Thema:
Re:Findet ihr nicht dass ... (weiterhin Spoiler!) flat
Autor: Gadon
Datum:13.02.20 07:07
Antwort auf:Findet ihr nicht dass ... (weiterhin Spoiler!) von tralalu

>.. der Film Nazis verniedlicht und dadurch so verharmlost?
>Ja, sie werden vielleicht lächerlich dargestellt, und zu einem großen Teil inkompetent, aber eben auch niedlicher und harmloser als in Echt. Deswegen meine Kritik als "Naziverniedlichung" in ihrer Darstellung.
>


nein. genauso wenig wie alle anderen Satiren wie der Chaplin Film.

>Die Nazis die im Film vorkommen sind entweder "gute" Personen (geheime Widerstandskämpfer oder schwule, insgeheim gutmütige Offiziere), oder doof und unfähig (Gestapo, Fräulein Rahm, die restlichen Statisten).

Keiner von denen ist eindeutig gut...aber auch nicht eindeutig böse. wie die meisten Menschen, selbst zur nazi-zeit. und das stellt der Film ganz gut da. warum jetzt ein geheimer Widerstandskämpfer ein Nazi bei dir ist, erschließt sich mir nicht.


>Oder eben Kinder (Yorki und natürlich Jojo).


das sind keine Nazis!! das sind Kinder. das kommt sogar für Leute, die diese Botschaft des Films nicht erfasst haben wortwörtlich im Film vor.

>Mich stört das wahnsinnig, weil es den Faschismus und seine Gefahren so handzahm macht. Zu etwas kleinem über das man lachen kann, das man aber dann auch unterschätzt. Und (Achtung Zeigefinger! :) gerade heutzutage und im Rückblick auf Nazideutschland ist das doch furchtbar.
>


handzahm? kinder umerziehen..Menschen auf öffentlichen Plätzen erhängen, Bauern und Kinder auf die Schlachtbank führen ist handzahm für dich? junge junge...

>Stört das Euch nicht? Oder seh ich hier Gespenster?

ja.

