um neue Aspekte bereichert, zB bei Hawk, der nicht einfach nur ein Handicap hat, das er im Laufe der Geschichte ablegen kann, etwa uncoole Klamotten, eine devote Körperhaltung oder überflüssige Krücken im Stil von Forrest Gump; nein, der hat eine krasse Narbe, die ihm auch nach der Wandlung bleibt. Aber die Serie stellt absolut glaubwürdig dar, dass diese für niemanden mehr Thema ist, einfach weil sie für Hawk keines mehr ist.

Vor allem steckt in Geschichten wie diesen bei aller Überzogenheit und Unbekümmertheit auch unglaublich viel Wahrheit. Alleine schon wie Miguel Daniels Tochter zum Date überredet - nach der ersten Abfuhr dran bleiben; Anspannung rausnehmen durch die Behauptung, dass es gar kein Date ist etc. - das ist so absolut lebensnah.

Und überall gibt es Grauzonen, nahezu jeder Charakter hat positive und negative Eigenschaften, selbst Daniel entwickelt sich zwischenzeitlich mal zum Vollarsch, treibt Johnny fast in den wirtschaftlichen Ruin aus reiner Rachsucht.

Staffel 2 hat von alledem nichts, aber auch wirklich gar nichts.

Ich hab zugegebenermaßen kurz vor Ende (nach Miguels Sturz) abgeschaltet, weil es mir schlicht zu blöd wurde, aber bis dahin: Alle Grauzonen sind weg. Johnny gibt seine ganze Philosophie auf, entwickelt sich zum regelrechten Gutmenschen, verbündet sich zwischenzeitlich mit Daniel (die übelst konstruiert-wirkende Schlägerei zwischen beiden soll wohl davon ablenken, wie plump die Geschichte eigentlich verläuft), Kreese hingegen ist das pure Böse.

Interessante Charaktere wie Hawk sind plötzlich nur noch tools, um den guten Charakteren heldenhafte Momente zu verschaffen. Mit Hawk macht man das gleich drei mal, immer nach dem gleichen Schema: Hawk haut alle um, wird dann von Robby besiegt. Hawk haut alle um, wird dann von Miguel besiegt. Hawk haut alle um, wird dann von Demetri besiegt, dem nervigsten Charakter der ganzen Serie, dem man völlig zurecht in Staffel 1 kaum Raum gegeben hat. Diesen Typen gegen Hawk gewinnen zu lassen ist ungefähr so clever, wie Darth Maul oder Kylo Ren von Jar Jar Binks ownen zu lassen.

Es fehlen auch schlichtweg interessante Ideen, große Teile der Handlung dümpeln einfach vor sich hin. Zwischenzeitlich ist man so verzweifelt, dass man den Werdegang von Hawk vom Loser zum badass einfach nochmal erzählt, das aber nicht so cool-subtil wie in Staffel 1, sondern voll mit dem Holzhammer, indem Hawk in einer Rückblende einfach mal ganz doll weint.

Katastrophales love-interest zwischen Robby und Daniels Tochter (wie heißt die eigentlich? Völlig farbloser Charakter) ohne irgendeine annähernd interessante Idee.

Eifersuchtsdramen auf GZSZ-Niveau, sogar mit Uralt-Klischee als Tory sieht wie Miguel und Daniels Tochter sich küssen, aber natürlich wegschaut als Miguel zur Tochter sagt, sie hätten das nicht tun dürfen.

Hawk kriegt in Staffel 1 durch seine badass-Art eines der hübschesten Mädchen der Schule - in Staffel 2 verliert er sie durch seine badass-Art.

Wtf? Was ist denn bitte hier los? Staffel 2 verfehlt komplett den Kern von Staffel 1, als würde die Serie sich selbst nicht mehr verstehen.


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