Thema:
Faszinierende Story, schlecht erzählt... flat
Autor: Pezking
Datum:19.12.19 12:13
Antwort auf:Star Wars - Episode IX - Der Spoilerthread von X1 Two

...und gerettet von tollen Charakteren. So würde ich Episode IX jetzt nach zwei Sichtungen, viel Grübelei und einmal drüber schlafen beschreiben.

Ich bin mit viel Optimismus und großer Vorfreude an den Film herangegangen.
Nach der ersten Sichtung war ich enttäuscht und fast schon besorgt um die Trilogie.
Nach der zweiten Vorstellung war ich dann jedoch - zum Glück! – zufrieden mit dem Film.

Und ich glaube, ich weiß jetzt, warum das so war. Ich hatte da gestern im anderen Thread schon den richtigen Verdacht.

Ich bin großer SW-Fan und entsprechend neugierig auf jeden neuen Film. Deshalb sitze ich bei jeder Premiere hochkonzentriert und aufmerksam im Kinosessel und achte vor allem auf die neue Story, die da vor meinen Augen ausgebreitet wird. Ich will das nächste Kapitel der Saga auf Anhieb möglichst genau erfassen und verstehen.

Und genau hier fiel „The Rise of Skywalker“ (TROS) für mich zunächst voll auf die Fresse.

Nicht unbedingt inhaltlich. Aber bezüglich der Art und Weise, wie diese Geschichte erzählt wird.

Es geht direkt los mit Palpatine. Tadaaa: Sheev ist wieder da, wie Kai aus der Kiste. Das offenbart der Film bereits nach zwei Minuten. Und warum das so ist und wie das so kommen konnte – naja, Sith-Clone-Life-Resurrection-Mumbojumbo, irgendwas wird es schon sein. Nimm‘ es einfach so hin! Ist halt so, wir haben heute nur 141 Minuten Zeit.

Das tragische daran: Es ergibt im Kontext der gesamten Sequeltheorie total Sinn, dass Palpatine hinter dem ganzen Bums steckt! Seit vier Jahren ist es weitgehend ein Mysterium, warum es die First Order überhaupt gibt, wer sie ins Leben gerufen hat, warum sie aussieht wie das Galaktische Imperium 2.0 und warum sie wieder mit der Dunklen Seite der Macht rumfrickelt, mit Semi-Sith-Typen wie Snoke und Kylo Ren.

Dass es sich angesichts all dieser Parallelen zum alten Imperium letztendlich um einen wilden Racheplan von Palpatine handelt – das ist schon ok, und nur so wird aus diesem ganzen Kapitel irgendwie eine runde Sache.

Einmal mehr spielte Palpatine mit der (New) Republic Jojo. Bis auf den versprengten Resistance-Haufen nahm niemand die Bedrohung ernst, dann zerfickt Starkiller-Base das Machtzentrum der Republik, und wer bis dahin noch nicht der First Order den Kampf angesagt hatte, hat nun erst recht keinen Bock mehr drauf, weil sie von heute auf morgen plötzlich komplett übermächtig wirkten. Und dann setzt Sheev mit der Final Order noch einen großen Haufen obendrauf. Schachmatt.

Grundsätzlich ist die Rückkehr von Palpatine für mich also durchaus eine schlüssige Entwicklung bzw. Erklärung für vieles, was in den vorherigen beiden Filmen passiert ist.

Aber dass darauf dann eine viel zu komplizierte und überladene Schnitzeljagd kreuz und quer durch die Galaxis folgt…das ist alles viel zu verschnörkelt; man kann der Story auf Anhieb kaum folgen. Ein Problem, das ich auch mit Episode VII hatte. Ist wohl ein Steckenpferd von J.J. Abrams: Eine an sich simple Story komplett mit Action, Emotionen und Bildgewalt zu überladen und dadurch schwer verdaulich zu machen – zumindest für Zuschauer, die in erster Linie auf Anhieb die Story verstehen wollen.

Zum Glück legt sich das mit weiteren Sichtungen. Wenn man die Story eh schon kennt und nicht mehr darauf angewiesen ist, dass der Film sie einem offenbart. Dann funktioniert Star Wars á la Abrams für mich.

Und wenigstens – und das ist der große Unterschied zu den Prequels und rettet letztendlich auch die Abrams-Filme – ist der gute J.J. in den Disziplinen, mit denen er seine Filme überfrachtet, ein Meister seines Fachs.

Es gelingt ihm mühelos und zielsicher, mit einer herausragenden Bildgewalt, überzeugenden Charakteren und deren Interaktion untereinander beim Zuschauer Emotionen zu wecken.

Das ganze Ensemble von TROS ist bockstark. Der Humor sitzt. Seit „The Empire Strikes Back“ hatte kein SW-Film mehr so gute Gags. Die Dynamik zwischen Rey, Finn und Poe ist großartig. C-3PO war seit „A New Hope“ nicht mehr so zitatwürdig. Man mag die Leute, und deshalb will man auch den Film mögen.

Zurück zu einzelnen Storybeats:

Rey ist also die Enkelin von Palpatine. Ich bin mir sicher, dass das von Anfang an so geplant war. Beim Rewatch von „The Force Awakens“ ist mir vor ein paar Tagen direkt wieder aufgefallen, wie sehr dort der Lichtschwert-Kampfstil von Rey dem von Palpatine in Episode III ähnelt. Ständig diese aggressiven Stoßbewegungen…fand ich echt auffällig. IMO ist das kein Zufall.