>Für mich überschattet das auch alle anderen Qualitäten die der Film haben mag.
>Satire kann einen doch auch mit Übertreibung zum Lachen bringen, mit Biss und Kritik, mit schwarzem Humor - ohne dass man das Böse kleinmacht und unterschätzt.
>
>
>Pezking, danke für deine ausführlichen Notizen! Unten dazu mein Sermon... :)
>
>
>>>Was übrig bleibt ist ländlich-konservative Heimatromantik wie man sie kaum besser auf Propagandaposter malen könnte: blaue Himmel, grüne Wiesen, saftige Wälder, quirlige Landbewohner und adrette Städtchen, possierliche Kostüme und traditionelle Märchengemäuer in pastelligen Farben. Anzeichen dass hier mal Juden gelebt haben bis sie beraubt, erniedrigt, ermordet und deportiert wurden? Fehlanzeige.
>>
>>Bis auf Elsa und ihr Schicksal.
>>
>
>
>
>>>Anzeichen dass die Bevölkerung an der Denunziation teilgenommen hat? Fehlanzeige. Die Gestapo als lustige Männer in dunklen Mänteln, die drollig grüßen?
>>
>>Und die Mutter von Jojo lynchen.
>>
>
>
>Mein Problem (auch mit den Naziuntaten die du weiter unten aufführst, zumindest so weit ich mich erinnern kann) ist dass 1. der Film das Grauen nicht zeigt, wenig thematisiert und so viel davon weglässt. Wenn man einen Film über den Faschismus macht (egal ob Drama, Komödie oder Satire) und das üble im Film sind die acht aufgeknüpften und ein adrettes Mädchen im Dachstuhl, dann ist das für mich eine Verniedlichung.
>
>2 . (aber das ist eher eine drehbuchtechnische Kritik) zeigt der Film das Grauen nicht gegenüber Jojo. Ja ich weiß, tote Mama, aber: im Film entdeckt Jojo das als Fakt, nicht als Tat. Der Zusammenhang der Aktion, der Tat des Mordes, mit Jojos Nazikollegen und seiner geliebten Naziideologie, der fehlt. Deswegen klingt der tod der Mutter für mich etwas hohl. Aber wie gesagt, das ist nur eine eher technische Drehbuchkritik..
>
>
>>>Hitler als bester Kumpel der zwar aus unerklärten Gründen Juden nicht mag, aber als total niedlicher Character dargestellt wird?
>>
>>Das ist nicht Hitler. Es ist das Bild von Hitler in Jojos Kopf. Dieser sieht ihn als Motivator, als Inspirationsquelle, als Orientierungshilfe. Es ist die Perversion in Jojo, die von den Nazis dort eingepflanzt wurde. Das Böse, das sich ihm gegenüber als das Gute und Wahre darstellt. Und das leider ziemlich erfolgreich und hartnäckig.
>>
>Joa, es ist nicht Hitler, aber es ist eine Darstellung Hitlers :) Und nebenbei bemerkt einer der großen Gründe warum die Leute ins Kino gehen.
>
>>>Wenns wenigstens lustig wäre.
>>
>>Die German Shepherds fand ich super! :-)
>
>Gesundheit! :)
>>
>>>- Geheime Widerstandskämpferin riskiert ihr Leben fürs Verteilen antifaschistischer Pamphlete. Hat einen indoktrinierten Hitlerjungen daheim. Tut aber nichts/extrem wenig dagegen. WTF?
>>
>>Die Mutter kann Jojo nicht vertrauen. Aber immer wieder drängt ihr Wille zur Aufklärung, zur Entnazifizierung an die Oberfläche. Sie diskutiert beim Abendessen mit Jojo über Politik. Sie begrüßt ihm gegenüber die anstehende Kriegsniederlage. Sie zeigt ihm die Dinge, die das Leben wahrhaftig lebenswert machen - und die von den Nazis als Schwäche verneint werden. Geduldig schießt sie sein Propagandahirn sturmreif. Mit ihrem Tod stürzt es dann in sich zusammen.
>
>Das liest sich sehr gut, ich habs leider nicht so gesehen bzw. in Erinnerung. Hab aber nach dem Film erstmal zwei Schnäpse gebraucht :) vielleicht muss ich mir diese Szenen nochmal im Detail angucken, ist aber auch kein ganz großer Kritikpunkt meinerseits.
>
>>
>>>- Judenmädchen tauchen auf wie Hausgeister, ohne Kontext. Kann man machen, in einer Satire oder einem Märchen. Aber in nem Drama? Dass das Mädel hochwahrscheinlich aus der gleichen Stadt kommt in der die Story spielt, und damit die Bewohner des Städtchens für den Mord (Denunziation) an ihren Eltern mitverantwortlich ist, wird nicht nur verschwiegen sondern spielt auch anscheinend für sie als Character keine Rolle. Trauma? Fehlanzeige. Panik? Fehlanzeige. Stattdessen niedliches Versteckspiel im Dachkämmerlein, ein bisschen niedliches Traurigsein und Techtelmechtel mit dem Jungen der die ganze Zeit in HJ Uniform rumrennt. Ist im Film weder emotional, noch witzig.
>>
>>Mir kam sie im Film anfangs komplett abgestumpft und innerlich tot vor. Rein auf Überleben getrimmt. Was eine unmenschliche Aufgabe ist. Erst als sie langsam merkt, dass sie Einfluss auf Jojo nehmen kann, dass dieser immer noch formbar ist, erkennt sie langsam auch wieder die Welt als etwas, das sie womöglich selbst erleben und mitgestalten könnte.
>>
>
>
>>>- Das Verhältnis Jojos zu seinem imaginären Hitler: Der imaginäre Hitler ist leider nur oberflächlich ein satirisches Element, als externe, sichtbare Konversation von dem was eigentlich innerlich in Jojos Herzen und Hirn abgeht. Wäre eigentlich eine tolle und vor allem frische Art die Moral und Anti-moral der Naziideologie im Film zu erörtern ohne auf langweilige VoiceOvers von Jojo zurück zu greifen. Stattdessen Hitler als harmloser guter Freund und emotionaler Rückhalt, am Ende ein bisschen keifende schlechte Hitlerimitation von Waititi himself und ein liebloses "Fuck off Hitler!"(weil unverdient einerseits, furchtbar schlaff andererseits).
