Thema:
Re:Ten Years [Netflix], 2015, HK flat
Autor: Hattori Hanzo
Datum:18.10.19 13:42
Antwort auf:Re:Ten Years [Netflix], 2015, HK von chifan

>>>>>Episodenfilm der in fünf Kurzfilmen einen (dystopischen) Blick auf das HK im Jahr 2025 wirft. An Aktualität hat der Film nicht gerade verloren. Mal die unglaublich verkünstelte und schwache zweite Episode außen vor gelassen, lässt mich der Film aber etwas gespalten zurück. Ein chinesisches Äquivalent würde wahrscheinlich als Propagandafilm gebrandmarkt. Insgesamt aber sehenswert.
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>>>>Den fand ich richtig stark, aber, genau wie du, die zweite total schwach. Es gibt übrigens auch Ten Years Thailand, Ten Years Japan und Ten Years Taiwan. (oder nur 2 von denen, bei Thailand bin ich mir sicher, dann noch 1 oder 2 andere).
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>>>Wobei es aber bei denen (den Trailern nach zu urteilen) mehr um die Gesellschaft an sich geht, das Ganze also eher einer Black Mirror Folge zu ähneln scheint, während sich HK an Festlandchina abarbeitet.
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>>>Btw., hast du die taiwanesische Filmserie "Dein Kind ist nicht dein Kind" gesehen?
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>>Nope, Empfehlung?
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>[https://maniac-forum.de/forum/pxmboard.php?mode=message&brdid=26&msgid=4498697]


Danke, ist bei Netflix auf der Watchlist (schön dass man heutzutage so leicht an sowas ran kommt)

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>>>>Ich fände ein chinesisches Equivalent extrem interessant, aber dort ist es derzeit unmöglich einen solchen Film zu drehen. Eine Dystopie von China würde der KPCh doch überhaupt nicht gefallen.
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>>>Auch wenn ich das ziemlich interessant finden würde, war meine Aussage etwas anders gemeint :). Ich fand ihn insgesamt zu überzogen. Ein diametrales Äquivalent aus China würde man wahrscheinlich als gehirnwaschende Propaganda beschimpfen.
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>>Der Unterschied wäre dann aber dass das eine von unten kommt und eine Stimmung der Gesellschaft abbildet, das andere direkt und indirekt von oben käme, also staatliche Propaganda.
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>Mhmm, selbst bei Werken wie bspw. My People, My Country (auch wenn ich den nur von den Erzählungen meiner Frau kenne, die da jetzt nicht so begeistert war) bedeutet es nicht, dass dort alle Regisseure von oben indoktriniert worden sind, ihre Episoden so zu drehen, wie sie sie gedreht haben. Eventuell sind das tatsächlich deren Vorstellungen.


Nunja, ich meine jetzt auch nicht nur indoktriniert, sondern die vielen Hürden und Anpassungen die durch Produzenten und National Radio and Television Administration.
Über die Probleme von chinesischen Filmemachern findet man viel, auch von den eher offeneren Filmemachern selbst. Feng Xiaogang (von dem auch Youth stammt!), Jia Zhangke, Xie Fei, ... haben sich schon öffentlich über den Einfluss beschwert. Eine der relativ klaren Aussagen war "Censorship kills art".

Es gibt in China schon talentierte Regisseure, und manche von denen haben sicherlich auch die Freiheiten, innerhalb eines Rahmens so zu drehen, wie sie wollen. Aber gerade durch die vielen Produzenten und speziellen Vermarktungsstrategien werden den Regisseuren dort noch mehr Hürden gelegt als es sonst schon im Filmbusiness übrig ist.
Besonders hart hat es Hong Kong übrigens auch dort getroffen. Die HK Filme die in China laufen wollen (was halt für kommerzielle Werke essentiell ist), müssen bestimmte Vorraussetzungen erfüllen, schon bei der Produktion. Welche Auswirkungen dass auf den Hongkong Film hat, darüber könnte man eine Doktorarbeit schreiben. Ich hab da mal ein 20-seitigen Bericht drüber geschrieben, falls du Interesse hast.

