Thema:
Re:Film ist Kunst flat
Autor: token
Datum:13.12.18 20:23
Antwort auf:Re:Film ist Kunst von lichtschalterer

>siehe oben mein geposteter link.
>48 fps wäre realistisch. nur weil du 24 fps gewöhnt bist ist es nicht richtig. es ist einfach ne Sparmaßnahme. 24 fps sind gestreckt, weil du ein Bild doppelst.


Ich habe dein oben gepostetes Video gesehen, und es war sehr interessant, nur das was du behauptest, wird in diesem Video nicht gesagt.

Dass es technisch möglich ist, heißt nicht dass das Publikum das will. Jedenfalls nicht in jedwedem Kontext. Bei Sportübertragen, klar. Aber beim Kinofilm? Er geht ja auch auf das Beispiel Hobbit ein, und wie das Publikum darauf reagierte.

Natürlich haben solche Effekte auch irgendeinen Bezug zu Gewohnheit, etwa Assoziationen wie "sieht billig aus" zu TV-Produktionen, die so nicht gezogen werden könnten in einem Szenario wo es TV-Produktionen gar nicht gäbe.

Stellen wir uns also ein Paralleluniversum vor in dem es keine Fernseher und nur das Kino gibt. In diesem Universum kommt jetzt der Sprung von 24fps auf 48fps. Das Publikum in diesem Universum kann jetzt nicht mehr diese Assoziation sieht billig aus herstellen, weil sie keine TV-Produktionen kennen, keine Gewohnheit entwickeln konnten in denen der 48fps einen Bezug zu einer billigen Produktion hat, und 24fps zu einer hochwertigen. Richtig?

Aber, dass die Assoziation zur TV-Produktion nicht hergestellt werden kann, heißt nicht, dass keinerlei Assoziation hergestellt werden kann.
Der 24fps Kinofilm hat einen Kunstlook, die Darstellung auf der Leinwand kann zwar erkannt werden, sie entspricht aber nicht der Darstellung unserer Wahrnehmung, es ist ein Stück weit von dieser entfremdet. Dieser Bruch der durch diese Entfremdung resultiert wird durch 48fps in einem außerordentlichen Maße abgebaut. Die Darstellung verliert ihren Kunstlook und rückt an unsere Wahrnehmung heran. Unser Paralleluniversumszuschauer wird also mit hoher Wahrscheinlichkeit eine Assoziation zu seiner eigenen Wahrnehmung entwickeln.

Das Ganze Phänomen lässt sich auch umgekehrt beobachten. Nehmen wir mal uns alte Säcke. Wir sind in Deutschland aufgewachsen, haben aber überwiegend amerikanische Filme gesehen. Und jetzt mal Hand hoch, wer hat denn bitte nicht als Kind gedacht, dass es etwa in den Straßen von New York nicht komplett anders ausschaut als in den Straßen unserer Städte? So als ob die Welt da nicht ein wenig anders aussehen würde, als Kind konnte man es ja nicht besser wissen, das ist Amerika, why not. Und wer wäre nicht überrascht gewesen wenn er per Fingerschnipp in New York wäre und dort dann erkennen könnte dass es im Grunde ausschaut wie in seinem Kaff, nur dass die Gebäude höher sind?

Dieser Look der sich von der Realität ein Stück weit entfernt ist kein Look der durch das Standbild und die Aufnahme zu Stande kommt, sondern der integral mit den 24fps zu tun hat. Und er hat eine ganz eigene Ästhetik.

Es ist wirklich vollkommen wumpe ob dieses Phänomen durch ein Verkettung von technischen Notwendigkeiten und einem Schuss Pragmatismus zur Welt gekommen ist. Ob gewollt oder nicht, es erfüllt im Kontext Kino zwei Funktionen.
Es hat einen ganz eigenen Look, nichts anderes sieht aus wie ein Kinofilm, nur im Kinofilm bekommst du den Look des Kinofilms.
Und, es erleichtert die Immersion und unterfüttert damit das Verlieren des Rezipienten im Narrativ und damit die Herausforderung der Illusion, der Lüge Film, so dass Schauspieler zu Helden werden und nicht als Arschlöcher in Kostümen die Texte aufsagen wahrgenommen werden.

Diese Entfremdung unterstützt das, und der Abbau dieser Entfremdung macht es deutlich schwieriger. Wir kennen das Phänomen alle als Uncanny Valley Effekt, und hier ist es nicht großartig anders.

Während das Kino also mehrere Veränderungen erfahren hat, Ton, Farbe, Änderung der Bildformate, Digitalprojekton, leider auch 3D, und das alles begrüßt wurde, hält sich 24fps wacker und das trotz gleich mehrerer Anläufe. Und all die anderen "Fortschritte", waren das nicht auch Gewohnheitsbrüche? Wo blieb da der Aufschrei?
Und es _hat_ einen eigenen Look wo die bewegte Darstellung drastisch anders ausschaut wenn man es hochschraubt, und es _ist_ zur Wahrnehmung entfremdet und erschafft so eine eigene Welt mit einer ganz eigenen Ästhetik, und dass das Publikum an dieser festhält hat imo weniger mit Sturheit und Gewohnheit zu tun denn mit Liebe zum Medium und Schönheit.


< antworten >