Thema:
#15 Mrs. Miniver (1943) flat
Autor: DJS
Datum:13.04.20 23:34
Antwort auf:Projekt "Oscar" von DJS

Mrs. Miniver

[https://www.imdb.com/title/tt0035093/?ref_=fn_al_tt_1]

Stream:

[https://www.werstreamt.es/film/details/80329/mrs-miniver/]

DAS WIRD LANG! :)

Wow, aus (film)geschichtlicher Sicht imo der interessanteste Film bisher. Ich weiß gar nicht womit ich anfangen soll. Einerseits ist es ein ganz "normaler" Kriegsfilm, auf der anderen Seite sagte Goebbels über den Film: „Hier ist alles das in Vollendung zu sehen, was ich seit Monaten, ja seit Jahren von der deutschen Filmproduktion verlange und fordere.“ Er zeigte den Film deutschen Filmproduzenten um ihnen zu zeigen wie man einen Propagandafilm dreht... Das sagt schon einiges über den Film, denke ich.

Der Film beginnt mit einer Texteinblendung die ich hier benutze um die Story zusammen zu fassen. :)

"Dies ist die Geschichte einer bürgerlichen Familie in England. Die Frühsommer-Sonne des Jahres 1939 strahlt auf das friedliche Idyll des heiteren Lebens. Nichts scheint es für diese Menschen zu geben als Freude an den Kindern, an der Arbeit, am Spiel und am Garten. Bis die Sonne des Glückes verlöscht, weil Feuer auf die Erde fiel, weil das große Völkermorden begann. Dieser Film ist ein Dokument jener Zeit"

Etwa in der Mitte des Films ist es vorbei mit dem Idyll, der Krieg beginnt und wird aus der Sicht von Frau Miniver (Mann, zwei kleine Kinder, ein erwachsener Sohn) dargestellt. Man sieht im ganzen Film vielleicht 20 Sekunden lang Kampfszenen/Flugzeuge, trotzdem (oder deswegen?) erzeugt der Film an entsprechenden Stellen eine sehr bedrückende Stimmung.

Bis auf zwei Szenen fühlt sich der Film auch überhaupt nicht wie ein Propagandafilm an. Er hat viele rührende Szenen (hab zwei Mal geweint :D ) und man fühlt mit den Familienmitgliedern richtig mit.

Dann steht jedoch ein deutscher Pilot in Frau Minivers Garten und dieser wird als der fanatische, stumpfe, dumme Obernazi dargestellt. Klar, warum nicht, davon gabs genug. Trotzdem war es mir in dem Moment bisschen zu dick aufgetragen. Und was lese ich bei Wiki? Diese Szene wurde neu gedreht, da während der Dreharbeiten Germany den USA den Krieg erklärte. Davor war der Deutsche vermutlich deutlich "menschlicher" dargestellt.

Der Hammer kam dann aber in der letzten Szene. Eine Predigt des Pastors nachdem am Tag davor die Stadt bombardiert wurde und mehrere Menschen gestorben sind.

Wer gerne liest, hier ist sie:

"The homes of many of us have been destroyed, and the lives of young and old have been taken. There's scarcely a household that hasn't been struck to the heart. And why? Surely, you must have asked yourselves this question? Why, in all conscience, should these be the ones to suffer? Children, old people, a young girl at the height of her loveliness? Why these? Are these our soldiers? Are these our fighters? Why should they be sacrificed?
I shall tell you why. Because this is not only a war of soldiers in uniform. It is the war of the people, of all the people. And it must be fought not only on the battlefield, but in the cities and in the villages, in the factories and on the farms, in the home and in the heart of every man, woman, and child who loves freedom. Well, we have buried our dead, but we shall not forget them. Instead, they will inspire us with an unbreakable determination to free ourselves, and those who come after us, from the tyranny and terror that threaten to strike us down. This is the People's War. It is our war. We are the fighters. Fight it, then! Fight it with all that is in us! And may God defend the right."

Mit der entsprechenden Betonung wirkt es natürlich noch krasser. Man muss sich aber auch vorstellen, dass die Leute im Kino saßen und den Film schauten, während draußen der Krieg leider mehr als echt war und niemand damals wusste wie und wann er zu Ende gehen würde. Kann mir gar nicht vorstellen wie sich so etwas anfühlen würde...

Vielleicht auch nicht uninteressant: die deutsche Übersetzung der Priesterrede ist KOMPLETT anders. Das ist keine Übersetzung sondern ein sinngemäß komplett unterschiedlicher Text der die Message des Films ändert. Man kann fast sagen, dass man einen anderen Film gesehen hat wenn man ihn auf deutsch geschaut hat.

Auf deutsch redet der Priester von Liebe, man soll nicht hassen, blablabla. Kein Wort von "People's War", Feinden oder was weiß ich. Fand es schon sehr überraschend. Vor allem wurde die Synchro 1960 erst aufgenommen.

Ach ja, am Ende der Credits unter dem "The End"-Schriftzug steht:
"America needs your money. Buy defense bonds and stamps every pay day."


Sonstiges:

- immer noch 4:3 Format, bin gespannt wann der erste 16:9er kommt

- eine der bewegendsten Szenen wurde auf Deutsch zerstört. Die Familie sitzt im Bunker, es ist dunkel, man hört die Flieger näherkommen, die Bomben fallen und sie explodieren in nächster Umgebung. Lange Stille, man hört nur die Kinder leise weinen, am Ende sagt der kleine Junge weinend "They nearly killed us this time, didn't they?" Auf deutsch: die ganze Zeit unterhalten sich die Eltern mit den Kindern (die Köpfe sind so gedreht dass man eh nicht sehen konnte ob jemand redet oder nicht), der Junge erzählt irgendwas vor sich hin ("Wo ist Mami?" WTF, die sitzt direkt neben dir, wer hat diesen Müll geschrieben?), am Ende fragt er ob die Flugzeuge wieder kommen. Atmosphärisch eine Nullnummer im Vergleich zum Original

- Vegetarier (der erwachsene Sohn war einer) werden als eine "Phase" bezeichnet. Hahahaha (Sorry)

- An einer Stelle verspricht sich die Hauptdarstellerin (die einen Oscar für die Rolle bekommen hat btw.), man merkt richtig, dass sie ihren Text kurz vergessen hat und mit dem falschen weitermachen will. Dann lese ich, dass der Regisseur dafür bekannt war, alles zig Mal zu drehen bis er zufrieden war...

- KEINE Romanverfilmung. Naja, irgendwie doch. Es wurden Kurzgeschichten über die Familie Miniver geschrieben, diese enden aber an der Stelle an der der Film beginnt. Man hat also quasi die Charaktere geklaut aber eine eigene Geschichte dazu geschrieben.


Ich fand den Film super übrigens, interessante Charaktere, nie langweilig und auch nicht mit einem 08/15-Ende. Damit meine ich nicht die Rede am Ende, sondern das was davor passiert ist. Ich will ja aber nicht spoilern. :)

8,5/10


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