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>Auf der anderen Seite hast du bei Ten Years Filmemacher, eher Intellektuelle, dazu vielleicht noch Antichinesisch eingestellt, die ebenfalls einen anderen Blick auf die Gesellschaft haben, als bspw. die Arbeiter in den Sweatshops. Da von einer gesellschaftlich repräsentativen Darstellung zu sprechen, ist mir auf Grund der völligen Einseitigkeit schon zu simpel. Und das ist der Punkt der mich wirklich nervt. So lange das Ganze von der falschen ideologischen Seite kommt, wird sofort die Propagandakarte gezückt, hier ist das Ganze aber natürlich gesellschaftlicher Konsens.


Ja, natürlich hast du da ja junge Filmemacher, eher Intellektuelle, die diesen Film bewusst im Zuge der National Curriculum Demonstrationen und der Umbrella Bewegung geschrieben und gefilmt haben. Das ist ein politischer Film. Und Filme dürfen doch politisch sein. Und daher finde ich es auch nicht notwendig, dass er andere Probleme anspricht, das ist ja kein Film über alle Probleme Hongkongs, sondern eine Dystopie über die Zukunft Hongkongs.


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>>Die Sache ist ja, dass der Film ja der Zeit stattgehalten hat, gerade wenn man sich HK jetzt anschaut.
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>Ich finde den Film in einigen Aspekten auch gut. Mir fehlt hier nur ein Eingehen auf breitere gesamtgesellschaftliche Problemstellungen. Hier sehe ich nur das Schüren von Ängsten und nur ein einziges vorhandenes Problem - China. Kein Eingehen auf die jetzt schon mehr als beschissenen Lebens- und Wohnungssituationen vieler Menschen, deren Arbeiten zu Hungerlöhnen und einer extremen Schere zwischen Arm und Reich.


Siehe oben, ich finde das muss ein 100 minütiger Film nicht. Und das China Problem wird nunmal in der Bevölkerung als das elementare Problem gesehen, weil es oft auch Grund für andere gesellschaftliche Probleme ist bzw. so gesehen wird. Die Probleme der Wohnsituation ist ein Problem was es schon sehr sehr lange gibt, und die Verschlechterung wird ja auch, nicht nur, den Chinesischen Investoren zugeschoben. Die Schere zwischen Arm und Reich steigt, ja, trotz Mindestlohns, es sind diverse politisch lösbare und (leider) stark in HK verankerte Probleme. Das ist etwas was HKer beschäftigt, aber nicht als "Zukunftsangst" beschrieben wird. Und darum geht es ja in 10 Years. Um Zukunftsangst, um eine Angst die man schlecht politisch lösen kann, zumindest nicht unter dem jetzigen politischen System, was allerdings auch nicht das ist, was den HKern vor 1997 unter dem Basic Law versprochen wurde.

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>>Ich komme gerade aus Hong Kong zurück, habe ein paar Demonstranten begleitet und mit ihnen geredet, war auch mitten in der Demo von Montag. Der Film spiegelt sehr schön die Ängste wieder.
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>Naja, was solltest du von denen auch anderes hören :). Hast du auch mit denen gesprochen, die da nicht mitdemonstrieren :)?


Das krasse ist ja, das man das Gefühl hat, bei der Bildung einer Nation dabei zu sein. Es gibt einmal die extrem vielen, die mitdemonstrieren. Und dann extrem viele, die nur am Straßenrand stehen und zuschauen. Gegenstimmen gibt es äusserst selten. Beispiel: Ich sitze in der Star Ferry von Kowloon nach HK Island, ein Mann holt seine Mundharmonika raus und spielt "Glory to Hongkong", die quasi Nationalhymne Hongkongs. Einige singen mit, am Ende klatschen 90% der Leute an Bord. Es mag unterschiedliche Meinungen zur Art der Proteste geben, zur Vorgehensweise, aber bei der Generation unter 50, also für diejenigen die 2047 noch bewusst miterleben, ist die Unterstützung enorm.

Und noch mal zurück zu denen die nicht mitdemonstrieren: da kenn ich jetzt natürlich nur wenige und muss mich auf Umfragen stützen: Schau dir mal die aktuellen Werte zum Vertrauen in die Polizei an. Das Grundvertrauen ist bei der Bevölkerung weg, das wird ein ganz schwieriger Weg.
Ich habe mich mit einer sehr lange beim Abendessen unterhalten und gefragt, wie es denn mit ihren Eltern aussehe, die halt über 60 sind. Die Generation ist eher der früher so beschriebene "unpolitische HKer", dessen Ziel es ist, Geld zu verdienen.


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