Thema:
Überraschend gut! Meine Eindrücke... flat
Autor: Kilian
Datum:06.10.17 14:48
Antwort auf:Blade Runner 2 von Nightfall

Ja, ich bin einer dieser Typen, der Blade Runner seit Jahrzehnten vergöttert. Ich bin aber auch einer der Typen, der bewusst die Trailer, News und Kritiken zu Blade Runner 2049 gemieden hat, um diese Fortsetzung möglichst unvoreingenommen anschauen zu können. Nach meinem Kinobesuch gestern bin ich froh, dass ich nicht mehr über die Handlung oder das Setting wusste, denn es hätte mir wohl (zu) viel vom insgesamt positiven Eindruck geraubt, den ich am Ende hatte.

Das Szenenbild ist großartig im Blade-Runner-Universum verortet und die Atmosphäre des Films wirkt wie eine glaubhafte Fortschreibung der Welt von 2019, die das Original erfunden hat und die damals so visionär und einzigartig war. Meine Bedenken, die Fortsetzung könnte zu clean werden, haben sich nicht bestätigt, im Gegenteil: Die Welt im Jahr 2049 ist mehr denn je dreckig, marode und unmenschlich, aber keine bloße Kopie des Originals, sondern eine Weiterentwicklug seit 2019 - die 30 Jahre "Fortschritt" sieht man ihr an.

Die Kamera knüpft nahtlos an die Kameraarbeit des Originals an. Ruhige Kammerafahrten und oft schon fast statische Einstellungen, viele Close Ups und z.T. 1:1-Kopien der Einstellungen des Originals (bspw. beim Betrachten der Fotos). Meiner Meinung nach eine gute Entscheidung, hier das Rad nicht neu zu erfinden.

Zum Soundtrack bin ich noch unentschlossen. Mit Hans Zimmers Jericho-Posaunen kann ich eigentlich rein gar nichts anfangen, aber hier lasse ich die Klänge als Entwicklung der Musik seit dem Jahr 2019 durchgehen. Trotzdem wäre hier mehr Willen zur Anknüpfung an das Original und seiner unterschiedlichen Klangkulisse wünschenswert gewesen. Mehr Feinheit und weniger Bombast hätte besser zur Stimmung des Films gepasst. Die besten Momente hatte der Soundtrack, als er die Vangelis-Melodien neu interpretiert hat.

Das Drehbuch ist in meinen Augen die große Schwäche des Films. Ich habe den Film auf Englisch gesehen und kann nicht ausschließen, dass mir das ein oder andere Detail entgangen ist, aber die Handlung ist trotzdem a) vor allen Dingen im Vergleich zum Vorgänger viel zu größenwahnsinnig und b) zu oft zu uninteressant und/oder unlogisch. Hier wäre ein kleinerer Rahmen - dafür mit mehr Tiefgang - die richtige Wahl gewesen. Das Setting und die verschiedenen Charaktere mit Ausnahme der Figur Jared Letos, finde ich aber super.

Die Schauspieler liefern unterschiedliche Leistungen ab, aber die wichtigsten Figuren sitzen: Gosling, Ford und die Antagonistin sind top, die anderen Mädels ok mit Ausnahme von Robin Wright Penn (eher schlecht) und Jared Leto, der personifizierten Theatralik. Ob dafür nicht letztendlich Regie oder Drehbuch eine gehörige Teilschuld tragen, wird sich wohl erst noch klären.

Die Regie bekommt die Gratwanderung zwischen Zitat und Weiterentwicklung des Originals und Umgang mit dem hochtrabenden Drehbuch ausgesprochen gut hin. Hier wären wohl viele Regisseure gescheitert und hätten aus der Rahmenhandlung einen Action-Blockbuster gemacht. Diese Befürchtung von mir ist definitiv nicht eingetroffen, auch wenn Villeneuve ein paar durchgegangene Gäule der Autoren nicht mehr einfangen konnte (oder wollte).

Unterm Strich geht der Film sehr behutsam und respektvoll mit seinem Erbe um, und alleine dafür bin ich schon dankbar. Er ist für mich weder Film des Jahres noch ein angehender Klassiker - dafür war er nicht eigenständig genug und die Handlung zu mau. Die gelungene Anknüpfung an das Original machen ihn dennoch absolut sehenswert. 7/10


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