>>
>>Ich fand das gut gelöst. Waititi stellt den imaginären Hitler gleichzeitig als eine Figur dar, die imstande ist, ein Kind moralisch auf die komplett schiefe Bahn zu führen und sich dennoch dem vorgebildeten, erwachsenen Zuschauer gegenüber immer wieder als durchgeknallter Verführer zu Erkennen gibt.
>>
>Bei dem Part mit dem vorgebildeten erwachsenen Zuschauer hoff ich natürlich dass du Recht behalten wirst.
>
>
>>>- Nazis sagen schlimme Sachen, aber tun keine schlimmen Sachen.
>>>Leicht überspitzt gesagt, ist das schlimmste was die in Jojo Rabbit tun, einen Hasen zu töten, und im Wald Granatenwurf zu üben.
>>
>>...und was ist mit dem Aufknüpfen von Jojos Mutter?
>>
>>Wenn in diesem Film Nazis etwas tun, dann sind das fast immer schlimme Sachen. Die Nazis im Film sind allesamt komplett unmoralische Gestörte.
>>
>>>Die erhängten Widerstandskämpfer stellt der Film praktischerweise (so weit ich mich erinnere) mit den Nazis gar nicht in Verbindung. Die hängen da halt einfach.
>>
>>Das stimmt nicht. Die Nazis haben ihnen in beiden Lynchszenen ihre Anti-Nazi-Flugblätter ans Bein geheftet. Auch Jojos Mutter.
>>
>Tatsache! Aber: die waren auf Deutsch und der plöte Amizuschauer kann das gar nicht lesen! ;) abgesehen davon, siehe oben.
>
>>>und natürlich das beste:
>>>- Nazis sind keine schlechten Menschen, nur ein bisschen "quirky" und exzentrisch, gehen gerne in den Wald und machen Jugendaktivitäten.
>>
>>Ja, aber wie? Das kam doch alles maximal verstrahlt, gestört und unmoralisch rüber. Als Zuschauer durchschaut man das - und gleichzeitig ist Jojo im Film noch nicht reif genug, es auch richtig einzuordnen.
>>
>
>Der ganze Part am Anfang hat mich bereits etwas verstört, weil ich ihn nicht als satirisch genug empfand. Ich bin kein Historiker, deswegen das jetzt bitte nicht auf die Goldwaage legen, aber alleine aus meinem Bekanntenkreis wurden mir als Jugendlicher schlimmere Dinge aus den Aktivitäten der Hitlerjugend erzählt als sie in Jojo Rabbit vorkommen. Aber wo ist dann hier die Satire?
>
>Ich weiß dass es sich erstmal wie ne Satire anfühlt weil es lustig gefilmt und vertont ist und komödiantisches Timing hat. Aber im erzählerischen Text des Films seh ich da _kaum_ eine satirische Übertreibung gegenüber der Realität. Kaum Biss oder Kritik. Stattdessen werden Sachen weg gelassen und in hübsche Filmsprache verpackt.
>Deswegen ist auch das für mich Teil der Naziverniedlichung.
>
>Alternativ hätte Waititi das Treiben der Nazis doch noch viel krasser hätte übertreiben können, nur mal so als Möglichkeit.
>
>Wenn man eine Satire macht, und die echte Realität ist schlimmer als die Realität des Films, dann muss der Film irgendwas anderes machen um diesen Umstand in einen satirischen Kontext zu setzen. Und daran scheitert meiner Meinung nach Jojo Rabbit einfach.
>
>
>>>Und wenns wirklich drauf ankommt, ja dann flunkern Wehrmachtsoffiziere ad hoc auch die Gestapo an um Judenmädchen zu retten, die sie überhaupt nicht kennen.
>>
>>Sam Rockwell und Alfie Allen spielen offensichtlich ein homosexuelles Paar, das sich mit der Naziherrschaft arrangiert hat, Karriere in der Wehrmacht inklusive. Klenzendorf (Rockwell) hat Nazideutschland und sich selbst zum Zeitpunkt des Films längst aufgegeben.
>>
>>Das Wichtige ist, dass Klenzendorfs Taten am Ende nicht als Wiedergutmachung durchgehen oder ihn erlösen. Sie retten nur Elsa und Jojo.
>>
>Die Darstellung Klenzendorfs ist für mich nach wie vor das schlimmste an Jojo Rabbit. Das was du als "nur" bezeichnest ist für mich schon so eine krasse filmische Message nahe dem Nazigeschichtsrevisionismus, weil 1. die Rettung Elsas das wichtigste dramatische Moment des Films ist und 2. es so wenig andere handelnde Nazifiguren in dem Film gibt. Es gibt keinen bösen kompetenten Nazi der das außergewöhnliche, das Gute an Klenzendorfs Handlungen in einen glaubhaften Kontext setzt. Es fühlt sich im Film einfach falsch an und tut wiedermals die Mechanismen der Judenverfolgung verharmlosen. Der Hauptmann lügt die Gestapo an um das jüdische Mädel zu retten. Das ist ein Märchen. Und damit "Naziverniedlichung".
>Darauf dann ein "Happy" End zu bauen, bei dem das Mädel rumtanzt ist find ich schon eine Beleidigung.
>
>Und den Jojo rettet Klenzendorf ja "nur" vor der Inhaftierung durch amerikanische Soldaten.
>(Was ich komisch fand hierbei übrigens: wieso wird er eigentlich sofort von den Amis erschossen? zumindest wird das ja heftig impliziert)
>
>
>>>Die Ideologie, der Judenhass, die Abscheu gegenüber andersdenkenden, die Denunziation - alles nur Order von oben oder irgendwo weit weg.
>>
>>...aber doch komplett verinnerlicht? Der bizarre, absurde Hass auf die Juden ist doch allgegenwärtig.
>>
>>>In Jojo Rabbit ist niemand in der deutschen Bevölkerung mitschuld am Holocaust und am Terror des Faschismus, sondern im Herzen ein Held im flamboyanten Glitzerkostüm oder eigentlich eh Widerstandskämpfer.
>>
>>Klenzendorf ist kein Held, denn selbst im Glitzerkostüm kämpft er immer noch auf Seiten der Nazis. Und Jojos Mutter ist die einzige Widerstandskämpferin im Film, die wir nicht nur am Galgen hängen sehen.


< antworten >