Thema:
Eine Verneigung vorm Oldschool-Kino flat
Autor: Guy
Datum:27.11.19 20:48
Antwort auf:The Irishman von sad

Storytechnisch, handwerklich, schauspielerisch usw. wirklich ganz groß.
Scorsese zeigt einmal mehr, was er kann und was man zu seiner Zeit (und er heute noch) unter Kino verstand.

Leider wirkt ein solcher Film heute allerdings auch irgendwie wie aus der Zeit gefallen. Er wird die Zielgruppe, die heute große Boxoffice-Erfolge generiert, nicht wirklich ansprechen, weshalb es verständlich ist, dass sich da kein Studio rangetraut hat.
Ob das am Ende für alle Beteiligten gut oder schlecht ist, kann und soll jeder für sich beantworten.
Ob es von Scorsese (und Coppola) gerechtfertigt ist, sowas wie Avengers als „kein Kino“ zu bezeichnen (und diese Umschreibung damit quasi unterschwellig exklusiv für Filme nach deren Machart zu beanspruchen) ebenfalls.
Entbehrt auf alle Fälle nicht einer gewissen Arroganz und eines gewissen Altersstarrsinns.

So etwas wie „The Irishman“ setzt definitiv, sowohl von der Laufzeit, wie auch von der Story und Charakterentwicklung, eine Aufmerksamkeitsspanne und -bereitschaft voraus, die der heutigen Smartphone-/YouTube-/Actionzielgruppe komplett abgeht. Der Film lässt sich enorm viel Zeit, es wird viel und tiefsinnig geredet, es gibt wenig Krachbumm und noch weniger Ironie und coole Sprüche.
Viele der heutigen Kinogänger dürften solch vergleichsweise schwere Kost langweilig finden und kaum die Bereitschaft mitbringen, sich darauf einzulassen - zumal sie viele letztlich mehr deprimieren als unterhalten dürfte.

Für Netflix ist es ein Prestigeobjekt, um noch ein Stück weiter aus der Videothekenersatz- und Seriensparte herauszutreten.
Ob es sich am Ende, wie auch immer, für sie rechnen wird, bleibt allerdings ebenfalls abzuwarten.

Für Scorsese, aber auch De Niro, Pacino & Co. könnte man diesen Film (ohne jetzt schwarzmalen zu wollen oder wehmütig zu werden) als würdigen Abschluss ihres Lebenswerks sehen - und gar als Ende ihrer Ära.


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