Dennoch, auch hier: Ja, kann man machen. Aber wie einem das im Film vermittelt wurde…ich habe jetzt vor allem viele Fragen zu ihren Eltern: Was waren das für Leute, wie interagierten die mit Palpatine und wie waren die generell so drauf? Mir war die ganze Zeit im Kinosaal so: „Moment mal: Palpatine hatte Sex? Wann? Mit wem? Und er hatte einen Sohn?!?“

Und dann spielt dieses Paar in der neunteiligen Saga eine kleinere Rolle als Onkel Owen und Tante Beru?

Es sind Szenen und Erzählungen im Film wie diese, die dafür sorgen, dass ich mir den Roman zum Film herbeisehne. Das ist einfach viel zu viel Stoff für einen Kinofilm.

Und persönlich muss ich sagen, dass es IMO für die Sequeltrilogie kein Verlust gewesen wäre, wenn Rey weiterhin keine verwandtschaftlichen Verbindungen zu irgendeiner SW-Prominenz gehabt hätte.

Bzw. hätte die ganze Saga IMO nicht schlechter funktioniert, wenn es außer zwischen Luke und Vader gar keine weiteren Verwandtschaftsverhältnisse gegeben hätte. Aber gut, diesen Shark hat die Serie schon vor Jahrzehnten gejumpt, und ich kann mich auch damit arrangieren. No biggie.

Dann war da noch die Erlösung von Ben Solo. Auch hier habe ich selbst nach zwei Sichtungen noch Fragen. Verstehe ich das jetzt richtig: Rey und Kylo duellieren sich auf den Trümmern des zweiten Todessterns. Leia spürt dies und hat eine Eingebung, wie sie Ben retten kann. Sie legt sich hin zum Sterben, weil nur ihr Tod Ben für einen Moment verwundbar machen und zur Selbstreflexion bewegen kann. Rey gewinnt das Duell, Kylo wird lebensgefährlich verletzt, Rey heilt ihn und er wird so quasi wiedergeboren als Ben Solo.

Dann noch der Peptalk mit Han Solo (IMO die beste Szene des Films), und der moralische Kompass von Ben funzt wieder.

Also nochmal: Leia begeht quasi Selbstmord, um ihren Sohn aus den Fängen der Dunklen Seite zu befreien?

Das ist schon ein ziemlicher Knüller. Und eine weitere gewaltige Szene, die im Rahmen des Films viel zu wenig Luft zum Atmen hat.

Dass zwischen Rey und Kylo/Ben starke emotionale Bande bestehen, weil sie ihre jeweilige Nähe zur Macht verbindet…das passt schon. Niemand versteht Rey so gut wie Ben und umgekehrt. Und trotz des Kusses habe ich ihre Beziehung bis zum Schluss nicht als Romanze aufgefasst. Viel Nähe, Verständnis und Sympathie, ja. Aber keine klassische romantische Liebe. Rey wirkt eh über drei Filme hinweg nie so, als hätte sie akut Bock auf eine Liebesbeziehung.

Liebesbeziehungen haben in der Sequeltheorie eh einen schweren Stand. Finn will was von Rey. Rose will was von Finn. Poe will was von Zorii Bliss. Lauter Einbahnstraßen! ;-)

Was für mich nur so semigut funktioniert hat war die große Konfrontation am Ende. Das war schon ein arg dick aufgetragenes Powergewichse: Die Final Order ist viel größer als alle anderen Flotten bisher! Jeder Sternzerstörer ist jetzt ein Todesstern! Rey vs. Palps = alle Jedi gegen alle Sith. Ganz schön dick aufgetragen – und letztendlich steht doch nicht mehr auf dem Spiel als am Ende von „Return of the Jedi“, was dem Powergewichse irgendwie auch gleich wieder den Zahn zieht. Kein Drama, aber in diesem Ausmaß auch irgendwie ein bissi sinnlos.

Die Stärke der Sequeltrilogie sind und bleiben die Charaktere. Und sogar die in TROS neu eingeführten Sidekicks funktionieren wieder hervorragend: Zorii Bliss, Jannah, Babu Frik und mit kleinen Abstrichen auch D-O. Alles Bereicherungen!

Die für mich vielleicht erfreulichste Nachricht: Die ganze Sequeltrilogie hat sich nun als runde Sache entpuppt. Inhaltlich hat TROS ein schönes Schleifchen um das ganze Paket gemacht. Ich mag die Trilogie genau so, wie sie nun ist. Die Reihenfolge Abrams – Johnson – Abrams war ein Glücksgriff. Dreimal Abrams hintereinander wäre zu viel gewesen. Eine Trilogie muss auch etwas Achterbahn sein, das hält die Sache frisch und spannend. Abrams hat für gelungene Bookends gesorgt, und Johnson hat dazwischen wichtige Konflikte dargestellt, Fragen aufgeworfen – und zufriedenstellend beantwortet.

Was bleibt noch zu sagen?

- Chewbacca hat endlich eine Medaille bekommen!
- Für keine Sekunde glaubte ich an Chewies Tod. So jemand wird nicht off-screen gekillt.
- Der junge CGI-Luke sah super aus. Die junge CGI-Leia furchtbar künstlich. Schräg.
- Habe ich außer John Williams und Anthony Daniels noch weitere Cameos verpasst?
- Ahsoka Tano ist wohl vor den Sequels gestorben? Sie spricht ja als Force Ghost zu Rey.
- Ist Finn etwa force-sensitive? Der hat über den Film hinweg ja diverse Eingebungen…

Zum Abschluss meine neue Skywalker-Saga-Hitliste:

1.) The Empire Strikes Back (10/10)
2.) The Last Jedi (10/10)
3.) The Force Awakens (8/10)
4.) A New Hope (8/10)
5.) The Rise of Skywalker (7/10)
6.) Return of the Jedi (7/10)
7.) The Phantom Menace (4/10)
8.) Revenge of the Sith (3/10)
9.) Attack of the Clones (3/10)


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