Thema:
Arschling flat
Autor: Slapshot
Datum:18.05.20 19:56
Antwort auf:The Last Kingdom von Sloane

Haha, hat ja noch gar keiner geschrieben. Haha. Bloß passt das wie die Faust auf's Auge. Uhtred ist in den ersten zwei Staffeln ein teilweise unerträglich arrogantes Arschloch, dem man pausenlos die Fresse polieren möchte.

Es folgen Spoiler bis zum Ende der vierten Staffel. Unmarkiert. Damit ich frei drauflos schreiben kann.

Also nun ja, wie geschrieben: Uhtred ist teilweise unerträglich arrogant. Mit welcher Selbstverständlichkeit der Ex-Sklave sein Recht von einem König eines anderen Königreichs einfordert, ist fast schon unangenehm mit anzuschauen. Wie er sich fortlaufend alle Chancen verbaut, bzw. alles wieder einreißt, wofür er so leidenschaftlich gekämpft hat, verursacht bei mir physische Schmerzen. Und wie egal ihm plötzlich von einen Tag auf dem anderen andere Menschen sind, kratzt hart an der Glaubwürdigkeit. Von seinem Frauenverschleiß reden wir lieber erst gar nicht.

Erst die Mit-Sklavin, die Quasi-Zwangshochzeit, die Seherin, Gisela, noch eine Seherin und am Ende die Prinzessin. Er lässt halt nix anbrennen als Ex-Sklave und Ex-Thronerbe.

Höhepunkt war ja, als er _unbedingt_ seine Frau und sein Kind sehen musste und er dafür seinen Sieg nicht Alfred mitteilen konnte, während ihm beide eine Folge später am Arsch vorbei gehen. Bis sein Sohn stirbt. Dann ist er ein paar Minuten voll traurig, bevor es ihm wieder egal ist. Er ist halt ein emotionaler Super-Mensch.

Ab Staffel 3 bessert sich das. Aber bis dahin sind ja auch stolze 20 Jahre vergangen, wenn ich die historischen Daten über König Alfred als Maßstab heranziehe. Wobei man die vergangenen Jahre wohl am ehesten an Edward sieht. Der wird älter. Im Gegensatz zu Uhtred. Wobei ganz so pausbäckig schaut er nicht mehr aus, wie noch zu Beginn. Das altern der Charaktere hat man btw. m. E. in Vikings besser hinbekommen.

Und weil wir grad von Vikings sprechen: das hat ja auch keinen richtigen "Helden". Die Nordmänner dort sind ähnliche Arschlöcher wie die Nordmänner/Dänen in TLK. Aber sie haben gefühlt mehr Motive als "Wir wollen England erobern! Ganz England!"

Aber nun gut, die Perspektiven sind anders und wir haben dann ab Staffel 3 tatsächlich einen Hauptdarsteller, der sich mal nicht wie ein kleines verzogenes Kind verhält. H

andlungstechnisch bewegt sich die Serie dagegen eher so auf "Nach der Invasion der Wikingerhorden, ist vor der Invasion der Wikingerhorden"-Niveau. Daneben hat die Serie nicht sooo viel zu erzählen, was man ja auch an den Zeitsprüngen sieht.

Neben den Wikingerinvasionen gibt's immer so kleine Nebenhandlungen, die in die Invasion eingewoben sind. Die Seherin, der Mord an Ragnar, die Thronfolge in Mercien... all das wird irgendwie so nebenbei erzählt und lebt auch immer irgendwie vom Zufall. England muss schon winzig sein, wenn sich die Akteure dauernd gegenseitig auf die Füße treten.

Mal eben den Dingens mit den Kindern von Knut zufällig im Wald begegnet? Warum nicht. Schließlich schafft es auch eine Gruppe von Reitern die Flüchtigen aufzuspüren, obwohl sie kaum bis keine Hinweise haben. Oder die gleiche Begegnung wie oben, nur umgekehrt auf der Fahrt nach Winchester mit der Königin Mutter im Gepäck. Klar begegnet man wieder den gleich alten Feinden. Und dann das Ende von Staffel 4. Ja, geh, leck mich doch. Der Kerl wollte Frieden und um den zu erreichen, lässt er es erstmal zur Schlacht kommen. Vorher lehnt er Verhandlungen ab. Warum? Keine Ahnung, wird nie erklärt. Stattdessen wird's so dargestellt, als wär das jetzt voll die strategische Meisterleistung gewesen. Ja, gut, Druck erhöhen um die eigene Verhandlungsposition zu stärken. Andererseits war die Verhandlungsposition mit Winchester im Gepäck so schlecht nicht.

Und Brida: von Hass zerfressen gebährt sie endlich ihr Kind. Dass ihr Charakter die wohl größte und unglaubwürdigste Verwandlung durchgemacht hat, sei dann an der Stelle auch noch erwähnt.

Trotzdem aller Schimpferei hab ich die vier Staffeln weggeguckt. Weil ich das Szenario mag. Und es einen anderen Blickwinkel auf die Ereignisse von Vikings bietet. Und es interessant ist, ähnliche Geschehnisse aus einer komplett anderen Perspektive zu betrachten. Und weil Uhtred charaktertechnisch sich halt _doch_ noch zum Guten entwickelt hat. Und weil die Ausstattung und die Schlachten gefallen. Und es halt wieder diese "gefühlte" Authentizität bietet. Historiker (Hobby und echte) sehen das anders, aber mir reicht das, wenn es mich gefühlt überzeugt. Ob die jetzt Helme und Felle tragen, ob die jetzt untypische Waffen verwenden und Festungen vielleicht nicht dem Stand der Geschichtsschreibung entsprechen: was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß. Ich will ja keine Geschichtsstunde, ich will unterhalten werden.


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