Thema:
Gut, aber nicht sehr gut [Spoiler unmarkiert] flat
Autor: token
Datum:01.12.19 11:25
Antwort auf:The Irishman von sad

Bin da in vielen Punkten bei Derrick.
Zu erst natürlich zum Thema digitale Verjüngung, wenn ich das Ergebnis sehe halte ich es ehrlich gesagt für bescheuert hier Opis zu nehmen, obwohl das große Maß des Films die jüngeren Jahre zeigt. Alt machen per Maske ist drin. Jung machen per Maske nicht. Dafür kann man beim jung machen einfach einen anderen Darsteller nehmen, was halt bei so ikonischen Darstellern schwierig ist, weil man sie ihr Leben lang begleitet hat. Schwierig. Aber auch nicht unmöglich, wie etwa Looper zeigt, wo das einfach extrem überzeugend war.

Ja, man ahnt es, ich kam darauf schlecht klar. Über manche Strecken funktionierte es halbwegs, aber wo es null funktioniert hat und das zu keiner Sekunde, war De Niro. Auf mich wirkte das nicht wie ein junger De Niro sondern wie ein De Niro mit Downsyndrom. Ganz komisch und eine permanente Barriere zwischen mir und dem Film. Und wenn es darum geht dass man für sowas keine anderen Schauspieler nehmen könne weil man die ja im Kopf hat, ich hab halt nicht nur die Gesichter im Kopf, da hätte man die Körper vielleicht auch etwas entspecken können, bzw. sollen. Oder halt junge Menschen als Body nehmen sollen, da ja auch Haltung und Gang nicht so gepasst haben. Absoluter Tiefpunkt eine Vermöbelungsszene. Und ja, die muss man bei einem Film der trotz seiner spektakulären Laufzeit kaum dahin geht wo es weh tut, mit großer Kritik heraus stellen. Da muss der Moment wo er das tut halt eben auch sitzen. Und hier passiert das Gegenteil, eine Szene die einen erschaudern lassen soll, mutiert zu Slapstick, man schaut sich das an, ist komplett raus aus dem Film, und kann nicht anders als zu lachen, also das komplette Gegenteil von dem was die Szene transportieren soll. Das ist einfach schlecht, und sowas muss man auch checken wenn man es sieht. Dass das so nicht geht. Vor allem nicht bei einem Schlüsselmoment. Und das neu drehen, anders lösen, oder halt heraus schneiden.
Apropos heraus schneiden, man schaut auf die Laufzeit und denkt so, ajo, der hat halt viel zu sagen. Aber dem ist nicht so. Der Film ist voller Szenen die man in der deleted scenes Ecke einer Bluray sieht, und so denkt, ach, ganz interessant das zu sehen, aber vollkommen richtig dass es nicht im Film ist. Da hätte man problemlos eine Stunde gekürzt bekommen, und dabei den Film auch noch aufgewertet.

Da ist viel negatives bei, dennoch fand ich den Film unterm Strich gut. Wobei ich schon das Gefühl hatte, der Film setzt voraus dass ich all das irgendwie kenne und weiß und er referenzieren kann. Dieser Punkt, die jungen Menschen wissen nicht mal wer Hoffa war, joa, ich wusste nicht wer Hoffa war. Aber ich hab auch nicht das Gefühl dass der Film da wirklich eine Bildungslücke geschlossen hat, weil von den Details und Verstrickungen weiß ich irgendwie immer noch nicht wirklich was. Und was die Bindungen angeht, die Hoffa eingeht und zu denen er Vertrauen hat, kamen irgendwie auch nicht so wirklich an, so wie sie der Film aufbaut. Entsprechend funktionieren so Szenen wie der Telefonanruf nur über das Schauspiel, De Niro weiß welch Sünde er da begangen hat, und ich muss es ihm vom Gesicht ablesen, da ich nicht wirklich gemerkt habe, was da zwischen ihnen war. Obwohl ja mehr als genug Zeit war es zu zeigen. Ein kurzes, die Kinder spielen zusammen und die Tochter mag ihn und die Frauen verstehen sich, so aus dem Off gesprochen, hat das für mich nicht rüber gebracht. Da braucht es mehr als einen Eisbecher von Onkel Hoffa. Und es setzt ja noch mehr in Gang, etwa wie ihn diese Tat innerhalb der eigenen Familie isoliert.

Nee, Scorsese hatte seinen Abschlussknaller mit Wolf of Wallstreet, ein Film wie ich ihn ihm nicht mehr zugetraut hatte, und der nochmal exzellentes Oldschoolkino raus haut. Irishman gelingt das in meinen Augen nicht. Eher ein Film mit dem man einen kompletten verregneten Sonntagnachmittag verpimmeln kann, um dabei seinen Kater auszukurieren. Hier wird einem auch nicht viel abverlangt, da kann man sich über drei Stunden berieseln lassen, bekommt auch das ein oder andere geboten, gerade die Massenszenen sind echt beeindruckend aufwendig und kommen supergeil rüber. Star des Films ist für mich Pesci, es ist bemerkenswert was er da macht, während jeder quasi seine Paradarolle performt, spielt Pesci nicht den aufgedrehten Zwerg, sondern einen ruhigen Bossmenschen der sich in der Unscheinbarkeit versteckt, und sowohl die Herzlichkeit, die Bodenständigkeit, als auch die Abgewichstheit und die Abgründe allein mit kurzen Blicken zu transportieren vermag. Könnte mich nicht erinnern ihn jemals so stark gesehen zu haben, seine Performance ist für mich einer der Hauptgründe dafür dass es Irishman über bloße Bemühtheit mit kennstekennste Schauwerten heraus schafft, und trotz aller Probleme durchaus sehenswert ist.


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