Thema:
Hmm...(SPOILER!!!) flat
Autor: Pezking
Datum:12.02.20 00:39
Antwort auf:Urks - Naziverniedlichung, the Movie von tralalu

>Was übrig bleibt ist ländlich-konservative Heimatromantik wie man sie kaum besser auf Propagandaposter malen könnte: blaue Himmel, grüne Wiesen, saftige Wälder, quirlige Landbewohner und adrette Städtchen, possierliche Kostüme und traditionelle Märchengemäuer in pastelligen Farben. Anzeichen dass hier mal Juden gelebt haben bis sie beraubt, erniedrigt, ermordet und deportiert wurden? Fehlanzeige.

Bis auf Elsa und ihr Schicksal.

>Anzeichen dass die Bevölkerung an der Denunziation teilgenommen hat? Fehlanzeige. Die Gestapo als lustige Männer in dunklen Mänteln, die drollig grüßen?

Und die Mutter von Jojo lynchen.

>Hitler als bester Kumpel der zwar aus unerklärten Gründen Juden nicht mag, aber als total niedlicher Character dargestellt wird?

Das ist nicht Hitler. Es ist das Bild von Hitler in Jojos Kopf. Dieser sieht ihn als Motivator, als Inspirationsquelle, als Orientierungshilfe. Es ist die Perversion in Jojo, die von den Nazis dort eingepflanzt wurde. Das Böse, das sich ihm gegenüber als das Gute und Wahre darstellt. Und das leider ziemlich erfolgreich und hartnäckig.

>Wenns wenigstens lustig wäre.

Die German Shepherds fand ich super! :-)

>- Geheime Widerstandskämpferin riskiert ihr Leben fürs Verteilen antifaschistischer Pamphlete. Hat einen indoktrinierten Hitlerjungen daheim. Tut aber nichts/extrem wenig dagegen. WTF?

Die Mutter kann Jojo nicht vertrauen. Aber immer wieder drängt ihr Wille zur Aufklärung, zur Entnazifizierung an die Oberfläche. Sie diskutiert beim Abendessen mit Jojo über Politik. Sie begrüßt ihm gegenüber die anstehende Kriegsniederlage. Sie zeigt ihm die Dinge, die das Leben wahrhaftig lebenswert machen - und die von den Nazis als Schwäche verneint werden. Geduldig schießt sie sein Propagandahirn sturmreif. Mit ihrem Tod stürzt es dann in sich zusammen.

>- Judenmädchen tauchen auf wie Hausgeister, ohne Kontext. Kann man machen, in einer Satire oder einem Märchen. Aber in nem Drama? Dass das Mädel hochwahrscheinlich aus der gleichen Stadt kommt in der die Story spielt, und damit die Bewohner des Städtchens für den Mord (Denunziation) an ihren Eltern mitverantwortlich ist, wird nicht nur verschwiegen sondern spielt auch anscheinend für sie als Character keine Rolle. Trauma? Fehlanzeige. Panik? Fehlanzeige. Stattdessen niedliches Versteckspiel im Dachkämmerlein, ein bisschen niedliches Traurigsein und Techtelmechtel mit dem Jungen der die ganze Zeit in HJ Uniform rumrennt. Ist im Film weder emotional, noch witzig.

Mir kam sie im Film anfangs komplett abgestumpft und innerlich tot vor. Rein auf Überleben getrimmt. Was eine unmenschliche Aufgabe ist. Erst als sie langsam merkt, dass sie Einfluss auf Jojo nehmen kann, dass dieser immer noch formbar ist, erkennt sie langsam auch wieder die Welt als etwas, das sie womöglich selbst erleben und mitgestalten könnte.

>- Das Verhältnis Jojos zu seinem imaginären Hitler: Der imaginäre Hitler ist leider nur oberflächlich ein satirisches Element, als externe, sichtbare Konversation von dem was eigentlich innerlich in Jojos Herzen und Hirn abgeht. Wäre eigentlich eine tolle und vor allem frische Art die Moral und Anti-moral der Naziideologie im Film zu erörtern ohne auf langweilige VoiceOvers von Jojo zurück zu greifen. Stattdessen Hitler als harmloser guter Freund und emotionaler Rückhalt, am Ende ein bisschen keifende schlechte Hitlerimitation von Waititi himself und ein liebloses "Fuck off Hitler!"(weil unverdient einerseits, furchtbar schlaff andererseits).

Ich fand das gut gelöst. Waititi stellt den imaginären Hitler gleichzeitig als eine Figur dar, die imstande ist, ein Kind moralisch auf die komplett schiefe Bahn zu führen und sich dennoch dem vorgebildeten, erwachsenen Zuschauer gegenüber immer wieder als durchgeknallter Verführer zu Erkennen gibt.

>- Nazis sagen schlimme Sachen, aber tun keine schlimmen Sachen.
>Leicht überspitzt gesagt, ist das schlimmste was die in Jojo Rabbit tun, einen Hasen zu töten, und im Wald Granatenwurf zu üben.


...und was ist mit dem Aufknüpfen von Jojos Mutter?

Wenn in diesem Film Nazis etwas tun, dann sind das fast immer schlimme Sachen. Die Nazis im Film sind allesamt komplett unmoralische Gestörte.

>Die erhängten Widerstandskämpfer stellt der Film praktischerweise (so weit ich mich erinnere) mit den Nazis gar nicht in Verbindung. Die hängen da halt einfach.

Das stimmt nicht. Die Nazis haben ihnen in beiden Lynchszenen ihre Anti-Nazi-Flugblätter ans Bein geheftet. Auch Jojos Mutter.

>und natürlich das beste:
>- Nazis sind keine schlechten Menschen, nur ein bisschen "quirky" und exzentrisch, gehen gerne in den Wald und machen Jugendaktivitäten.


Ja, aber wie? Das kam doch alles maximal verstrahlt, gestört und unmoralisch rüber. Als Zuschauer durchschaut man das - und gleichzeitig ist Jojo im Film noch nicht reif genug, es auch richtig einzuordnen.

>Und wenns wirklich drauf ankommt, ja dann flunkern Wehrmachtsoffiziere ad hoc auch die Gestapo an um Judenmädchen zu retten, die sie überhaupt nicht kennen.

Sam Rockwell und Alfie Allen spielen offensichtlich ein homosexuelles Paar, das sich mit der Naziherrschaft arrangiert hat, Karriere in der Wehrmacht inklusive. Klenzendorf (Rockwell) hat Nazideutschland und sich selbst zum Zeitpunkt des Films längst aufgegeben.

Das Wichtige ist, dass Klenzendorfs Taten am Ende nicht als Wiedergutmachung durchgehen oder ihn erlösen. Sie retten nur Elsa und Jojo.

>Die Ideologie, der Judenhass, die Abscheu gegenüber andersdenkenden, die Denunziation - alles nur Order von oben oder irgendwo weit weg.

...aber doch komplett verinnerlicht? Der bizarre, absurde Hass auf die Juden ist doch allgegenwärtig.

>In Jojo Rabbit ist niemand in der deutschen Bevölkerung mitschuld am Holocaust und am Terror des Faschismus, sondern im Herzen ein Held im flamboyanten Glitzerkostüm oder eigentlich eh Widerstandskämpfer.

Klenzendorf ist kein Held, denn selbst im Glitzerkostüm kämpft er immer noch auf Seiten der Nazis. Und Jojos Mutter ist die einzige Widerstandskämpferin im Film, die wir nicht nur am Galgen hängen sehen.


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