Thema:
Jein flat
Autor: heffer
Datum:25.12.19 20:45
Antwort auf:Star Wars - Episode IX - Der Spoilerthread von X1 Two

Völlig unsortiert alles, was hängen geblieben ist:

- Der Anfang ging daneben. Es gibt großartige Bilder, aber die Szenenübergänge sind Mist, der Tempowechsel ist willkürlich, der gesamte Rhythmus passt nicht. Es entsteht null Flow, und das ist wirklich schade, wenn man bedenkt wie krass Episode VII in der ersten halben Stunde abgeliefert hat.

- Die Einführung von Palpatine. Wtf? In der Schrift im Vorspann!? Gab es in E7/8 überhaupt Ansatzpunkte für dessen Weiterleben oder wurde der spontan eingeführt? Im Hinblick auf die Antagonisten wirken Johnson und Abrams wie zwei kleine Kinder, die sich gegenseitig ihre Sandburgen zertrampeln. Abrams führt in E7 eine Konstellation wie in 4-6 ein: Kylo/Snoke statt Vader/Imperator. Johnson lässt Snoke kurzerhand sterben, rückt Kylo stattdessen alleine in den Vordergrund. Abrams führt Snoke dann wieder ein, nun aber in Gestalt von Palpatine und der Erklärung, dass Palpatine und Snoke quasi dieselbe Person seien.

Wie können sich zwei Köche so derbe in den Brei kotzen.

- "Rey, ich bin dein Opa". Es gibt nicht wirklich jemanden, der meint, dass dieser Twist funktioniert, oder?

- Rey generell - nein, das war nichts. So sehr ich sie in E7 mochte, Abrams macht mit ihr den gleichen Fehler, der den GoT-Machern bei Daenerys passiert ist: Null Entwicklung über die gesamte Laufzeit. Rey ist am Ende immer noch genau so unbeholfen, aufgewühlt und nervös wie am Anfang der Trilogie. Dass diese Person dann den Imperator besiegen und die Welt retten soll - schwer zu akzeptieren, noch schwerer zu feiern.

- alle, absolut alle Nebenfiguren in diesem Film sind langweilig und bedeutungslos. Finn, Poe und wer noch alles - keiner sagt irgendwas witziges oder charmantes, keiner hat eine interessante Rolle. Alle nur da, weil sie es müssen.

- Abrams akzeptiert offenbar, dass Kylo in E8 deutlich besser geglückt ist und behält ihn weitgehend auch so bei. Stärkste Figur im ganzen Film. Was dann aber der Quark mit der Maske soll, möchte ich... bitte von niemandem erklärt haben. Das war in E7 aufdringlicher, pseudo-tiefsinniger Mist und wurde meiner Erinnerung nach in E8 glücklicherweise abgeschafft, nur um dann in E9 in völlig unpassender Form wieder aufzutauchen. Auch hier wieder: Abrams wie ein kleines Kind ("ich hatte aber Recht!!").

- ein Widerspruch zwischen E8/E9 wurde zugegebenermaßen recht charmant aufgelöst, und das war der um Luke Skywalker. "Ich habe mich geirrt" war ausgesprochen lustig und hat mich an "Do I look like I give a damn?" auf die "shaken or stirred?"-Frage in Casino Royal erinnert.

- massig grandiose Bilder, das muss man dem Film lassen. Vor allem im Anwesen von Palpatine, aber auch der Fight zwischen Kylo und Rey. Was das angeht, lässt E9 den Vorgänger Lichtjahre hinter sich.

- E9 ist witzigerweise genau da am besten, wo er E8 konsequent weiter führt: bei der Verbindung zwischen Rey und Kylo. Das ist ein Aspekt, der schon in E8 stark war, hier aber noch besser und konsequenter ausgebaut wird. Gerade wenn Kylo und Rey dann gegeneinander kämpfen und _beide_ letztlich die Gelegenheit verstreichen lassen, den jeweils anderen zu töten, dann wird aus Star Wars endlich eine Geschichte mit Grauzonen und Tiefe. Und wenn Kylo am Ende dann Rey zur Hilfe eilt und damit quasi die Story von Romeo und Julia in das light/dark-Szenario übertragen wird, dann wird der Film... fast großartig.

- Fast, weil Abrams auch hier Entscheidungen trifft, die ich null nachvollziehen kann und die wohl auch darauf beruhen, dass er den Fanboys nicht vor den Kopf stoßen möchte. Warum muss Kylo erst zur guten Seite wechseln, bevor er Rey hilft, warum kann er nicht einfach bei dark bleiben und aus grober Unvernunft, ja wenn man so will: aus Liebe zu ihr handeln?

- Ehrlich gesagt kann ich noch nicht einmal sagen, ob er tatsächlich zur light side gewechselt ist, so unplausibel war dieser Wandel. Mit dem Dialog zwischen Kylo und Han Solo als letztem Glied in der Ursachenkette übertrifft E9 den umgekehrten Wechsel von Annakin in E3 um Längen an Dämlichkeit und Unglaubwürdigkeit. Am Ende ist für mich offen, ob Kylo zu light oder dark gehört, aber nicht, weil Abrams das offen lassen wollte, sondern weil er sich einfach unglaublich schlecht ausgedrückt hat.

- wie Abrams dann den eigentlich unlösbaren Konflikt zwischen Rey und Kylo auflöst, bedarf keiner Kommentierung mehr. Kuss - Tod - Thema vom Tisch.

Im Ergebnis ist die Trilogie trotz vieler guter Ansätze schon extrem zerfahren. E8 ist für mich der mutigste und konsequenteste der Reihe, dafür haben E7 und E9 schickere Bilder, nachhaltigere Momente und mir insgesamt mehr Spaß gemacht. In Summe zeigt die Trilogie aber, dass sich zwei Köche den Brei verderben. Und die Abrams-Filme zeigen zudem, dass sich auch ein Koch alleine den Brei verderben kann, wenn er sich an zu vielen verschiedenen Geschmäckern orientiert.


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