Ich hatte nach der famosen ersten Staffel vermutet, dass die Serie in Staffel 2 stärker ins Superheldenmetier gehen und/oder den Erzählrahmen erweitern würde (vgl. [https://www.maniac-forum.de/forum/pxmboard.php?mode=message&brdid=26&msgid=4357537] und [https://www.maniac-forum.de/forum/pxmboard.php?mode=message&brdid=26&msgid=4358485]). Dies passiert ein wenig, aber im Mittelpunkt bleiben zum Glück ganz klar die emotionalen Beziehungen der Figuren. Es fühlt sich nicht wie ein Aufguss der Konflikte aus Staffel 1 an, sondern ist eine überwiegend sorgfältige und nachvollziehbare, jetzt sogar noch fokussiertere Weitererzählung. Und nochmal explizit Lob für die Schauspieler, insbesondere für Hauptdarstellerin Maddie Hasson!
Fantastische Serie! (Für wen in S01 zuviel Adoleszenz-Nightmare und Traumabewältigung vorhanden war, hat keinen Geschmack und braucht S02 nicht zu schauen.)
Jetzt noch ein paar Spoiler:
Erstaunlich, wie gut die Staffel funktioniert, obwohl quasi alle externen Bedrohungen gestrichen wurden oder nun in Ruhe abgewickelt werden (Drogen-Mormomen, Gangsterfamilie Boone) und auch keine neuen Parteien eingeführt werden. Die mysteriöse böse Organisation von Nikolai bekommt etwas mehr Hintergrund, scheint aber auch "nur" eine private Einrichtung eines Milliardärs zu sein. Gleichzeitig bekommt Nikolai eine Biografie (obwohl ich eigentlich solch reine Rückblick-Folgen nicht so mag), natürlich tragisch, ebenso ein wenig seine Schwester, die auf der Suche nach der Anerkennung und Liebe ihres Vaters verdorben wurde.
Nikolai wurde wie erwartet der (meist aufrichtige) Mentor von Henry, obwohl diese über seine Morde etwas zu leicht hinwegsieht. Andererseits ist sie eh emotional ausgelastet und versteifte sich auf die Suche nach ihrem Vater. Dass dieser tatsächlich längst tot ist, passt sehr gut, aber Nikolais Beichte darüber führt zu seinem doch ein wenig überraschenden Tod (weiß nicht, wie ich von der "Explosion" halten soll) - durch Henry, die damit ihren Bodycount erhöht.
Die überlebenden Boones haben wenig, aber effektive Screentime, das Mormomenexil von Lucas Boone wird nicht überstrapaziert. Dadurch wird die Mormonenmutter Esther Miller aber schlussendlich Zeuge von Henrys Fähigkeiten, was aber aktuell nicht auf negative Folgen schließen lässt.
Die größte Bedrohung diese Staffel sind die Protagonisten quasi selbst: Wirkt das "Heldentrio" um Henry noch ziemlich unzertrennlich und die Familienwerdung der Coles und Hopes wie eine bloße Zeitfrage, führen emotionaler und unverarbeiteter Stress zum Bruch. Bei Jenna mag dies etwas plötzlich kommen: Erst wird sie auf einmal lesbisch (damit dieses "progressive" Thema auch abgehakt ist?), dann entlädt sich ihr Frust, dass sie schulisch zu scheitern droht (als Folge der ganzen Ereignissen um Henry), etwas zu forciert am Essenstisch auf Henry - die dann ultimativ Freundinnenverrat übt und sie outet. Richtig hart!
Henry erkennt eben zu selten, dass sie oft im Kern egoistisch handelt bzw. alles auch ihre Freunde stärker beeinflusst, als man zunächst sieht. Gut aber, dass es keine Filler-Stränge wie mit ihrem komischen Exfreund in S01 gibt und auch die sich anbahnende Beziehung zum Pizza-Arbeitskollegen nur zu anderen Komplikationen führt. Am Ende glaubt Henry, dass nur der Bruch mit ihrer Mutter diese schützen kann, nachdem Henry gefühlt schon alle Freunde verloren hat. Es war vielleicht etwas too much, aber der bewusste Streit mit ihrer Mutter war schon hart - und auch toll, wie Henry kurz irritiert stutzt, weil die Mutter erst volles Verständnis zeigt und nicht wie erhofft (?) sauer wird. Gleichzeitig lässt auch Jenna ihren ganzen Frust an ihrem armen Vater aus, aber kommt schlussendlich doch Henrys Zettelbitte nach und steht Henrys Mutter nach dem Break-up-Streit bei.
Townes, dessen (sinnig abgeschlossene) Hacking-Story und Original-Sin-Eskapaden weiterhin etwas Quatsch sind, kommt wohl am besten aus der Staffel: Seine Online-Freundin taucht auf - und hat eine Armprothese. Das war etwas billig, überspitzt gesagt: der geistig Behinderte kriegt eine körperlich Behinderte als Freundin.
Und sonst noch? Polizistin Anna Hulce verliert ihren Job und eventuell auch ihr Leben am Wasserfall, obwohl sie eigentlich nur helfen will. Ein weiteres Opfer von der unbedachten Henry ...? Diese hat nach dem Tod Nikolais einen potentiellen Draht zur Schwester (wie "böse" ist sie {noch}?), außerdem offenbart sich gegenüber Henry eine Freundin ihres Vaters und führt gleichzeitig eine neue Superkraft - Zeitblase oder so - ein: "Du hast keinen Schimmer, was du in Bewegung gesetzt hast." Der Zuschauer auch nicht, es gab in der Staffel keine Anzeichen für größeren Ärger.
In S03 kann die Geschichte kaum noch in der Kleinstadt verbleiben, zu viele Brücken wurden dort mindestens beschädigt und gleichzeitig beherrscht Henry nun weitgehend ihre Fähigkeit und ist ja auch weg ...