Thema:
Dogs of Berlin [Serie / Netflix] flat
Autor: Lester Freamon
Datum:09.12.18 18:58

Freitag eine SPON-Rezension gelesen und gleich richtig vermutet: Wenn die Damen und Herren von SPON etwas richtig scheiße finden, dann ist es für mich meist richtig geiles Zeug (gilt auch umgekehrt). Aktuelles Beispiel jetzt also: “Dogs of Berlin”. Die erste deutschlandeigene Netflix-Produktion nach “Dark” nagt weiter einigermaßen konsequent an deutschen Fernsehkonventionen. Christian Alvart, der letztens mit “Abgeschnitten” schon wieder einen echt soliden kleinen gorigen Thriller mit wilden Alleinstellungsmerkmalen ins Kino gebracht hat, bleibt  hier gewinnbringend auf Genre-Spur. Jetzt also die ganze große Organisiertes-Verbrechen-Oper. Man hat zwar so Hauptstadt-Crime-Epen auch schon bei “Im Angesicht des Verbrechens” (auch bei Netflix) und bei “4 Blocks” gesehen, aber es spricht ja nichts gegen zielsichere Schläge in dieselbe Kerbe. Zumal die Hiebe hier noch ein bisschen härter ausfallen. Dem DFB und Neukölln wird jedenfalls so deutlich ans Bein gepinkelt, dass man vorsichtshalber gleich mal ein paar Ortsbezeichnungen und Organisationsnamen etc. ändert. Was mir persönlich aber am besten gefällt, sind die beiden Polizisten-Hauptfiguren: Ein schwuler Deutschtürke mit Identitätskrise und ein Ex-Nazi-Ossi mit Hang zum biographischen Drahtseilakt. Insbesondere letzterer ist mit seinem leicht korrupten “Bad Lieutenant”-Vibe mal eine echt erfrischende Abwechselung zum pseudo-raubeinigen, aber immer korrekten und bauernschlauen Tatort-Beamten nach öffentlich-rechtlicher Bauart. Dabei kriegt die Serie irgendwie auch die Gratwanderung zwischen Realismus und genre-typischer Dramatisierung ziemlich gut hin. Man freut sich über Realismus und Quatsch gleichermaßen. Dass es dabei auch mal ein bisschen platt-pathetisch zugeht, ist schon ok. Differenzierteste Sozialdramen haben wir schon genug, danke. Bei dem Überangebot hochkarätiger deutscher Schauspieler, die auf Netflix gieren, gibt es auch in Sachen Schauspielpower keinen Mangel. Und der übliche Theaterausbildungs-Sprechfehler deutscher Produktion beschränkt sich hier auf angenehm wenige weibliche Figuren (Ja, die Damen Schüttler und Sass, ich meine Sie).

Da ich mich kaum noch an "4 Blocks" und im "Angesicht des Verbrechens" erinnern kann, kann ich gerade keine Abstufung vornehmen. Aber wer sowas mag, der ist hier grundsätzlich richtig.


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