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Autor: | Pezking | ||
Datum: | 11.10.19 10:50 | ||
Antwort auf: | Joker Origins kommt von Knight | ||
Zunächst einmal finde ich es großartig, dass ein Hollywood-Studio bereit war, eine Comicverfilmung mit einem sehr prominenten Charakter als leise Charakterstudie ohne nennenswerte Actionszenen auf die Leinwand zu bringen. Diesen Schritt begrüße ich sehr. Bitte mehr davon! Joaquin Phoenix spielt sich als "Joker" gefühlt achtmal um die Erdachse. Der legt da eine zweistündige Tour de Force hin, die ihresgleichen sucht. Eine wahnsinnig beeindruckende Leistung. Selten habe ich es erlebt, dass ein Schauspieler ein mittelmäßiges Script derart aufwertet. Und da sind wir schon beim Haken an der ganzen Sache: Dass der Film kaum einen nennenswerten Plot hat, finde ich nicht schlimm. Manchmal mag ich das sogar. Dass Arthur Fleck jedoch kaum einen Charakter hat - das wäre normalerweise fatal für so einen Film. Hier wird es jedoch durch die Arbeit von Phoenix halbwegs kompensiert. Fleck ist ein reiner Unglücksmagnet. Ein klischeehafter Maximalverlierer mit psychischen Problemen, ein latent unzuverlässiger Erzähler, komplett getrieben von äußeren Entwicklungen, der immer mehr mit Scheiße zugeschüttet wird. Dann enden Therapie und Medikation von heute auf morgen und er flippt schließlich aus. Hinzu kommt, dass der Film dem Publikum zu wenig zutraut. Regelrecht verärgert war ich, als seine imaginäre Beziehung zu Zazie Beetz als solche enttarnt wird - der Flashback war komplett überflüssig, da fühlte ich mich als Zuschauer echt unterschätzt. Irgendwie ist alles durchgehend zu dick und zu oberflächlich aufgetragen. Für Tiefe sorgt nur das Mienenspiel von Phoenix. Unglücklich fand ich auch die Songauswahl. Der OST war jedoch ok. Miserabel war leider auch das Publikum. Das war zwar weitgehend ruhig. Der Saal war auch rappelvoll und niemand ist früher gegangen. Aber man suchte verzweifelt nach Punkten zum gemeinsamen Beömmeln - dabei war an diesem Film echt gar nichts lustig. Besonders auffällig war es, das Joker seinen kleinwüchsigen Ex-Kollegen laufen ließ. Als der nicht an den Türriegel kam, lachten sich alle gezwungen kaputt. Obwohl nebendran eine abgestochene/erschlagene Leiche lag. Es war auch nicht so, dass Todd Phillips da in seine Hangover-Zeit zurückgefallen ist und die Szene tonal seltsam gedreht hat, wie es einem Paul Feig immer wieder passiert. Nein, diese schräge Reaktion ging komplett auf die Kappe des Publikums. Am Ende wurde dann applaudiert. Erlebe ich im Kino nur sehr selten, finde ich dort immer latent schräg - und gestern irgendwie besonders. Egal. Das klingt jetzt alles negativer als ich den Film eigentlich fand. Ich wurde zwei Stunden lang gut unterhalten, ich begrüße die Richtung des Films und Joaquin Phoenix macht den Streifen echt denkwürdig. Nur wenn man so offensichtlich "Taxi Driver 2" sein will, dann bin ich halt auch versucht, Kritikermaßstäbe wie bei einem neuen Scorsese anzulegen...und Todd Phillips ist alles, nur nicht der nächste Scorsese. |
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